Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

ERZÄHLUNGEN AUS DEM WESTSUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1922

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



Atlantis Bd_08-0004 Flip arpa

TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT DREI TAFELN

109. Katere und Djigimde

Katere ging eines Tages im Walde spazieren. Da traf er einen Topf voller Fische. Es war ein sehr großer Topf. Katere steckte die Nase hinein und rief: "Ja, es sind Fische!" Er begann voller Freude rund um den Topf zu tanzen. Dann sagte er: "Nun will ich aber die Sache beiseitebringen, um ungestört essen zu können." Er nahm ihn auf und wollte gehen. Just kam Djigimde (der Löwe).

Djigimde hatte Katere so vergnügt tanzen sehen. Er sagte zu



Atlantis Bd_08-256 Flip arpa

Katere: "Ich sah dich schon tanzen; weshalb warst du so vergnügt ?" Katere sagte: "Ich habe soeben im Busch etwas gefunden, nämlich einen großen Topf voller Fische." Djigimde sagte: "Zeig' einmal!" Katere setzte den Topf mit Fischen auf die Erde. Djigimde roch daran und sagte: "Das ist nichts für Kinder. Das werde ich selbst essen." Und Djigimde machte sich sogleich daran und fing an zu essen. Katere sagte: "Gib mir doch ein klein wenig ab." Djigimde aß und schüttelte den Kopf. Katere sagte: "Gib mir doch ein klein wenig ab." Djigimde aß und schüttelte den Kopf. Als er beinahe alles aufgefressen hatte, sagte Katere nochmals: "Gib mir doch ein klein wenig ab!" Djigimde schüttelte nur den Kopf.

Da sprang aber Katere mit einem schnellen Satz hinter dem Djigimde vorbei und riß ihm die Laili (das Skrotum) fort. Mit den Lalli jagte er so schnell er konnte von dannen. Als er weit genug war, ging er langsamer. Er sah die Tauben sitzen. Er warf mit dem Laili des Djigimde (wie mit einem Stein) nach ihnen, traf auch wirklich eine Taube und tötete sie. Mit den Laili und der Taube ging er weiter.

Mit den Laili und der Taube kam er an einem Gehöft vorbei, in dem wohnte eine Frau mit ihrem Söhnchen. Die Frau hatte eine sehr große Ziegenherde. Katere nahm die Taube und machte sie dem Söhnchen der Frau zum Geschenk. Nach einigen Tagen machte er sich aus den Laili eine Gitarre, ging zu der alten Frau, spielte die Gitarre und sang: "Pendere, pendere, pendere! Wenn jemand dem Djigimde die Lalli entreißt, um damit Tauben totzuwerfen, und wenn er dann die Tauben verschenkt, so muß man ihm die Gabe reich belohnen. Was gibst du mir für die Taube, meine Alte?" Die alte Frau wußte sich nicht anders zu helfen, als dem Katere eine Ziege zu schenken.

Am anderen Tage kam aber Katere wieder und sang wieder: "Pendere, Pendere, Pendere! Wenn jemand dem Djigimde die Lalli entriß, um damit Tauben totzuwerfen, und wenn er dann die Tauben verschenkt, so muß man ihm die Gabe reich belohnen. Was gibst du mir für die Taube, meine Alte ?" Die alte Frau hatte große Angst vor dem Manne, der dem König des Busches die Laili hatte entreißen können. Sie wußte nichts anderes zu tun, als dem Katere eine zweite von ihren Ziegen zu schenken.

