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Kapitel 

ERZÄHLUNGEN AUS DEM WESTSUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1922

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT DREI TAFELN

102. Somba und Norogo

Abaga (der Panther) hatte einige Junge bekommen. Er ging in den Busch, um Kräuter zu suchen. Während er abwesend war, kam Norogo, der damals noch kein Haustier war, und Norogo (der Hahn) pickte allen Kindern Abagas die Augen aus. Dann lief Norogo fort. Als Abaga zurückkam, fand er seine Kinder tot. Aber er konnte suchen, wie er wollte, er fand nicht den, der seine Kinder so zugerichtet hatte.

Abaga lief umher. Abaga traf Somba. Abaga sagte: "Du könntest mir helfen. Während ich fort war, hat jemand meinen kleinen Kindern die Augen ausgehackt. Weißt du nicht, wie ich den Kerl, der das tat, erwischen kann?" Somba sagte: "Ach, das ist doch wohl nicht so sehr schwer! Laß uns verkündigen, daß du ein großes Opferfest veranstalten willst, und daß alle Tiere an deiner Haustür vorüberziehen sollen. Dann wirst du den Sünder schon erwischen. Sorge nur, daß alle von der größten Antilope bis zum kleinsten Norogo eingeladen und zum Feste beordert werden. Du selbst setze dich vor die Haustür und paß genau auf, was geschieht und wer kommt." Abaga sagte: "Das ist gut. Ich bin zufrieden, daß du mir helfen willst. Sorge du nur, daß alle kommen, von der größten Antilope bis zum kleinsten Norogo." Somba sagte: "Es ist gut; ich werde das schon erledigen."

Somba verkündete im Lande, daß alle Tiere, von der größten



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Antilope bis zum kleinsten Norogo, beim Abaga zusammen zu kommen und bei diesem großen Opferfeste an seiner Hausflur vorüberzuziehen hätten. Norogo hörte das. Es wurde ihm bänglich zumute. Er sagte: "Wie ziehe ich mich aus der Sache? Es wird herauskommen!" Er überlegte. Er sagte sich endlich: "Ich werde mit Somba sprechen und ihn um seine Hilfe bitten." Norogo ging zu Somba und sagte: "Somba, ich muß dir sagen, daß ich es gewesen bin, der den Kindern des Leoparden die Augen ausgepickt hat. Nun sind wir alle zum Feste geladen. Willst du mir helfen, daß das nicht herauskommt?" Somba sagte: "Ja, ich will dir helfen, wenn du mir zahlst." Norogo sagte: "Ich will dir zahlen."

Abaga fragte nach einigen Tagen Somba: "Hast du alles angeordnet? Werden wir erfahren, wer meinen Kindern die Augen ausgepickt hat?" Somba sagte: "Ich habe alles angeordnet. Paß nur auf Norogo und seine Familie auf. Die werden hinter mir sein. Du kannst dich darauf verlassen. In der Familie ist der Sünder." Abaga sagte: "Es ist gut." Am Festtage sagte Norogo zu Somba: "Du hast doch nicht vergessen, was du mir versprochen hast?" Somba sagte: "Ich werde dir helfen. Schlüpfe nur in einen Korb, den ich unmerklich auf dem Rücken vorbeitragen kann." Norogo sagte: "Das werde ich tun."

Der Festtag kam. Erst zogen die größten Antilopen an Abagas Tür vorbei. Abaga saß vor der Tür. Die größten Antilopen sagten: "Guten Tag!" Abaga sagte: "Guten Tag." Die größten Antilopen sagten: "Wir wünschen, daß dir dein Fest gelinge." Abaga sagte: "Es geht ja gut. Wo ist denn aber Norogo ?" Die größten Antilopen sagten: "Er wird weiter hinten sein!" Dann gingen sie vorüber. Alle Tiere gingen vorüber. Abaga fragte alle Tiere, wo Norogo sei. Sie sagten alle, er sei hinten.

Somba kam nun der Tür Abagas näher. Er trug Norogo in einem Korb auf dem Rücken. Norogo sagte: "Du hast doch nicht vergessen, was du mir versprochen hast? Ich will dir alles schenken, was du willst, und wenn es ein Elefant ist. Aber hilf mir!" Somba sagte: "Es ist gut." Norogo sagte: "Wenn Abaga mir nichts tut, will ich dir alles schenken." Somba sagte: "Es ist gut." Somba kam an Abagas Haustür. Er grüßte Abaga. Abaga sagte: "Wo ist denn Norogo? Du hast mir gesagt, er würde direkt hinter dir sein!" Somba sagte: "Er wird wohl dicht hinter mir sein. Halte dich aber nur zunächst an jene Antilope mit den schönen Hörnern; das ist der Vater Norogos. Wenn du den. tötest, tötest du einen Dieb."



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Diese Antilope war nämlich Somba seit langer Zeit etwas schuldig. Aber Somba konnte sie mahnen, soviel er wollte, er erhielt die Schuld nicht zurückbezahlt. Abaga sagte: "Gut."

Die Antilope mit den großen Hörnern kam vorüber. Sie sagte: "Guten Tag! Verläuft dir das Fest angenehm?" Abaga sagte: "Es verläuft recht angenehm. Sage mir, wo ist denn dein Sohn, der Norogo?" Die Antilope sagte: "Was geht mich Norogo an? Das ist nicht mein Sohn, und ich weiß nicht, wo er ist." Abaga sagte: "Siehst du, du lügst! Da haben wir den Dieb." Er sprang auf die Antilope mit den schönen Hörnern zu und tötete sie.

Als Somba Norogo vorbeigetragen hatte, sagte Norogo: "Nun laß mich aus dem Korbe, geh nach Hause. Ich will auch nach Hause gehen und das Geschenk für dich vorbereiten." Somba ließ Norogo heraus. Norogo lief von dannen in den Busch, in sein Dorf und ließ nichts mehr von sich hören. Somba hatte das Nachsehen.

Seitdem traut man den Hühnern nicht mehr und trägt sie in Körben.


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