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Kapitel 

ERZÄHLUNGEN AUS DEM WESTSUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1922

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT DREI TAFELN

103. Der Fleischraub Sombas und Kateres

K inkirsi machte sich ein großes, großes Haus. Das füllte er von oben bis unten mit trockenem Fleische an. Somba (Plural: sonsi; der Sonsanni der Mandestämme) fand das. Er wußte hineinzugelangen, entdeckte den Inhalt und trug ein wenig von dem trockenen Fleische ins Freie. Er kehrte zurück und holte noch mehr. Das tat er mehrmals. Als er eine Last voll hatte, ging er damit nach Hause. Am anderen Tage machte er es ganz ebenso. Demnach gab es im Hause Sombas sehr viel zu essen.

Gegenüber von Somba hatte Katere (der Schakal) sein Haus. Eines Tages ging Frau Katere das Feuer aus. Sie ging also hinüber zu Frau Somba, um sich einen neuen Brand zu holen. Als sie hinüberkam, sah sie einen großen Topf auf dem Feuer stehen; daraus stieg ein Duft empor. Die Frau Katere roch, daß es etwas Gutes war. Sie sah, daß Sombas Leute in Bälde essen wollten. Sie ging ein Stück fort und löschte den Brand aus. Sie kehrte um und sagte: "Mein Feuer ist wieder ausgegangen. Gebt mir einen anderen Brand!" Sie zündete aufs neue an und ging von dannen. In einiger Entfernung löschte sie den Brand aus. Sie kehrte zurück und sagte: "Mein Feuer ist wieder ausgegangen. Gebt mir einen anderen Brand!" Sie zündete aufs neue an und ging von dannen. In einiger



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Entfernung löschte sie den Brand aus. Sie kehrte zurück und sagte: "Mein Feuer ist schon wieder ausgegangen. Gebt mir einen anderen Brand!"

Nun sah Somba wohl, daß es der Frau Katere nur darauf ankäme, zu erfahren und herauszubekommen, was in dem Topf enthalten sei. Deshalb rief er sie heran und sagte zu ihr: "Hier, versuche ein wenig." Er gab ihr von dem gekochten Fleisch ab. Frau Katere aß davon. Doch ein wenig steckte sie zu sich und nahm es mit dem Brande zusammen heim.

Daheim lag ihr Mann, der Katere, schläfrig auf der Erde und brummte, als sie kam: "Du bist lange fortgeblieben." Frau Katere sagte: "Gewiß bin ich lange fortgeblieben. Dafür bringe ich aber auch eine gute Nachricht mit. Der Somba da drüben, das ist noch ein guter Ehemann. Der bringt für seine Familie noch Fleisch zur Stelle. Ich habe einen faulen Mann. Ja, bei Sombas gibt es Fleisch!" Katere sagte: "Das ist nicht wahr." Frau Katere sagte: "Sie haben mir ja davon abgegeben. Hier ist noch ein Stück." Sie gab ihrem Manne das, was sie beiseitegesteckt hatte. Der aß es und sagte: "Ja, das ist getrocknetes Fleisch." Sobald Katere es verschlungen hatte, lief er hinüber zu Somba.

Katere sagte zu Somba: "Du hast ja Fleisch!" Somba sagte: "Ja, ich habe wohl Fleisch, aber es gehört nicht mir. Ich habe es gestohlen." Katere sagte: "Das ist ganz ausgezeichnet. Da holen wir gemeinsam. Wann können wir dahin gehen?" Somba sagte: "Gut, ich will es dir zeigen." Katere sagte: "Wann können wir dahin gehen?" Somba sagte: "Wir werden morgen, wenn der Tag weiß ist (d. h. wenn die Sonne aufgegangen ist), dorthin gehen." Katere sagte: "Gut."

Katere ging wieder. Er ging aber nicht zu Bett, sondern holte einen weißen Stoff hervor. Den breitete er weit aus, lief zu Somba zurück, weckte ihn und sagte: "Die Sonne ist schon aufgegangen. Der Tag ist schon ganz weiß. Schau dorthin. Wir wollen nun hingehen und von dem getrockneten Fleisch holen." Somba blickte auf und sagte: "Das ist doch wohl noch nicht der weiße Tag. Da scheint mir jemand einen weißen Stoff aufgehängt zu haben. Geh nur wieder auf dein Lager. Wir gehen nicht, ehe nicht der Tag weiß ist." Katere zog wieder fort und warf sich auf sein Lager.