Am dritten Tage aber kam Katere wieder. Er kam jeden Tag, einen nach dem anderen, sang auf der Lalligitarre und erpreßte eine Ziege nach der andern, so daß der alten Frau von ihrem großen



Atlantis Bd_08-257 Flip arpa

Ziegenbestande zuletzt nichts weiter übrigblieb als eine einzige große Ziege. Da setzte sich die Frau mit ihrem Söhnchen hin und begann zu weinen. In dem Augenblick kam aber Djigimde vorbei. Er sah lie beiden weinen und fragte: "Was habt ihr denn?" Die Alte antwortete: "Ach, hier kommt immer ein Katere an, der hat dem Djigimde die Laili geraubt, hat damit eine Taube totgeworfen, hat uns die Taube geschenkt und kommt nun alle Tage. Er spielt auf den Laili des Djigimde, aus denen er seine Gitarre gemacht hat, und verlangt drohend eine Ziege für die Taube. Nun hat er fast schon alle Ziegen erhalten. Es bleibt nur noch die eine dort, und die wird er heute abend holen. Dann sind wir ganz arm."

Djigimde sagte: "Ich will euch helfen. Bindet mich gegen Abend auch an den Ziegenpflock, und wenn Katere heute abend kommt, dann gebt mich ihm als Ziege." So ward es. Gegen Abend band die Frau Djigimde an einen Pflock. Als es anfing, Nacht zu werden, machte sich Katere auf, seine Ziege zu holen. Er traf unterwegs Somba und nahm den mit sich zu der alten Frau. Somba trug die Gitarre. Katere sang: "Pendere, Pendere, Pendere! Wenn jemand dem Djigimde die Laili entriß, um damit Tauben totzuwerfen, und wenn er dann die Tauben verschenkt, so muß man ihm die Gabe reich belohnen. Was gibst du mir für die Taube, Alte?" Die Alte sagte: "Ihr seid zwei Burschen. Ich habe gerade noch zwei Ziegen. Nehmt die beiden Ziegen hin." Darauf führte sie die beiden dahin, wo Djigimde und die Ziege angebunden waren. Als Katere Djigimde sah, sagte er: "Das ist die größere, die werde ich nehmen. Nimm du die andere, mein Somba." Es war nämlich inzwischen vollkommene Nacht geworden.

Die beiden führten jeder seine "Ziege" fort. Nach einiger Zeit begann es zu blitzen. Somba sah, daß die Ziege Kateres Djigimde sei, daß Katere das aber nicht sah, weil er Djigimde hinter sich her führte. Somba sagte: "Katere, sieh doch einmal rückwärts auf die Blitze!" Katere sagte: "Was scheren mich die Blitze. Ich mache, daß ich mit den Ziegen heimkomme." Somba dachte bei sich: "Diese Sache wird gut endigen! Ich will machen, daß ich beizeiten von dannen komme." Somba sagte nach einer Weile: "Ich habe schweres Leibschneiden, führe meine Ziege ein wenig. Ich will mich in den Wald zurückziehen." Katere sagte: "Gib die Schnur her." Somba gab die Schnur an Katere. Somba trat in den Busch und machte, daß er so schnell wie nur möglich heimkomme.

Katere eilte sich auch, mit den zwei Ziegen nach Hause zu



Atlantis Bd_08-258 Flip arpa

kommen. Als er in sein Gehöft kam, führte er die beiden Ziegen ins Haus, rief seine zwei Frauen und sagte: "Kommt mit euren Kindern und zwei Holzschalen. Ich bringe zwei Ziegen mit. Die will ich nun gleich schlachten und das Blut auffangen." Die Frauen kamen mit Kindern und Holzschüsseln. Nun packte Katere Djigimde am Kopf, um ihm die Kehle durchzuschneiden. Als er aber so den starken Hals faßte, knurrte Djigimde, und an dem Knurren merkte Katere entsetzt, wen er vor sich hatte. Er und die Seinen sprangen beiseite. Aber es war zu spät. Djigimde sprang auf einen nach dem anderen und tötete so alle Kateres. Darauf kehrte Djigimde zu der alten Frau zurück und sagte: "Ich habe Katere und seine ganze Familie geschlachtet. Du kannst hingehen, ihr Fell und ihr Fleisch als Ersatz für deine verlorenen Ziegen verkaufen."


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt