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Kapitel 

ERZÄHLUNGEN AUS DEM WESTSUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1922

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT DREI TAFELN

Aus dem Volksglauben der Mossi (Manismus).

Von Uende-Naba, dem eigentlichen Gotte, weiß der Mossi so viel wie nichts. Nur Redensarten über seine Allmacht usw. usw. kennt er, vielleicht auch einige Mythenbrocken, aber davon vernahm ich wenig. Desto mehr vernahm ich von dem Ahnendienste, dem Glauben an die Existenz der Totenseelen usw., dem Manismus.



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An geistigen Kräften, die den menschlichen Körper beleben, kennt der Mossi Wagadugus anscheinend die drei gleichen wie Malinke und Bammana. Das sind:

i. Das Leben: Bei Mossi: Bei Malinke: Bei Bammana:
wussu, ni oder dunarukulung,
dunanotege,
2. Die Seele: nintule, gia, dja,
3. Das Denken: tagasugo, miri, itaschi.

Unter diesen ist Tagasugo anscheinend die Traumbilder gebende Kraft und Wussu diejenige, deren Existenz aufhört, wenn der Mensch stirbt, wogegen Nintule, die Seele, ewig ist.

Nach der Anschauung der Wagaduguleute, die außerordentlich reich ist in diesem Punkte, gibt es zwei Aufenthaltsorte für die Kimse (Sing.: kum), das sind die Seelen der Verstorbenen. Der eine Platz heißt Pilimpiko und liegt im Nordwesten, der andere im Süden: Sakure.

Pilimpiko existiert nicht nur als mythologischer Platz, sondern auch als ein großes Dorf, das allgemein bekannt ist. Es liegt im Gebiet des Scham-oaba, und zwar zwischen drei Bergen, und in oder unter diesen drei Bergen leben die Verstorbenen. Der Herr der Toten daselbst heißt Teng~soba~Naba*. Auch Sakure existiert. Es wird als ein großes Loch (oder Tal?) nahe der Volta im Gebiete des Tudu-Naba geschildert, und zwar wird hinzugefügt, daß dieser Volta dort genau die Grenze zwischen Mossi und Gurunsi darstellt. Also ist der Seelenwohnort Sakure der letzte Platz auf Mossiboden nach Süden zu. Über die Seelen der Toten in dieser Erdhöhlung herrscht Jakuri-Naba, der ebenso blind ist wie seine Frau. Von diesen beiden Plätzen erzählte man nun allerhand interessante Einzelheiten.

Das Wesentliche aber ist der große soziale Unterschied: nach Sakure kommen die Seelen (kimse) der verstorbenen Angehörigen der Kaiserfamilie, der Leute aus dem Stamme Uidi-Rogos, nach Pilimpiko, die Toten (kimse) der Leute des Volkes, der alten Stämme. Der erste Tote, der nach Sakure ging, war angeblich Naba-Ubri. Aber nach Pilimpiko sind die Seelen der anderen lange vorher schon gegangen.

Jedes Jahr feiert man für jedes der beiden großen Totenlager ein Fest. Dasjenige für die Seligen von Pilimpiko wird im November gefeiert und heißt Sigim-dara. Tagsüber feiert das Volk im Busch. Da ist es wie ein großes Marktfest. Die Armen bringen Hirsebier



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und allerhand Fleisch und Kornspeisen hin, und die Reichen kaufen. Man ißt, man trinkt, man musiziert, man ist allgemein vergnügt, und abends zieht alles nach Wagadugu, tanzt vor der kaiserlichen Hofburg, zieht dann zum Tansoba-Naba und jubelt da die ganze Nacht hindurch. Der Tansoba-Naba muß also wohl in ganz besonderem Verhältnis zu den Toten von Pilimpiko stehen.

