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LEONID SOLOWJOW


VIERTES KAPITEL



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ES WAR EINE SCHWÜLE, STILLE NACHMITtagsstunde. Der Straßenstaub, die Steine, die Wände und Lehmmauern glühten, alles atmete träge Hitze, und der Schweiß auf Nasreddins Gesicht trocknete schneller, als er ihn abwischen konnte. Über den Häusern flimmerte es, als stiege Dampf von den Dächern empor.

Mit innerer Bewegung erkannte Nasreddin die bekannten Straßen, die Schenken und Minarette. In den zehn Jahren seiner Abwesenheit hatte sich in Buchara nichts verändert. Wie früher schliefen räudige Hunde vor den Brunnen, beugten sich schlanke Frauen mit ihren schmalen tönenden Krügen über das dunkle Wasser und hielten mit braunen Händen, deren Fingernägel gefärbt waren, den Gesichtsschleier zurück. Fest verschlossen waren die Pforten der berühmten Medresse Mir-Arab, unter deren schweren Gewölben Ulemas in ihren Zellen saßen, die die Farbe des Frühlingslaubes, den Glanz der Sonne und das fröhliche Murmeln der Quellen schon längst vergessen hatten und mit düster brennenden Augen dicke Bücher zum Ruhme Allahs schrieben, in denen sie nachwiesen, daß man alle Ungläubigen bis ins siebente Glied vernichten müsse. Nasreddin stieß seinem Esel die Fersen in die Seiten, um schneller von dieser furchtbaren Stelle wegzukommen.

Womit sollte er seinen Hunger stillen? Zum drittenmal seit gestern zog Nasreddin den Gürtel enger. »Ich muß mir etwas ausdenken«, sagte er. »Halte an,



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mein treuer Esel, wir wollen überlegen. Ach, da sind wir gerade vor einem Teehaus.«

Er nahm dem Esel das Sattelzeug ab und führte ihn zu der Futterkrippe, die für die Pferde der Gäste bestimmt war. Dann schlug er die Rockschöße hoch und setzte sich an einen Abflußgraben, in dem trüb schäumendes Wasser dahinwirbelte. Wohin fließt das Wasser, und woher kommt es? Die Fluten wissen es nicht und denken nicht darüber nach, sann Nasreddin traurig. Ihnen geht es wie mir. Auch ich kenne nicht meinen Weg noch mein Ziel, noch ein Zuhause. Warum bin ich nach Buchara gekommen? Wohin werde ich morgen gehen? Und woher nehme ich das Geld für ein Mittagsmahl? Soll ich wieder hungrig bleiben? Dieser verfluchte Zolleinnehmer hat mich völlig ausgeplündert. Und dann schämt er sich nicht, mir etwas von Räubern zu erzählen.

In diesem Moment erblickte er den Urheber seiner Armut. Der Zolleinnehmer kam angeritten; er saß auf einem braunen arabischen Vollblutfohlen mit edlen, feurigen Augen, das zwei Mann seiner Wache führten. Den Hals leicht geneigt, tänzelte es nervös und ungeduldig, als sei ihm der fette Zolleinnehmer zuwider.

Ehrerbietig halfen die Begleiter ihrem Herrn beim Absteigen. Er trat in das Teehaus. Der Besitzer empfing ihn, vor Unterwürfigkeit zitternd; er setzte ihn auf seidene Kissen und kochte den besten Tee, den er in einer hauchdünnen chinesischen Tasse reichte. Man empfängt ihn gut auf meine Kosten, dachte Nasreddin.



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Der Beamte pumpte sich voll Tee und schlief alsbald laut schnarchend ein. Alle übrigen Gäste wagten nur noch zu flüstern, um seinen Schlummer nicht zu stören. Seine Leute ließen sich links und rechts von ihm nieder und vertrieben ihm mit einem Wedel die aufdringlichen Fliegen. Als sie jedoch merkten, daß er fest schlief, gaben sie einander Zeichen, sattelten das Pferd ab, warfen ihm ein Bündel Klee hin, ergriffen ihre Nargilehs und verzogen sich in das Innere des Teehauses, aus dem bald darauf ein süßer Haschischgeruch drang.

