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Kapitel 

ERZÄHLUNGEN AUS DEM WESTSUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1922

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT DREI TAFELN

107. Buschkönig und Somba

Eines Tages machte Uego-naba (der Buschkönig, das ist der Löwe; sein eigentlicher Name ist djigimde) allgemein bekannt: "Kein Tier soll in Zukunft Siba (Art wilder Weintrauben) essen. Ich will dieses Recht mir ganz allein vorbehalten." Somba hörte das auch und sagte bei sich: "Die anderen können ja zuletzt machen, was sie wollen. Ich kümmere mich natürlich nicht darum. Ich werde die Siba nun gerade erst recht verzehren."

Eines Tages zog Somba im Walde die Lianen und Zweige weit herunter und ließ sie dann frei zurück in die Luft schießen, so daß es ein starkes Sausen und Brausen gab. Der Uego-naba hörte das. Er kam eilig angelaufen, und als er Somba sah, fragte er ihn: "Was ist das?" Somba warf sich schnell nieder und sagte: "Welches Glück für mich, daß du, Uego-naba, kommst. Du allein kannst mir das Leben retten. Du hörtest soeben schon den ersten Windstoß. Gleich wird der große Sturm heranbrausen, der wird die Tiere fortwehen. Auch der Elefant wird wie ein Blatt von dannen geblasen werden. Nun tue mir die Gnade an und binde mich an einen Baum recht fest an." Als Uego-naba das hörte, sagte er: "So geht das nicht. Erst muß ich, der Uego-naba, festgebunden werden. Sogleich wirst du, Somba, mich an einen Baum festbinden." Somba sagte: "Wie du befiehlst!" Darauf band Somba den starken Uegonaba fest. Als das geschehen war, ging Somba umher und aß alle Siba auf. Um den König des Busches kümmerte er sich nicht mehr, den ließ er angebunden.

Lange Zeit lag Uego-naba am Boden, ohne sich rühren zu können. Endlich kamen die kleinen weißen Ameisen und begannen die Lianenstränge, mit denen der König festgebunden war, durchzunagen. So ward er denn wieder frei.

Nach einiger Zeit ließ Uego-naba verkünden, daß er an einem bestimmten Tage ein großes Fest und allerhand Opfer veranstalten



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wolle. Es sollten sich alle Tiere zur Begehung der Zeremonie einfinden. Als Somba das hörte, begab er sich sogleich zu Kango (dem Perlhuhn) und sagte: "Ich habe eine wichtige Neuigkeit gehört; leih mir doch dein Kleid, daß ich es ein wenig anlege." Kango gab Somba sein Kleid. Darauf lief Somba zu Buruogo (dem Kronenkranich, Trompetenvogel der Franzosen; kommo oder kumma der Mande) und sagte: "Leih mir doch deine hübsche Kopfkappe. Ich habe eine wichtige Neuigkeit gehört. Da möchte ich hingehen und, um gekleidet zu sein, dies Stück von dir leihen." Darauf lieh Buruogo seine Kappe dem Somba.

Als der Tag des Festes gekommen war, legte Somba das Federkleid Kangos an und setzte die Kronenkappe Buruogos auf. Niemand konnte ihn so erkennen, und er begab sich an den Hof des Königs. Er sagte: "Guten Tag!" Der König fragte: "Was ist das?" Somba sagte: "Ich wage es, zu deinem Geburtstag zu kommen, weil du alle Tiere eingeladen hast." Uego-naba fragte: "Wer bist du denn?" Somba sagte: "Ich bin nur der Sohn der Termiten." Uegonaba sagte: "Das ist gut. Dein Vater hat mich seinerzeit befreit, als der schlimme Somba mich gebunden hatte. Nun will ich dich gern und ausgezeichnet aufnehmen."

Darauf ließ Uego-naba für Somba eine Lagerstätte im Haus seiner ersten Frau bereiten. Auch ließ er gute Getränke bringen und endlich einen Ochsen schlachten und die trefflichsten Speisen bereiten. Somba wurde danach untergebracht. Er legte sich auf sein Lager, nachdem er ordentlich gegessen und getrunken und einige große Knochen mit tüchtigen Fleischstücken in seinen Quersack gesteckt hatte. Somba schlief fest und lange. Endlich sagte sich die erste Frau des Königs: "Der Gast, der Sohn der kleinen Termiten, schläft sehr lange. Er wird doch nicht etwa krank sein? Ich werde einmal nachsehen." Die Frau trat in das Haus. Somba war im Schlafe die Kronenkappe des Buruogo herabgefallen. Die Frau des Königs sah ihn mit entblößtem Kopfe daliegen. Sie betrachtete den Kopf des schlafenden Somba und sagte: "Es ist ja sehr auffallend, was für lange Ohren der Sohn der kleinen Termiten hat. Er hat Ohren wie Somba. Ich muß das doch einmal dem König sagen." Die Frau ging.

Die erste Frau ging zu Uego-naba und sagte: "Der Gast, den du bei mir untergebracht hast, ist nicht der Sohn der Termiten. Das ist Somba." Der König sagte: "Das glaube ich nicht." Die erste Frau sagte: "Du brauchst nur die Ohren zu sehen. Seine Kappe



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ist heruntergefallen. So kann man es ganz deutlich erkennen." Der König sagte: "Ich kann es nicht glauben. Ich will noch jemand hinsenden, der die Sache ansieht." Der König sandte noch eine Botschaft. Der Bote kam zurück und sagte: "Ich habe ihn im Hause deiner Frau schlafend gesehen. Man erkennt ihn an den Ohren. Das Tier sieht dem Somba sehr ähnlich."

Uego-naba sagte: "Dann müssen mir alle helfen, diesen Somba, der mich zweimal hintergangen hat, zu töten." Der König rief alle seine Sklaven und sagte: "Nehmt Stöcke, geht hinein, schlagt Somba tot." Dann stellte der König rund um das Haus viele Hunde auf, damit, wenn Somba doch aus dem Hause entkomme, die Hunde über ihn herfallen und ihn totbeißen sollten. Die Sklaven gingen hinein. Sie schlugen nach Somba. Somba aber sah sich sehr vor, nahm seinen Quersack, sprang hoch und weit über die Sklaven fort.

Draußen wollten die Hunde über ihn herfallen. Somba setzte von dannen. Als der erste Hund ihn fast erreicht hatte, warf Somba ihm einen Knochen aus seinem Sack hin. Sogleich packte der Hund danach, schleppte ihn beiseite und nagte an dem Knochen herum. Ein Hund nach dem anderen fiel so beiseite. Zuletzt war nur noch ein ganz alter, bissiger Hund da, der wollte bis dahin keinen Knochen nehmen, sondern hatte es darauf abgesehen, Somba selbst zu ergreifen. Somba hatte aber in seinem Sack noch einen Knochen mit einem großen Stück Fleisch daran. Diesen Knochen hielt Somba lange Zeit hinter sich, so daß der große Hund ganz gierig wurde. Endlich schnappte der große Hund danach und schleppte ihn beiseite.

Eine Zeitlang war nun Somba seine Verfolger los. Als er aber ganz dicht am (rettenden) Walde war, jagte der alte Hund wieder hinter ihm her, und in dem Augenblicke, da er in das Buschwerk springen wollte, packte der Hund ihn am Hinterfuß. Somba lachte nun laut auf und sagte: "Du beißt in ein Stück Holz, wo mein Fuß daneben ist." Darauf ließ der Hund den Fuß los und biß in einen Ast. Somba aber entwischte lachend in das Dickicht.


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