Als es soweit war, kam Katere wieder zu Somba. Katere hatte einen Sohn mitgebracht. Katere sagte: "Wir wollen gehen." Somba sagte: "Gehen wir." Sie gingen. Somba war allein. Katere hatte



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seinen Sohn mitgebracht, damit er derart noch mehr schleppen könne. Als sie nun an den großen Speicher Kinkirsis gekommen waren, in dem das getrocknete Fleisch aufgespeichert lag, sagte Somba: "Du siehst, der Speicher ist geschlossen. Wenn man nun will, daß der Speicher sich öffne, muß man rufen: ,Kurie! Kurie!' (Das soll heißen: ,Tu dich auf! Öffne dich!') Das darf man nicht vergessen. Paß auf!" Somba schrie laut: "Kurie! Kurie!" Darauf öffnete sich der Speicher. Somba und Katere stiegen hinein. Der Sohn Kateres blieb draußen.

Somba steckte sich einiges in seinen Sack und sagte dann: "Katere, ich gehe jetzt!" Katere sagte: "Ich will erst noch von dieser ausgezeichneten Sache genießen. Nachher packe ich auch auf und werde mich mit meinem Sohne von dannen machen." Somba sagte: "Wie du willst!" Dann sprang Somba zum Speicher hinaus und rief: "Kurkib! Kurkib!" (Das soll heißen: "Schließe dich! Deck dich zu!") Als er das rief, tat sich hinter ihm sogleich der Speicher zu, und Somba lief von dannen in das Dorf.

Katere fraß noch ein wenig im Dunkeln. Dann wollte er auch hinaus und dachte bei sich: "Somba hat mir ja das Wort gesagt, das man nennen muß, wenn der Speicher aufgehen soll! Wie war doch das Wort?" Es fiel Katere nicht ein. Darauf rief er seinem draußen wartenden Sohne zu: "Laufe doch in das Dorf und frage Somba, wie das Wort hieß, mit dem der Speicher zu öffnen ist!" Kateres Sohn sagte: "Gut." Er lief ins Dorf zu Somba und sagte: "Mein Vater Somba, wie heißt doch das Wort, auf das hin sich der Speicher öffnet? Mein Vater hat es vergessen." Somba sagte: "Dein Vater soll nur sagen: "Kurkib! Kurkib!" Der Sohn Kateres lief wieder zurück. Er rief dem Vater im Speicher zu: "Somba sagt, du solltest nur sagen: ,Kurkib! Kurkib!'" Darauf rief Katere: "Kurkib! Kurkib!" Der Speicher schloß sich noch mehr. Katere rief: "Kurkib! Kurkib!" Der Speicherschluß ward fester und fester.

Nach einiger Zeit kam Kinkirsi. Er trat an den Speicher und rief: "Kurie! Kurie!" Darauf öffnete sich der Speicher. Kinkirsi



***
Anmerkung. Zu den beiden Worten Kurie und Kurkib ist zu bemerken, daß die Eingeborenen, und zwar sind dies ziemlich wilde Mossi, ihren Sinn als "öffne dich !" und "Deck dich zu !" kennen, die Worte selbst aber als der Fabeisprache und nicht dem Mossi zugehörig erklären. öffne dich heißt in Mossi Pack! Deck dich zu heißt in Mossi Packi! In Wahrheit scheinen mir die beiden Worte einen recht interessanten Anhaltspunkt für mehrere Schlüsse zu bieten. Beide Worte stammen wohl aus der Mandesprache, z. B.



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sah hinein. Im Innern erblickte er Katere. Kinkirsi sagte: "Nun finde ich doch endlich den Dieb, der mir mein gutes Fleisch stiehlt!" Katere sagte: "Ich bin kein Dieb; ich bin nur so hier!" Kinkirsi sagte: "Was machst du denn hier?" Katere sagte: "Das ist nur Sombas Schuld. Somba hat mich hierhergeführt." Kinkirsi sagte: "Wo ist denn dieser Somba?" Katere sagte: "Er ist fortgelaufen." Kinkirsi sagte: "Solange ich den Somba nicht finde, werde ich mich an dich halten."

Dann schlug Kinkirsi Katere tot.


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