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Kapitel 

ERZÄHLUNGEN AUS DEM WESTSUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1922

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT DREI TAFELN

110. Einladungen der Tiere

Wulumwupu (die Lehmnester bauende, große schwarze Hauswespe) sagte einmal zu Pondere (der Kröte): "Willst du mit mir gehen zu meiner Schwiegermutter? Wir werden sicher ausgezeichnet bewirtet werden!" Pondere sagte: "Wir sind befreundet; gewiß, ich werde dich gern begleiten." Beide machten sich nun auf den Weg. Sobald sie ankamen, ward ihnen ein Lagerplatz angewiesen. Dann trug man Getränk herbei. Sie konnten sich satt trinken. Inzwischen bereiteten die Frauen des Dorfes schönen Sachabo (Mehlbrei) vor.

Die Schwiegermutter ließ den Sachabo vorsetzen und sagte: "Nun eßt!" Wulumwupu sagte zu Pondere: "Ehe du mit zu speisen beginnst, geh' hin und wasche dir die Hände." Pondere hüpfte fort, um sich die Hände zu waschen. Als das geschehen war, hüpfte Pondere zurück, aber nun wurden die nassen Hände natürlich sandig. Als Wulumwupu das sah, sagte er: "Das ist im Dorf meiner Schwiegermutter nicht Sitte. Hier ißt man nur, wenn man sich ganz gründlich gereinigt hat. Geh also zurück und beginne die Wäsche nochmals." Pondere hüpfte wieder fort, sich zu waschen. Pondere kam wieder mit sandigen Füßen. Inzwischen begann Wulumwupu zu essen. Wulumwupu sandte Pondere immer wieder zurück, weil Pondere noch Sand an den Füßen habe. Endlich hatte Wulumwupu alles aufgegessen, und für den armen Pondere war dabei nichts übriggeblieben. — Dann kehrten die beiden Freunde wieder heim in ihr Dorf.



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Eines Tages sagte Pondere zu Wulumwupu: "Ich will meinem Onkel einen Besuch abstatten. Willst du mich begleiten? Wir werden sicherlich ausgezeichnet empfangen werden, und man wird uns reichlich Speise und Trank vorsetzen." Wulumwupu sagte: "Wir sind befreundet, da will ich dich gern begleiten." Sie machten sich also gemeinsam auf den Weg und kamen in dem Dorfe des Onkels an. Es ward ihnen sogleich Getränk vorgesetzt und das Lager bereitet. Darauf begannen die Frauen auch, den Sachabo zu bereiten. Als der Mehikuchen, herbeigebracht wurde, sagte Pondere: "Nun geh hin, lieber Wulumwupu und wasche dir die Hände. Wenn du wiederkommst, dann laß dein kleines Trömmelchen fort. Es ist bei uns Sitte, daß man nichts zu essen erhält, wenn man trommelnd zum Sachabo tritt." (Mit diesem Trommeln ist das Gesumm der sehr geräuschlos fliegenden Wespe gemeint. Schon in dem Namen Wulumwupu ist eine phonetische Betonung dieser Eigenschaft enthalten.) Wulumwupu ging hin, sich die Hände zu waschen. Als er aber zurückkam, konnte er nicht anders, als wieder sein Trömmelchen schlagen (mit den Flügeln summen). Darauf sagte Pondere: "Das geht nicht. So gibt es nichts. Du mußt ohne dein Trömmelchen zum Essen kommen." Wulumwupu ging. Inzwischen aß Pondere den Sachabo auf.

Daraufhin entstand nun ein Streit. Beide schimpften sich Bastarde. Pondere sagte: "Meine Familie bringt ihre Jungen in sehr vornehmer Form zum Leben. Erst werden Eier gelegt. Aus den Eiern schlüpfen kleine Geschöpfe mit Schwänzen heraus, und dann erst entwickeln wir Frösche uns." Wulumwupu sagte: "Meine Familie entwickelt sich genau ebenso vornehm. Erst baut man ein Haus (ein Erdnest), dann holt man von draußen Würmer herein und mauert das Haus zu. Hierauf erst kommen die Flügeltiere heraus. Wir sind Vornehme."

Daraus erkannten beide, daß sie von ganz verschiedener Art seien, und somit lösten sie die Freundschaftsverbindung.


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