Ich muß mich aus dem Staube machen, dachte Nasreddin, der sich seines Abenteuers am Stadttor erinnerte. Er fürchtete, daß die Wache ihn wiedererkennen könnte. Aber woher nehme ich einen halben Tanga, um mir etwas zum Essen zu kaufen? O allmächtiges Schicksal, du hast mir schon so oft geholfen, sei mir auch diesmal gnädig!

In diesem Augenblick rief ihn jemand an: »Heda, du Galgenstrick!« Er wandte sich um und erblickte einen reichverzierten geschlossenen Wagen, aus dem ein Mann herausschaute, der einen kostbaren Mantel und einen riesigen Turban trug.

Und noch ehe dieser Mann - wahrscheinlich ein reicher Kaufmann oder Würdenträger - sein Anliegen vorbrachte, wußte Nasreddin, daß seine Bitte an das Schicksal erfüllt werden sollte. Das Schicksal war ihm in schweren Stunden stets gnädig gesinnt.

»Mir gefällt dieses Fohlen«, sagte der Reiche hochmütig



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und blickte über Nasreddin hinweg auf das arabische Vollblut. »Ist es zu verkaufen?«

»Es gibt kein Pferd in der Welt, das nicht zu verkaufen wäre«, antwortete Nasreddin ausweichend.

»Du hast wohl nicht viel Geld in der Tasche?« fuhr der Reiche fort. »Hör zu! Ich weiß nicht, wem dieses Fohlen jetzt gehört, wo es herkommt und wem es früher gehörte. Ich frage dich auch nicht danach. Mir genügt es, daß du, nach deiner staubigen Kleidung zu urteilen, von weit her nach Buchara kommst. Hast du mich verstanden?«

Begeistert nickte Nasreddin mit dem Kopf. Er hatte sofort begriffen, und sogar mehr, als der Reiche ihm zu sagen beabsichtigte. Er flehte das Schicksal an, dafür zu sorgen, daß keine dumme Fliege dem schlafenden Beamten in den Mund oder in die Nase kroch und ihn weckte. Die Wachen ängstigten Nasreddin weniger. Sie gaben sich ihrem Laster hin; aus dem Halbdunkel des Teehauses wallten dichte grüne Rauchwolken.

»Du wirst jedoch verstehen«, fuhr der Reiche hochmütig fort, »daß du in deinem zerschlissenen Rock nicht auf einem Vollblut reiten kannst. Das wäre sogar gefährlich für dich, denn jeder würde sich fragen: Wie kommt dieser Bettler zu einem so herrlichen Araberfohlen? Du könntest eingesperrt werden.«

»Du hast recht, Hochwohlgeboren«, antwortete Nasreddin bescheiden. »Dieses Pferd ist tatsächlich zu gut für mich. Mein Leben lang bin ich auf einem



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Esel geritten und wage nicht einmal davon zu träumen, ein Vollblut zu besteigen.«

Diese Antwort gefiel dem Reichen.

»Es ist gut, daß du trotz deiner Armut nicht vom Stolz geblendet bist. Der Arme muß demütig und bescheiden sein, denn die prächtigen Blüten, die einem Mandelbaum anstehen, passen der Distel nicht. Nun sage mir, ob du dir diesen Geldbeutel mit dreihundert Silbertanga verdienen willst!«

»Und ob!« rief Nasreddin, und ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken, weil dem Beamten nun doch eine Fliege in das Nasenloch gekrochen war und dieser plötzlich nieste und sich bewegte. »Und ob! Wer würde dreihundert Tanga verschmähen! Das ist ja so, als fände man einen Beute! mit dreihundert Silbertanga auf der Straße!«

»Na, nehmen wir an, du hast etwas ganz anderes auf der Straße gefunden«, sagte der Reiche mit feinem Lächeln. »Aber das, was du gefunden hast, tausche ich dir gegen dreihundert Tanga ein. Hier ist das Geld!«