Das Fest für Sankure heißt Nguka und wird im Maimonat begangen. Das ist eine schlechte Jahreszeit. Es gibt nichts Rechtes zu essen mehr. Das Fest für die Totenstadt der Vornehmen ist viel ungünstiger gelegen als das für die Volksleute, die die beste Jahresernte nutzen können. Es herrscht im Mai Dürre. Aber viel Schlemmerei benötigt die vornehme Welt nicht zu diesem Feste. Es ist vielmehr sehr bemerkenswert, daß die Mossiadligen ihr Totenfest als - Jäger feiern. Sie ziehen nach Süden in die reicheren Jagdgebiete und suchen hohes Wild zu ergattern. Wenn eine schwere Antilope, ein Elefant oder so etwas erlegt ist, ist der Jäger zu einer wiederum sehr bemerkenswerten Abgabe verpflichtet. Er muß nämlich eine Keule an die Leute von Pilimpiko senden. Diese geben als Gegenleistung einen Hahn und ein Huhn, von denen das erstere für den einäugigen Herrscher, das zweite für dessen ebenso einäugige Gattin bestimmt ist. Beides wird mit Sachabo-Brei und Fleischstückchen vom Jagdwild in die große Grube Sankure geworfen.

Wenn ein Menschenkind geboren wird, sei es im Volke, sei es im Adel, so ist das immer die Wiederkehr einer Kum, für ersteres aus Pilimpiko, für letzteren aus Sankure. Überhaupt stammt aus den beiden Totenreichen aller Nachwuchs, aller Vermehrungssegen, gute Ernte und Gesundheit. Aber auch das Schlechte kann daher kommen, wenn die Menschen nicht beizeiten das Wohlwollen der Kimse durch Opfer und Feste zu fesseln wissen. Unter den Hofzeremonien spielen noch eine ganze Reihe anderer manistischer Feste eine bedeutsame Rolle.

Für den Adel kommt aus Sankure auch jede Todeswarnung. Irgendeiner aus Uidi Rogos Familie sieht im Traume den Jakuri-Naba, und der sagt ihm, daß der und der sterben würde. Der das träumte, sagt es sogleich dem zum Tode Verdammten, und dieser muß den Ahnen gleich ein gut Stück Vieh opfern, von dem aber der, der geträumt hat, nichts genießen darf. Oft streckt das die Lebensspanne noch einmal. — Gar häufig teilt schon ein Jahr nach dem Hinscheiden eines Adligen der Jakuri-Naba der Familie mit, daß die Kum der Toten in Bälde wiedergeboren werden würde. Er tut das mit den Worten: "Ich gebe ihm kein Wasser mehr in Sakure. Er kehrt zu euch zurück."

Ahnenfiguren gibt es im Wagadugugebiet nicht.



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Nun noch einige Notizen aus Wahiguja. Dort glaubt man, daß Kibiri Kullugu, ein Dorf im Süden Jatengas, der Aufenthaltsort der Seelen der Verstorbenen sei. Allerdings kehre jede Seele jedes Jahr einmal in ihr Dorf zurück; deshalb feiere man das Tiligafest. Bei diesem zählt man die Zahl der Ahnen auf und opfert -seitens des Adels - für jeden ein Huhn oder für alle einen Ochsen. Auch sonstige gute Sachen werden dargebracht, und man hofft, daß derart die Toten abgehalten werden, Schlechtes zu tun. Ahnenfiguren werden auch hier nicht hergestellt, aber in alter Zeit gab es bei Wahiguja ein paar Wangomasken, deren eine zwischen den Hörnern eine Männer- und eine Frauenfigur darstellte. Vom Tanz dieser Geschlechtsmasken erwartete man Familienfruchtbarkeit.

Wenn jemand in Jatenga erkrankte, so brachte er der "Gottheit" Opfer dar. Er ruft dabei Uendo (Himmel) als Gottvater, Tenga (Erde) als Gottfrau an, ruft aber auch alle bekannten Ahnen an, gibt einige Hühner als Opfer und bittet, daß Uendo, Tenga und die Ahnen ihm nichts Böses antun sollen. Eine klare tellurische Weltanschauung!

