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Kapitel 

ERZÄHLUNGEN AUS DEM WESTSUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1922

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT DREI TAFELN

104. Somba, Katere und Uobogo

Uobogo (der Elefant) pflegte alle Tage in Erdlöchern das Spiel Uarre (das Paddi der Bammana und der Kallaleute) zu spielen. Eines Tages kam Somba dazu. Er sagte: "Guten Tag, mein Uobogo." Uobogo sagte: "Guten Tag, mein Somba, willst du mit mir spielen?" Somba sagte: "Ich kann es nicht, aber ich könnte es ja lernen." Somba kannte es aber sehr wohl. Uobogo sagte: "Gib acht, ich will es dir beibringen!" Uobogo zeigte es Somba.

Somba spielte nun mit Uobogo Uarre. Er wußte es aber sehr wohl einzurichten, daß Uobogo gewann und er selbst verlor. Darüber freute sich Uobogo so, daß er vor Vergnügen und lachend sich auf den Rücken warf und hin und her wälzte. Diesen Augenblick sah Somba ab. Er bemerkte, daß Uobogo beim Wälzen den Anus öffnete. Da schlüpfte er schnell hinein. Im Innern schnitt er sich schnell einige von den besten Fettstücken ab und trug die eilig heraus. Als Uobogo sich ausgewalzt hatte, war Somba schon wieder zu seinem Anus herausgeschlüpft und hatte auch schon seine Fettstücke im Grase versteckt. Sie spielten noch mehrmals. Somba ließ Uobogo noch mehrmals gewinnen und benutzte jedesmal, wenn jener vor Vergnügen sich im Grase wälzte und dabei den Anus öffnete, die Gelegenheit, in dessen Inneres zu schlüpfen und sich einige gute Stücke Fett herauszuholen. Die versteckte er



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Kurie-Kurru jelle! auch ausgesprochen als Kur-jell, da Endsilben häufig verschluckt werden. Kurru jelle heißt "Fels, öffne dich". Kurkib-Kurru birri! d. h. "Fels, decke dich zu". Die Form Kurkib entsteht hieraus sehr einfach, da in diesen Sprachen besonders bei Abbreviativformen ein Streben zu Alliteration nicht so sehr selten ist und somit der K.-Anfang beider Silben deutlich wird. Das beweißt: z.daß diese Fabelkunst aus Mandequelle stammen dürfte, 2. daß die Mandequelle in dem Speicherraum ursprünglich eine Feishöhle sah.



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erst, und als sie sich trennten, nahm er seinen Raub und trug ihn nach Hause.

Daheim genoß Somba nun die ausgezeichneteste Speise. Und das ereignete sich nicht einmal, sondern Somba spielte mit Uobogo alle Tage, und während er stets Uobogo gewinnen ließ, erlangte er selbst dabei die vorzüglichsten Fett- und Fleischstücke aus dem Innern Uobogos. Die ließ er von seiner Frau zubereiten und führte auf diese Weise ein ausgezeichnetes Leben. — Eines Tages besuchte Katere das Gehöft Sombas. Er roch die Fleischspeise und sagte: "In dem Topfe hier scheint mir eine ausgezeichnete Fleischspeise zu sein. Was ist das?" Somba sagte: "Du irrst dich, das ist nichts." Katere sagte: "Wenn du mir nicht sagst, was das ist, dann brauche ich es auch nicht zu wissen. Ich werde dich dann aber töten und an dir mir ein gutes Frühstück machen." Somba sagte: "Nun, Katere, ich will es dir nur sagen, daß es etwas recht Gutes ist. Ich will dich morgen mitnehmen und dir zeigen, wo ich das gewinne. Du mußt mir aber versprechen, recht vorsichtig zu sein, denn die Sache ist nicht ohne Gefahr." Katere sagte: "Gut, morgen früh werde ich dich abholen."

Am anderen Tage kam Katere und holte Somba ab. Sie machten sich beide auf den Weg zu der Stelle, an der Uobogo Uarre zu spielen pflegte. Ehe sie ankamen, sagte Somba zu Katere: "Nun paß nur auf, daß du immer verlierst, und nachher mach' mir alles nach!" Katere sagte: "Es ist gut!" Als Uobogo sie kommen sah, sagte er: "Ihr seid heute zwei?" Somba sagte: "Ja, ich habe meinen Freund mitgebracht. Er hat mich ausgelacht, weil ich immer verliere, und meint, er verstände es selbst wohl schneller und besser als ich." Uobogo sagte: "Gut, wir wollen es ihm zeigen, und dann will ich gegen euch alle beide spielen." Uobogo zeigte Katere das Spiel, und darauf spielten sie. Somba und Katere ließen Uobogo gewinnen. Der rief: "Ihr könnt beide zusammen nicht soviel wie ich allein!" Dann wälzte er sich noch viel vergnügter als sonst vor Lachen.