Er reichte Nasreddin einen schweren Beute! und gab seinem Diener, der, sich mit dem Peitschenstiel den Rücken kratzend, aufmerksam zugehört hatte, ein Zeichen. Der Diener wandte sich dem Pferd zu. Nasreddin stellte fest, daß der Diener, nach seinem schlauen pockennarbigen Gesicht und dem frechen Grinsen zu urteilen, ein Erzgauner sein mußte, der seines Herrn würdig war. Drei Gauner auf einem Weg, das ist zuviel, da muß einer das Feld räumen, dachte Nasreddin.



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Er pries die Freigebigkeit des Reichen, sprang auf den Esel und stieß ihm so heftig die Fersen in die Seiten, daß der Esel im Galopp davonjagte.

Als sich Nasreddin gleich darauf umwandte, sah er, wie der pockennarbige Diener das Fohlen an den Wagen band.

Als er sich das nächste Mal umwandte, sah er, daß der Reiche und der Zolleinnehmer einander fast die Bärte ausrauften, während die Wache vergeblich bemüht war, die beiden zu trennen.

Der Kluge mischt sich nicht in fremden Streit. Nasreddin ritt durch viele Gassen und Gäßchen, bis er sich endlich in Sicherheit wähnte. Da ließ er seinen Esel im Schritt gehen.

»Halt, halt, jetzt brauchen wir nicht mehr zu eilen«, sagte er.

Da hörte er ganz in der Nähe drohendes Pferdegetrappel.

»Vorwärts, mein treuer Esel, vorwärts!« rief Nasreddin, doch es war schon zu spät. Ein Reiter kam um die Ecke gesprengt. Es war der pockennarbige Diener des Reichen. Er ritt eines der Pferde, die vor den Wagen gespannt gewesen, jagte an Nasreddin vorbei, machte kehrt und verstellte ihm den Weg.

»Laß mich durch, guter Mann«, sagte Nasreddin friedlich. »Auf engen Wegen reitet man geradeaus und nicht quer.«

»Oha«, rief der Diener schadenfroh. »Jetzt rettet dich nichts vor dem unterirdischen Kerker! Weißt du,



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daß der Besitzer des Fohlens meinem Herrn den halben Bart ausgerissen hat? Und mein Herr schlug auf ihn ein, bis ihm das Blut aus der Nase stürzte. Morgen kommst du vor des Emirs Gericht. Wahrlich, ich möchte nicht in deiner Haut stecken!«

»Was sagst du da?« rief Nasreddin. »Weshalb sind diese ehrwürdigen Männer denn so in Streit geraten? Und weshalb hältst du mich auf? Soll ich etwa ihren Streit schlichten? Die müssen sich schon selbst einigen.«

»Genug geschwatzt!«sagte der Diener. »Komm jetzt mit zurück. Du bist für dieses Fohlen verantwortlich.«

»Für welches Fohlen?«

»Du fragst noch? Für das Fohlen, für das du von meinem Herrn den Geldbeutel erhalten hast.«

»Ich schwöre bei Allah, daß du dich irrst«, antwortete Nasreddin. »Das Fohlen hat nichts damit zu tun. Urteile selbst - du hast doch das ganze Gespräch mit angehört. Dein edler, freigebiger Herr gedachte einem Armen zu helfen und fragte mich, ob ich dreihundert Tanga haben wolle. Natürlich sagte ich ja. Und er gab mir die dreihundert Tanga, möge Allah sein Leben verlängern! Doch vorher wollte er meine Demut und meine Bescheidenheit prüfen, um zu sehen, ob ich des Geschenkes würdig sei, und sagte mir: ,Ich frage nicht, wem das Fohlen gehört und wo es herkommt.' Er sprach so, um zu sehen, ob ich aus falschem Stolz das Fohlen als mein Eigentum bezeichnen würde. Ich schwieg, und dein edler, freigebiger Herr freute sich darüber. Dann sagte er, daß dieses Fohlen zu gut