Zaubermittel. Gleich den Mandestämmen haben die Mossi verschiedene Arten von Abwehr.. und Angriffswaffen geistiger Natur, die etwa nach folgendem System eingeteilt werden können: i. Djussong-tiga entsprechen den Kirsi der Bammana (vgl. Bd.VII). Eine gute Definition vermag ich nicht zu geben, da auch die besten Dolmetscher in diesem Punkte versagten, und aus ihrem Wortschwall glaube ich nur entnehmen zu müssen, daß es sich um Fluchzauber handelt, die durch Blasen eines Pulvers oder Ausstoßen im Winde in der Richtung auf die angegriffene Person, verbunden mit dem Ausspruch von Fluchsätzen, in Bewegung gesetzt werden. 2. Paewere und Diwere entsprechen den Korte der Bammana. Es sind mehr Vergiftungszauber, die in realer oder mystischer Form dem Gegner beigebracht werden. In ersterer Hinsicht ist hier auch die berühmte "Nage" (Übertragung) zu erwähnen. Das wirkliche Gift wird unter den Daumennagel gebracht und der Daumen harmlos (nach Negerart) in das Getränk getaucht, wenn es dem Gegner überreicht wird. Die mystische Form der Übertragung erfolgt auch hier, indem mit einem kleinen Zauberbogen (oft mit Eisensehne) das Gift in der Richtung auf das gehaßte Individuum geschleudert wird. 3. Die Tim entsprechen den eigentlichen Baschi der Bammana. Man trägt die Tim am Halse, um den Arm, sie hängen in der Hütte, sie liegen als Häuflein Steine umher usw. Wir wollen wenigstens einige solche Tim, ihre historische und sinnliche Bedeutung betonend, schildern.

Sigilli oder Sigirre sind zwei ca. 50 cm hohe Erdhügelchen, die sich im Gehöfte des Mogo-Naba befinden, und zwar ist eines im



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Hause der ersten Frau, eines im Hause des Herrschers aufgerichtet. In jedem ist ein Eisen angebracht. Alljährlich werden diese Sigilli mit Opfern bedacht, und zwar bekommt das Sigilli im Kaiserhause Hahn, Perihuhn und Huhn. Der Hahn ist für den verstorbenen Kaiservater bestimmt, das Perlhuhn ist für die Kinkirsi, das Huhn für Glück, Gesundheit des Kaisers selbst bestimmt. Das Sigilli im Hause der ersten Frau des Herrschers erhält nur Perihuhn und Huhn. Beide Tiere dienen gleicher Fürsorge. — Des Näheren danach befragt, warum den Kinkirsi gerade geopfert werde, und aus welchem Grunde man hierfür Perihühner für geeignet halte, ward angegeben, daß die Kinkirsi Familienvermehrung wünschten. Das Perlhuhn hat aber einerseits auch viele Kinder und andererseits so viele Flecken in seinem Federkleide, daß das der Vielheit der erhofften Sprossen symbolisch durchaus entspreche.

Tibo ist ein zweites großes Tim, das beim Naba aufbewahrt wird und das seinerzeit der große Naba Ubri vom Tonso-Naba empfing. Es besteht in einem großen, mit Flüssigkeit gefüllten Topfe. Seine Anwendung tritt in Kraft, wenn ein neuer Mogo-Naba ernannt ist. Dann ruft der Ballum-Naba alle Mitglieder der Königsfamilie zusammen, die etwa als Kronprätendenten in Betracht kommen könnten. Mit einer langen Löffelkalebasse schöpft er aus dem heiligen Topfe. Er reicht die Kalebasse dem ersten. Der schwört: "Ich verpflichte mich, nichts gegen den Mogo-Naba zu unternehmen." Er trinkt und gießt den Rest, der in der Löffelkalebasse enthalten ist, über Kopf und Rücken. So muß einer nach dem andern vom Tibo zu sich nehmen.

Tenkuguri ist ein weitverbreitetes Tim historischer Bedeutung. Im Bd. V berichte ich, wie seinerzeit der Naba Ubri gestorben und wie er dann (wie mir der Name in der neuen Verfassung genannt wird), Suma, gestohlenworden sei. Damals - erzählte die Sage - suchten die Leute lange vergeblich nach der kaiserlichen Leiche, bis endlich eine alte Frau mit Namen Anjando die Grabstätte verriet. Zur Erinnerung hieran wird jährlich, Ende Januar, vom Kaiser ein Fest mit Namen Tense auf einem kleinen, Tantibo genannten Hügel abgehalten. Dieser Berg liegt im Nordosten Wagadugus und gegenüber der Stelle, an der Ubri und Anjando dicht beieinander bestattet sind. Am Tense-Feste opfert der Kaiser auf dem Tantibo zwei Hühner und fragt die alte Anjando, ob er das kommende Jahr noch überleben werde. — Was der Mogo-Naba auf dem Tantibo verrichtet, machen die meisten Menschen im eigenen Gehöft. Die meisten Leute haben sich vom Berge Tantibo einige Stücke Erde geholt und diese heiligen Bestandteile als Miniaturhügelchen im eigenen Hofe angelegt. Dieses Häuflein heißt Tenkuguri und über ihnen verrichten die Leute ihr Opfer. Wir werden



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sehen (unter Orakel), daß die Tenkuguri noch andere Verwendung finden.