Somba lief geschwind in den Anus hinein. Katere folgte ihm. Somba zog sein Messer heraus. Er sagte: "Nun paß auf, Katere! Du kannst dir überall Fett und Fleisch abschneiden. Nur diesen Teil hier, das Herz, das darfst du nicht anrühren. Sobald du da hineinschneidest, stirbt Uobogo, und sobald er stirbt, schließt er das Arschloch, und wir können nicht wieder heraus. Also sei vorsichtig!" Katere sagte: "Ich will vorsichtig sein!" Somba sagte: "Gib wohl



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acht, denn sonst geht es uns allen beiden schlecht. Wenn du ihn tötest, sterben wir auch, und mit der guten Fett- und Fleischspeise ist es vorbei!" Katere sagte: "Jaja, es ist gut!"

Darauf schnitten sie jeder ab, was ihnen gut gefiel. Katere war aber so emsig dabei, daß er nach einiger Zeit das Gebot Sombas vergaß. Der fettige Herzklumpen gefiel ihm so ausgezeichnet, daß er endlich sein Messer ansetzte und just da ein ordentliches Stück herausschnitt.

Als Katere das getan hatte, starb Uobogo sofort, und im Tode schloß er seinen Anus. Nun konnten Somba und Katere nicht heraus. Der tote Uobogo lag da. Nach einiger Zeit kam ein Jäger an der Stelle vorbei und sah den toten Elefanten. Der Jäger ging sogleich in das Dorf zurück und rief seine Genossen. Er sagte: "Es ist ein toter Elefant da." Darauf machten sie sich auf und gingen in den Busch. Die anderen fragten: "Hast du ihn getötet?" Der erste Jäger sagte: "Nein, ich habe ihn so gefunden." Einer sagte: "Wie mag er wohl zu Tode gekommen sein ?" Sie stritten darüber. Dann begannen sie, die Haut abzuziehen. Somba fragte Katere: "Wo willst du dich verstecken?" Katere sagte: "Ich will mich im Pure (Magen; in Bammana =furru) verstecken." Somba sagte: "Ja, das ist ein geräumiger Platz!" Dann schlüpfte er selbst in die Djimpoi (das ist die Galle; in Bammana = kunankuna). Er sagte sich: "Alle Jäger werfen die Djimpoi beiseite." Die Jäger schnitten inzwischen den Leib auf; sie rollten das Innere aus dem Bauche heraus, schnitten die Djimpoi vorsichtig ab und warfen sie weit fort zur Seite.

Somba schlüpfte sofort heraus und reinigte sich. Darauf kam er wie zufällig auf die Jäger zu und sagte: "Guten Tag! Sieh da, ein toter Elefant! Habt ihr ihn getötet?" Die Jäger sagten: "Nein, wir haben ihn nicht getötet; wir haben ihn so gefunden." Somba sagte: "Wenn es euch interessieren sollte, woran er gestorben ist, so könnte ich es leicht erfahren. Ich verstehe mich auf das Erdorakel, auf das Orakeln aus Kaurimuscheln, auf das Orakeln aus Kalebassen. Da ist es mir nicht schwer, die Sache zu erkunden." Die Jäger sagten: "Ja, stelle die Sache für uns fest. Wir wollen dir gern als Lohn dafür von dem Fleisch des Elefanten abgeben." Somba begann sogleich seine Arbeit. Er befragte das Erdorakel. Er befragte die Kaurimuscheln. Er sah in die Kalebassen. Dann sagte er: "Der Elefant ist von etwas getötet worden, was jetzt im Magen sitzt. Bindet also den Magen sorgfältig ab. Dann legt ihn beiseite. Wenn



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ihr mit der Zerteilung fertig seid, schneidet euch Stöcke und schlagt so lange auf den Magen des Elefanten, bis das, was darin ist, stirbt." Die Jäger sagten: "So wollen wir es machen."

Danach zerlegten die Jäger das Tier. Den Magen banden sie zu und legten ihn beiseite. Das Fleisch teilten sie in verschiedene Haufen, der Anzahl der Jäger entsprechend. Dann schnitten sie sich kräftige Knüppel und begannen ordentlich auf den zugebundenen Magen einzuschlagen. Als sie eine Weile zugeschlagen hatten, nahm Somba ein Stück Fett zur Hand, beugte sich auf den Magen herab und sagte: "Katere, hier ist ein herrliches Stück Fett, willst du es essen?" Katere sagte mit schwacher Stimme: "Ich lebe ja nicht mehr sehr, aber ich denke, ich werde es noch essen können." Hierauf sagte Somba zu den Jägern: "Das lebt noch, schlagt nur weiter!" Die Jäger begannen von neuem auf den Magen einzuhauen. Nach einiger Zeit beugte sich Somba wieder herunter und sagte: "Willst du nicht von dem ausgezeichneten Fett, mein Katere?" Katere sagte ganz schwach: "Vielleicht kann ich es noch essen!" Somba sagte zu den Jägern: "Das lebt noch, schlagt nur weiter!" Die Jäger begannen von neuem auf den Magen einzuhauen. Und das setzten sie so lange fort, bis Katere nicht mehr antwortete, als Somba ihm das Fett hinhielt.

Somba sagte: "Nun kann man mit Vorsicht aufschneiden." Die Jäger schnitten auf. Aber Katere lebte noch, er sprang im letzten Augenblick von dannen. Somba sagte: "Seht ihr, daß ich recht gehabt habe?" Die Jäger sagten: "Ja, du hast recht gehabt." Und jeder gab ihm ein ordentliches Häuflein von seinem Fleischanteil ab. Das trug Somba nach Hause.


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