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für mich sei. Ich war ganz seiner Meinung, und er war wieder sehr zufrieden mit mir. Dann sagte er, daß er mir das, was ich auf dem Wege gefunden, gegen Silber eintauschen wolle, und spielte damit auf meinen Eifer und meine Festigkeit im mohammedanischen Glauben an, die ich mir während meiner Pilgerfahrten zu den heiligen Stätten erworben habe. Und dann belohnte er mich, um sich durch diese gute Tat den Eintritt ins Paradies zu erleichtern, denn der Weg dahin führt über die Todesbrücke, die schmaler ist als eines Schwertes Schneide, sagt der heilige Koran. In meinem nächsten Gebet werde ich Allah von der edlen Tat deines Herrn berichten, damit er ihm auf der schmalen Brücke ins Paradies rechtzeitig ein Geländer baue.«

Der Diener hörte nachdenklich zu.

»O Pilger, du hast recht!« sagte er dann mit einem schlauen Lächeln, bei dem es Nasreddin ungemütlich wurde. »Warum habe ich es nur nicht sofort erraten, daß dein Gespräch mit meinem Herrn einen so frommen Sinn hatte! Aber wenn du schon beschlossen hast, meinem Herrn zu helfen, damit er ungefährdet über die Todesbrücke ins Paradies gelange, dann wäre es besser, die Brücke hätte zwei Geländer. Das ist noch sicherer. Auch ich würde gern für meinen Herrn beten, auf daß Allah zu beiden Seiten der Brücke ein Geländer baue.«

»Dann bete doch!« rief Nasreddin. »Niemand hindert dich. Es ist sogar deine Pflicht! Der Koran gebietet den Sklaven und Dienern, täglich für ihre



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Herren zu beten, ohne einen besonderen Lohn dafür zu verlangen.. .«

»Kehre um mit deinem Esel«, sagte der Diener grob und drängte mit seinem Pferd Nasreddin an die Mauer. »Schnell, ich verliere unnütz Zeit!«

»Halt!« unterbrach ihn Nasreddin eilig. »Ich habe noch nicht alles gesagt. Ich hatte vor, anläßlich der dreihundert Tanga, die ich erhielt, ein Gebet von dreihundert Worten aufzusagen. Aber ich glaube, zweihundertfünfzig Worte werden genügen. Das Geländer auf meiner Seite wird dann kürzer werden. Du müßtest dann ein Gebet von fünfzig Worten beten, und der weise Allah wird es schon fertigbringen, auch ein Geländer für deine Seite zu bauen.«

»Was?«fragte der Diener. »Mein Geländer soll also fünfmal kürzer sein als deines?«

»Dafür wird es aber die gefährlichste Stelle schützen«, entgegnete Nasreddin lebhaft.

»Nein, mit einem so kurzen Geländer bin ich nicht einverstanden«, sagte der Diener. »So würde ein Teil der Todesbrücke ungesichert sein. Ich werde blaß, und der Angstschweiß bricht mir aus, wenn ich an die furchtbare Gefahr denke, die meinem Herrn dadurch droht. Ich finde, wir sollten beide ein Gebet von einhundertfünfzig Worten lesen, damit das Geländer auf beiden Seiten gleich lang wird. Meinetwegen soll es schwach sein, aber es soll von beiden Seiten Schutz bieten. Wenn du das nicht einsiehst, sehe ich darin eine böse Absicht gegen meinen Herrn. Du willst also, daß



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er von der Brücke herunterfällt. Ich rufe dann sofort die Wache, die dich einsperren wird.«

»Ein schwaches Geländer«, rief Nasreddin wütend, und es schien ihm, als ob sich der Geldbeutel an seinem Gürtel leise bewegte. »Deiner Ansicht nach genügen wohl Gerten, um die ins Paradies Wandernden zu schützen! Verstehe doch, daß auf einer Seite ein starkes Geländer sein muß, damit sich der Mann daran festhalten kann, wenn er stolpert und fällt.«

»Die Wahrheit spricht durch deinen Mund«, rief der Diener erfreut. »Das Geländer soll auf meiner Seite stärker sein. Ich werde keine Mühe sparen und ein Gebet von zweihundert Worten lesen.«

»Ein Gebet von dreihundert Worten willst du wohl nicht lesen?«fragte Nasreddin böse.