Kubodogo ist ein Zaubermittel, das Schutzkraft besitzt und prophylaktisch bezeichnet werden kann, denn es soll etwaige Schlangenbisse unmöglich machen. Es wird aus einer gewissen Baumwurzel gewonnen, die man schabt und kocht und drei Tag lang ohne anzurühren in der Ecke stehen läßt. Will jemand vom Besitzer nun eine genügende Dosis erwerben, so bringt er dem ein Huhn und erhält eine kleine Schüssel voll des Dekoktes. Hat der Mann, der solche Flüssigkeit, genannt Kubodogo, erworben hat, nun vor, auf die Jagd und in schlangenreichen, steinigen Busch zu gehen, so trinkt er ein Schälchen davon und gießt sich den Rest über den Körper. Derart vorbereitet, glaubt er, daß auch der Biß der gefährlichsten Schlange ihm nichts anhaben kann.

Sibega (oder Sebacha) ist ebenfalls ein aus einer Baumwurzel hergestelltes Medikament. Am schwierigsten ist bei seiner Herstellung die Feststellung der richtigen, d. h. für die betreffende Persönlichkeit gut wirksamen Baumwurzel. Denn als Sibega eignet sich für jeden Menschen eine andere Baumwurzel. Die Baumwurzel muß dem Suchenden drücken wir es so aus -gewissermaßen wohlwollend gesinnt sein. Eine solche, eine wohlgesinnte Baum- wurzel herauszufinden, das ist die Schwierigkeit. Der Suchende greift auch hier, wie so häufig, zum Hühnerorakel. Er schlachtet an der Baumwurzel ein Huhn. Rückentodeslage ist günstig, Brust lage sagt, daß die Wurzel nicht wohlwolle. Hat man die Wurzel gefunden, so trocknet man sie und schält sie und hebt sorgfältig das Pulver auf. Man streut davon jedesmal in eine Speise, wenn man fürchtet, sie könne vergiftet sein.

Salculli oder Sakurri ist ein Tim, das aus einer bestimmten Holzkohle besteht. Es schützt gegen Blitzschlag und gegen Blitzschlag im Gehöft. Man kauft es gegen ein schwarzes Huhn beim Schmiede.

Paem-tiga wird von allen Mossi stets angewendet, denn seine schützende Kraft wehrt besonders die grausame Wirkung der giftigen Pfeilschüsse ab, die nicht selten in diesem Lande fliegen. Wer es herstellt, hat vor allen Dingen dafür zu sorgen, daß keine Frau in der Nähe ist oder gar der Opfer- und Zauberwasserherstellung zuschaut. Dann werden über einem Topfe eine Ziege (und wenn man keine solche hat, ein Hund als Ersatz) und ein Huhn durch Halsschnitt getötet und deren Blut sorgfältig aufgefangen. In dem Timjure wird das Opferblut mit Wasser zusammen gekocht. Nach gründlichem Aufkochen stellt man den Topf beiseite und darf ihn während drei Tagen nicht ansehen und anrühren. — Wer nun Paem-tiga haben will, kauft bei einem mit dessen Herstellung wohlvertrauten



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Meister für ein Huhn ein Schälchen und reibt sich damit den Körper ein.

Nin-dita ist angeblich das Zaubermittel des Schoiba, das diesem die Möglichkeit verleiht, sich zu verwandeln. Ich habe über diese Vampyrgeister oben gesprochen und habe der Ansicht breiten Raum gegeben, derzufolge im allgemeinen die Männer Inhaber dieser bösen Zauberkenntnis sind. Es wird hier Zeit, hinzuzufügen, daß verschiedene Geschlechter, und zwar alte Geschlechter, der Ansicht sind, daß die Inhaberinnen der Schoibazaubermittel, der Nin-dita, im Wagadugugebiete und in Gurunsi nur Frauen, in Bussenga aber nur Männer sind. Dieser Unterschied wurde mir verschiedentlich stark betont. —Wer nun das Nin-dita im Gurunsi zu erreichen und damit Mitglied dieser menschenfressenden Gesellschaft zu werden wünscht, muß sich hinter ein altes Weib stecken, muß sich beliebt machen durch Holztragen, Wassertragen, Kornstampfen usw., bis sie ihm etwas von dem Medikament überläßt, das ihm ermöglicht, sich zu verwandeln.

