Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

ERZÄHLUNGEN AUS DEM WESTSUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1922

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



Atlantis Bd_08-0004 Flip arpa

TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT DREI TAFELN

114. Die Söhne des Zauberers

Ein Mann hatte drei Söhne. Der Mann war ein mächtiger Timsoba, d. h. Zauberer. Er vermochte ganz außerordentliche Dinge. Auf alle anderen Leute und auch auf seine Söhne blickte er mit Verachtung herab. Er sagte zu seinem Ältesten: "Bilde dir nichts ein! Du kannst nicht das, was ich vermag!" Er sagte zu seinem zweiten: "Du bist noch weniger als dein Bruder. Ihr seid alle miteinander nichts wert." Er sagte zu seinem dritten: "Du taugst nun schon gar nichts. Du bist nicht viel mehr als ein Bastard. Ihr alle seid zuletzt Bastarde, aber habt nichts von meinem Können."

Eines Tages waren der Vater und die drei Söhne jeder für sich allein auf der Wanderung. Sie trafen sich; aber zwischen ihnen war ein Fluß. Auf der einen Seite stand der Vater, auf der anderen standen die drei Söhne. Der älteste Sohn sagte nun zum Vater: "Du hast uns geschmäht und hast gesagt, wir seien nur Bastarde und vermöchten gar nichts im Vergleich zu dem, was du als Tim-soba vermochtest. Ich werde dir jetzt etwas zeigen." Der erste Sohn nahm ein Messer heraus. Er schlug auf das Wasser in der Richtung, in der der Vater stand. Darauf spaltete sich das Wasser und blieb rechts und links wie eine Mauer stehen. In der Mitte zwischen dem Vater und dem Sohne entstand aber im Flußbett ein trockener Weg, auf dem schritt der älteste Sohn nun zu seinem Vater trockenen Fußes hinüber. Darauf schloß das Wasser sich wieder.

Der zweite Sohn sagte: "Zu mir hast du gesagt, daß ich noch weniger tauge als dein Erstgeborener." Der zweite nahm seinen Überhang von den Schultern, breitete ihn auf dem Wasserspiegel aus und schritt auf dieser Bahn wie über die Erde trockenen Fußes über das Wasser zu seinem Vater hinüber. Als er auf dem anderen Ufer angekommen war, nahm er sein Gewand vom Wasserspiegel und schüttelte es. Es fiel kein Wassertropfen heraus. Es war ganz trocken.



Atlantis Bd_08-267 Flip arpa

Der dritte Sohn sagte: "Mich hast du am ärgsten gescholten und hast mir gesagt, daß ich noch weniger wert sei als die anderen. Nun werde ich dir zeigen, daß ich auch etwas vermag." Darauf nahm der dritte Sohn einen Feuerbrand. Er ging an den Rand des Flusses. Er ging mit dem Brande unter das Wasser. Er ging im Wasser unter der Oberfläche auf dem Flußboden hin bis zum anderen Ufer hinüber. Der Brand verlöschte nicht. Der dritte Sohn schritt auf der anderen Seite aus dem Wasser wieder heraus und auf den Vater zu. Er schüttelte sich. Er war unter dem Wasserspiegel im Fluß selbst hingegangen, aber das Feuer war nicht verlöscht. Der Sohn schüttelte sein Kleid. Es fiel kein Tropfen Wasser heraus.

Als der Vater gesehen hatte, wie seine drei Söhne vom anderen Flußufer zu ihm hinübergekommen waren, sagte er: "Meine Söhne, ich habe euch unrecht getan. Ihr könnt doch mehr als ich."


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt