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Kapitel 

ERZÄHLUNGEN AUS DEM WESTSUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1922

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT DREI TAFELN

101. Somba und Katere

Somba und Katere hatten den Auftrag, für den König Honig (=sido) zu sammeln und in dessen Hof zu tragen. Sie gingen in den Busch. Jeder füllte seinen Topf. Als sie aber mit der Sammelarbeit fertig waren, konnte Katere sich nicht versagen, den Honig zu versuchen. Er fand ihn so vorzüglich, daß er noch einmal und noch einmal versuchte und daß zuletzt in seinem Topfe nur noch eine Handvoll Honig war. Da nahm Katere auch diesen Honig aus dem Topfe, füllte ihn ganz mit seinen Exkrementen an und strich den Rest des Honigs darüber, so daß man meinen konnte, der ganze Topf sei voll schönen Honigs.

Beide, Somba und Katere, nahmen ihre Töpfe mit Honig und trugen sie zum König. Der König wog die beiden Töpfe in der Hand, fand, daß derjenige des Katere schwerer sei und gab ihn, weil er glaubte, es müsse wohl mehr darin sein, seiner Lieblingsfrau. Den leichteren Topf Sombas gab er seiner zweiten Frau. Die zweite Frau fand, daß ihr Topf von unten bis oben voll ausgezeichneten Honigs sei. Als die erste Frau aber mit der Hand hineinfuhr,



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Fühlte sie, daß der Hauptinhalt wohl nicht in Honig bestehe. Sie wg die Hand heraus, ließ sie in diesem Zustand, ging zum König und demonstrierte ihm die Sache vor Auge und Nase. Der König sagte: "Warte, dem will ich aber auch mitspielen."

Die beiden Frauen machten nun für die Honigbringer Speise. Die zweite Frau, die den ausgezeichneten Honig Sombas erhalten hatte, bereitete eine vorzügliche Speise aus feinem Mehl mit Salz, Fleisch und Kräutersauce. Die Frau, die den verunreinigten Honig Kateres empfangen hatte, bereitete einen Fladen aus dem groben Mehl des roten Sorghums, ohne Salz und Fleisch und nur gekocht in schmutzigem Wasser. Die Speise für Katere stellte man auf eine Plattform, die für Somba auf die Erde.

Man brachte Katere und Somba an die Stelle, wies Katere seine schlechte Speise oben, Somba seine gute Speise unten an. Katere sah seinen Fladen, versuchte ihn und fand, daß er ganz geschmacklos war. Er blickte herab und sah, daß in der Speise Sombas Fleisch enthalten und darüber gute Sauce gegossen war. Da ließ er, wie zufällig, ein abgebrochenes Bällchen seines Fladens herab in die feine Speise Sombas fallen und sagte: "Somba, mir fiel von meiner Speise herab, reiche mir doch wieder herauf!" Somba tat es. Katere versuchte seine Speise, die nun von Sombas feiner Sauce überzogen war, und fand, daß das ausgezeichnet munde. Da konnte er nicht unterlassen, noch ein Bällchen seiner Speise herunterfallen zu lassen. Es fiel, gut geworfen, wieder in Sombas Speise. Katere sagte: "Somba, mir fiel von meiner Speise herab; reiche es mir doch wieder herauf." Somba tat es, aber er sagte: "Damit ist es nun genug. Behalte deine Speise da oben. Ich habe keine Lust, mich in einem fort so stören zu lassen." Darauf mußte Katere seine schlechte Speise zu Ende essen und zusehen, wie Somba da unten sein ausgezeichnetes Gericht verzehrte.

Am anderen Morgen sagte der König: "Nun werde ich euch für euren Honig bezahlen." Es stand da die große Herde des Königs. Man hatte eine dicke Schnur um den Hals einer Ziege und eine dünne um den Hals eines jungen Stieres gebunden. Die beiden Schnüre reichten bis zu dem Platz, auf dem der König stand. Man konnte aber nicht sehen, um welches Tier jede Schnur gelegt war. Der König sagte zu Katere und Somba: "Jeder kann nun an einer Schnur sich aus jener Herde der Rinder und Ziegen ein Stück Vieh herausziehen." Katere sagte: "Ich bin stärker, ich will an der dicken Schnur ziehen." Katere zog an der dicken Schnur. Er zog



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die Ziege heraus. Somba zog nun an der dünnen Schnur. Er zog den jungen Stier heraus. Katere beschwerte sich beim König und sagte: "Das ist nicht gut geteilt. Das ist schlecht geteilt." Der König sagte: "Ich habe nicht gewählt, ihr konntet ziehen, wie ihr wolltet. Aber meinethalben, zieht morgen noch einmal. Mag das nicht gelten, was heute geschah." Katere war es zufrieden. Katere gab seine Ziege, Somba gab seinen jungen Stier zurück.

Am anderen Morgen ließ der König die dicke Schnur um den Hals des jungen Stieres, die dünne um den der Ziege legen. Aber man konnte vom Platz aus wieder nicht sehen, um welchen Tierhals die Schnüre gelegt waren. Der König sagte zu Katere und Somba: "Nun zieht euch jeder ein Stück Vieh heraus!" Katere sagte: "Ich hatte gestern Unglück, darum muß ich heute zuerst ziehen." Dann zog er an der dünnen Schnur, weil er meinte, sie sei wieder um den Hals des jungen Stieres geschlungen. Er zog die Ziege heraus. Darauf zog Somba an der dicken Schnur. Er zog den jungen Stier heraus, wie am Tage zuvor. Katere sagte: "Das ist schlecht geteilt." Der König sagte: "Ihr habt selbst gezogen. Nun geht!"

Die beiden machten sich auf den Heimweg. Katere führte seine Ziege, Somba sein junges Rind hinter sich her. Als sie ein Stück weit gegangen waren, sagte Katere: "Ach, meine Ziege ist an einem Fuße krank; sie kann nicht recht laufen; ich werde das Bein einfach abreißen." Somba sagte: "Dann wird sie noch weniger laufen können." Katere aber riß seiner Ziege ein Bein aus. Er aß es. Danach sagte er: "Meine Ziege ist zu krank. Ich muß ihr auch das zweite Bein ausreißen." Er riß auch das zweite Bein aus. Danach begann er die ganze Ziege zu fressen, und es blieb nichts übrig als die Songare (die Leber). Er hatte die ganze Ziege allein aufgefressen.

Nun nahm er das letzte Stückchen, die Leber, reichte sie Somba hin und sagte: "Hier schenke ich dir etwas. Laß es dir recht gut schmecken." Somba sagte: "Ich danke dir." Somba dachte bei sich: "Es wird nachher womöglich Unfrieden geben. Ich will das lieber noch nicht essen, damit ich es nötigenfalls zurückgeben kann." Er steckte die Leber hinter sein Ohr. — Nach einiger Zeit sagte Katere: "Ich habe dir meine Ziegenleber gegeben, vergiß das nicht." Somba zog die Ziegenleber hinter dem Ohre hervor und sagte: "Nein, ich vergesse es nicht, ich habe sie noch!" Katere sagte: "Iß sie nur. Es ist ja nur Scherz, daß ich noch einmal davon



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sprach." Somba steckte die Leber wieder hinter das Ohr. Nach einiger Zeit sagte Katere: "Du hast da einen schönen jungen Stier. Übrigens, habe ich dir nicht vorhin die Leber von meiner Ziege gegeben?" Somba zog die Leber hinter dem Ohr hervor und sagte: "Gewiß hast du mir eine Ziegenleber gegeben. Hier ist sie. Wenn du Hunger hast, nimm sie ruhig wieder zurück. Ich habe keinen Appetit." Katere sagte: "Wie kannst du nur so etwas sagen. Ich scherze doch nur. Iß nun aber die Ziegenleber, sonst wird sie dir noch schlecht werden." Darauf steckte Somba die Ziegenleber wieder hinter sein Ohr.

Inzwischen überlegte Somba: "Das wird eine schwierige Sache werden, denn nachts kann Katere mir meinen Ochsen mit Gewalt fortnehmen. Wie mache ich es? Ich möchte ihn doch beiseitebringen." Somba sagte laut zu Katere: "Ich will dir etwas sagen, Katere. Ich bin es müde, meinen Stier immer hinter mir herzuziehen. Ich will ihn schlachten. Lauf du inzwischen zurück und hole Feuer, damit wir uns ein gutes Essen kochen können." Katere sagte: "Das tue ich von Herzen gern!" Damit rannte er davon.

Inzwischen tötete Somba den jungen Stier, häutete ihn ab, zerlegte ihn, schnitt nur den Schwanz ab und füllte alle guten Fleischstücke in die Haut. Die Haut mit dem Fleisch steckte er oben in ein Loch des Baobab-Baumes, unter dem er geschlachtet hatte. Den Schwanz steckte er mit dem blutigen Ende in die Erde, so daß die Quaste in die Luft ragte. Als Katere in einiger Entfernung zu sehen war, rief er: "Katere, Katere, mach schnell, komm schnell! Die Erde frißt unseren jungen Stier, sie hat ihn schon bis zum Schwanz im Maul." Katere stürzte schnell herbei. Er sah das Schwanzende aus der Erde herausragen. Er packte sofort daran an, um mit aller Kraft das Tier der Erde zu entreißen. Er zog aber nur den Schwanz heraus. Das Ende blutete.

Somba sagte: "Du hast ihm nur den Schwanz abgerissen. Das Tier selbst bekommen wir nicht mehr, wenn du nicht schnell nach. gräbst," Katere aß aber zunächst den Schwanz, kaute die Knochen gut ab und begann zu graben. Er fand nichts. Somba sagte: "Indem du den Schwanz aßest, hast du zuviel Zeit verloren." Katere sagte: "Jedenfalls werden wir es nun nicht mehr bekommen."

Nach einiger Zeit sagte Somba: "Ich habe nur Scherz gemacht, Katere - wie du vorhin mit der Ziegenleber. Die Erde hat nicht den jungen Stier gefressen, sondern er ist da im Loch des Baobab-Baumes." Katere sah hinauf. Er sah Blutspuren. Er sagte: "Ja,



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da scheint er zu sein. Aber wie soll ich da hinaufkommen. Ich kann nicht klettern." Somba sagte: "Ich werde dich hinaufschieben und dich von unten her stützen." Katere sagte: "Ja, du darfst mich aber nicht fallen lassen." Somba sagte: "Wir wollen es einmal versuchen."

Somba schob nun Katere den Baum hinauf. Er stützte von unten. Er schob. Im Augenblicke aber, da Katere schon fast oben am Loche und jedenfalls weit über der Erde war, ließ Somba wie versehentlich los. Katere stürzte herab, mit dem Hinterende zuerst, schlug mit diesem Teil gegen den Boden und blieb wie tot liegen. — Katere starb nicht. Er raffte sich nach einiger Zeit auf und kroch krank, wie er war, mühsam durch den Busch von dannen. Er erholte sich von dem Sturz. Aber bis heute sieht man an dem schwankenden Gange die Folgen des Sturzes.

Somba aber hatte einen jungen Stier für sich allein.


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