Orakel und Ordale. — Die Schicksaisbefragungen beherrschen die Anschauungswelt der Mossiländer. Besonders in älterer Zeit wurde kein Schritt im Leben unternommen, ohne daß man sich über seine Folgen oder die damit etwa zu gewinnenden Ausblicke durch ein kleines Orakelchen informiert hätte. Die Orakelkünste waren im Privatgebrauche so gang und gäbe, daß es mir damit zu erklären scheint, wenn die bei anderen, hiesigen Völkern so entwickelte Kunst des Prophetentums und Schamanismus bei den Mossi zurücktritt. Ich berichte hier über einige der wichtigsten Orakel.

Mando ist das einfache Hühnerorakel. Es ist so beliebt und wird so häufig angewendet, daß es in manchen Mossigebieten für den Fremden schwer ist, ein Huhn zu bekommen. Die Leute brauchen eben ihre Hühner selbst. In allen Fällen bedeutete die Brustlage des nach Halsschnitt und Todeszappelei verendeten Huhnes das Schlechte, die Warnung, Feststellung eines angeklagten Übeltäters usw., die Rückenlage dagegen guten Ausgang eines projektierten Unternehmens, Unschuld eines Angeklagten usw., also das Gute.

Bihirribarre ist das Erdorakel, das Keniella der Malinke. Ich habe es bei allen Westsudanvölkern, dagegen aber noch keinen Menschen gefunden, der es mir erklären konnte oder -wollte, oder aber meine Interpreten begriffen es nicht. Jedenfalls kann ich nichts Näheres darüber sagen.

Pilimpiku ist ein Orakel, zu dessen Befragung eine einmal zusammengefaltete kleine Stabmatte von Spannhöhe und zwei Spannlänge und vier Kaurimuscheln gehört. Die linke Hand des Orakelnden greift um die Falte der Stabmatte, die rechte wirft die vier Kaurimuscheln. Fallen die Kauri auf die flache Schlitzfläche, so



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ist das ein Zeichen für guten, fallen sie auf die gebogene, gewölbte Seite dagegen, so ist es ein Zeichen für schlechten Ausgang. Je mehr in ersterer Lage, desto besser, je mehr in letzterer, desto schlimmer. Ein entscheidendes Wort spricht dabei die Bambusstabmatte mit. Wenn sie sich auftut, so ist das ein gutes Zeichen, schließt sie sich aber, d. h. wenn die beiden Seiten sich gegeneinander legen, so verkündet das Schlechtes. — Man gibt der Stabmatte vor der Befragung ein Opferhuhn, um das Orakel zu bewegen, die Wahrheit zu sagen.

Kugumissi ist ein Orakel, das man gewöhnlich befragt, nachdem man sich bei dem Pilimpiku schon Auskunft geholt hat. Das Orakelwerkzeug besteht in etwa 30 walnußgroßen mehr oder weniger kantigen Steinen, die nicht bearbeitet sind. Die Zahl spielt keine Rolle, wohl aber ist ihre Herkunft außerordentlich wichtig, nämlich ein Viertel muß vom Tantiboberge (siehe Tim, und zwar unter Tenkuguri) stammen, ein Viertel muß auf dem Marktplatze, ein Viertel auf einem vielbegangenen Wege und ein Viertel in einem Bachbett aufgelesen sein. Der Orakellesende wirft auf geschlagener Lehm- oder glattem Erdboden zunächst die sämtlichen Steine, einen nach dem anderen, aus der Menge heraus. Die vier Steine legt er in die halbhohle, linke Hand. Dann schlägt er schnell und die linke Hand zudeckend mit der hohigehaltenen rechten Hand darauf. Natürlich springen beim Schlagen die Steine in der linken Hand in die Höhe und der Orakellesende schließt nun schnell die rechte Hand. Zuweilen greift er dabei einen der Steine, zuweilen zwei, und das ist das Entscheidende. Hat man z. B. gefragt, ob die Krankheit eines Freundes oder Verwandten gut oder schlecht ablaufen würde, und greift der Orakelnde immer nur einen Stein, so ist sicher, daß die Krankheit einen schlechten Verlauf nehmen wird. Greift er stets zwei, so wird der kranke Mensch bald wieder genesen.