Sie stritten sich den ganzen Weg. Die wenigen Vorübergehenden, die einzelne Brocken dieses Gesprächs auffingen, verbeugten sich ehrfürchtig, denn sie hielten Nasreddin und den pockennarbigen Diener für fromme Pilger, die die heiligen Stätten besucht hatten und nun zurückkehrten.

Als sie sich trennten, war Nasreddins Beutel um die Hälfte leichter geworden. Sie hatten sich dahingehend geeinigt, daß das Geländer der Todesbrücke für den Reichen auf beiden Seiten gleich stark sein sollte.

»Leb wohl, o Pilger«, sagte der Diener. »Heute haben wir beide ein gottgefälliges Werk getan.«

»Leb wohl, du guter, treuer und liebevoller Diener,



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der am Seelenheil seines Herrn einen so lebhaften Anteil nimmt. Ich glaube, wenn's ans Streiten geht, nimmst du's mit Hodscha Nasreddin auf.«

»Wie kommst du ausgerechnet auf den?«fragte der Diener mißtrauisch.

»Nur so . . . er fiel mir gerade ein«, antwortete Nasreddin; insgeheim aber dachte er: Oho! Mir scheint, des Emirs Geld klimpert in seiner Tasche.

»Vielleicht bist du ein entfernter Verwandter von ihm?«fragte der Diener. »Oder kennst du einen seiner Verwandten?«

»Nein, ich habe ihn nie gesehen und kenne seine Verwandten nicht!«

»Ich will dir etwas anvertrauen.« Der Diener beugte sich vom Sattel zu Nasreddin herab und flüsterte: »Ich bin ein Verwandter von Nasreddin, er ist mein Vetter. Wir haben die Kindheit zusammen verlebt.«

Nasreddin sah, daß sein Argwohn gerechtfertigt war, und schwieg. Der Diener beugte sich nochmals herab.

»Sein Vater, sein Onkel und zwei seiner Brüder sind umgekommen. Du hast doch sicherlich davon gehört, Pilger?«

Nasreddin schwieg.

»Eine Gemeinheit vom Emir«, rief der Diener heuchlerisch.

Aber Nasreddin schwieg.

»Alle Wesire von Buchara sind Dummköpfe«, sagte der Diener plötzlich. Er zitterte vor Ungeduld und



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Habgier, denn für die Auslieferung eines Freidenkers erhielt man von der Obrigkeit eine hohe Belohnung.

Doch Nasreddin schwieg.

»Und unser erlauchter Emir ist auch ein Dummkopf«, sagte der Diener. »Und es ist noch gar nicht sicher, ob Allah im Himmel existiert oder ob es ihn gar nicht gibt.«

Nasreddin schwieg, wenngleich ihm schon eine giftige Antwort auf der äußersten Zungenspitze saß. Der Diener, der sich in seinen Hoffnungen betrogen sah, hieb fluchend mit der Peitsche auf sein Pferd ein und verschwand mit zwei Sätzen hinter einer Straßenbiegung. Es wurde still. Nur der von den Hufen aufgewirbelte Staub flimmerte golden in den schrägen Strahlen der Sonne.

Nun habe ich doch noch einen Verwandten gefunden, dachte Nasreddin spöttisch. Der Greis hat nicht gelogen: In Buchara gibt es mehr Spione als Fliegen. Ich muß vorsichtiger werden, denn ein altes Sprichwort sagt, daß eine schuldige Zunge mitsamt dem Kopf abgehauen wird.

So ritt er noch lange weiter. Manchmal verdüsterte sich sein Gesicht, wenn er an den Verlust der hundertfünfzig Tanga dachte, aber dann lachte er wieder, wenn ihm die Prügelei zwischen dem Zolleinnehmer und dem reichen Kaufmann einfiel.