Gessekoramba nennt man ein Kalebassenorakel, d. h. ein Orakel, zu dem eine Kalebasse (seltener ein Topf) verwendet wird. Der Leser wirft ein Pulver zauberkräftiger Natur hinein und sieht die durch das Pulver im Wasser entstehenden Verunklarungen und Figuren an.

Lila ist das Orakel, von dem im Kapitel über das kaiserliche Haremsleben gesprochen wurde. Der Poi-Naba läßt bei gewissen Gelegenheiten die Haremsdamen in ein Gefäß mit Wasser sehen, und ob ihr Spiegelbild darauf hell oder dunkel erscheint, ist maßgebend für die Schuld oder Unschuld der Hineinschauenden. — Früher (ob heute noch, muß ich dahingestellt sein lassen) bestand das zum Lila verwendete Gefäß aus Eisen und zwar soll die ganze Gestalt dieser Orakeleinrichtung einer Goldwage geglichen haben.

Tontoga ist ein Orakel, das von den Bussanga oder Bussangsa stammt. Es besteht aus 2, 3 oder 6 Steinen von Walnußgröße,



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die der Orakelnde vor sich auf die Erde wirft. In der linken Hand hält er dann eine Klapperkalebasse, in der rechten ein Stäbchen. Er schüttelt die Kalebasse und schlägt immer auf die Steine. Trifft er sie jedesmal, so ist das gut. Trifft er sie nicht, so ist das ein schlechtes Zeichen. —Einige scheinen zwei Steinchen aufeinanderzulegen und einen davon nach dem anderen herabzuschlagen zu versuchen usw.

Kabogo ist das Ordal, der "Giftbecher", und entspricht dem Sieng (Schieng oder Schienni) der Bammana und dem Sengio der Malinke Bambukus nur insofern, als angeblich hier niemals pflanzliche oder giftige Bestandteile zu seiner Herstellung verwandt wurden. Man nimmt vielmehr einfaches Wasser und gießt es über die Tenkuguristeine (siehe oben). Dadurch, und indem noch ein wenig Erde hineingetan ist und daß der Angeschuldigte vor dem Tranke einen längeren Spruch murmelt, gewinnt das Wasser seinen richtenden Wert. Was der Angeschuldigte murmelt, ist erstens die Reihe der Kaiserahnen, dann der Satz: "Wenn ich lüge, so möge meine Kehle sogleich geschlossen werden." Wenn er dann trinkt und wenn er wirklich gelogen hat, so stirbt er auf der Stelle - sonst schadet ihm der Trank nichts - so sagt der Mossi. Der Herr seines Gehöftes, sein Erbe, der Familienvorstand oder wer es sonst sei, schlachtet aber alsbald an der Sterbestelle eine Ziege und ein Huhn. Er murmelt ebenfalls die Namen aller großen Toten und sagt dann zu dem Toten: "Wir haben gesehen, daß du unrecht hattest. Nun störe unser Haus nicht noch, indem du uns erscheinst, Krankheiten oder sonstiges Unheil bringst." Beim Schlachten des Huhnes achtet der Opfernde wieder genau auf die Todeslage des Huhnes und weiß, daß wenn das Huhn auf dem Rücken stirbt, jener fernbleiben wird, wenn das Huhn aber auf der Brust stirbt, der Ungebetene seine Gehöftsgenossen beunruhigen wird.

Timpelo ist ein Fluch. Wenn irgend jemand von einem anderen bestohlen oder hintergangen ist, und wenn er den Schädiger kennt, so geht er zu dem Grabe des toten Kaisers und sagt: "Wenn der Löwe den X, der mir das und das angetan hat, holt und frißt, so verspreche ich, hier eine Ziege und ein Huhn zu opfern."

Eine ähnliche Sitte bei den Malinke heißt Doni. Wenn jemand an Korn oder Stoff bestohlen ist und er den Dieb kennt, so nimmt er den Rest, den der Dieb liegengelassen hat, und trägt ihn unter einen alten Djallabaum. Den Baum bittet er, den Räuber zu strafen. Er rührt das am Baume Niedergelegte nie an - es verkommt dort. Aber dem Diebe schwillt nach einiger Zeit der Bauch, und er stirbt. Die Bammana kennen das Verfahren ebenfalls und nennen es Killinkillindja. Damit möge genug gesagt sein vom ernsten Zauberspiel.


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