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Kapitel 

ERZÄHLUNGEN AUS DEM WESTSUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1922

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT DREI TAFELN

82. Mangallalegende

Eines Tages sagte Mangalla (oder Mankalla, d. i. der Gott der alten Bammana) zu Sonsanni: "Um König zu werden, mußt du mir bringen eine Kalebasse, gefüllt mit Fliegen mußt du mir bringen eine Kalebasse, gefüllt mit Mücken mußt du mir bringen eine Waldschlange, die an einen Stock gebunden ist mußt du mir bringen die Milch des wilden Büffels - mußt du mir bringen den gefesselten Surukku. Wenn du das kannst, dann werde ich dich zum König machen."

Sonsanni ging zu Domba (dem Ahnherrn der Fanne, das sind die ältesten Bammana) und sagte zu dem: "Mangalla will mich zum König machen, wenn ich ihm bringe: eine Kalebasse, gefüllt mit Fliegen, eine Kalebasse, gefüllt mit Mücken, eine Waldschlange, an einen Stock gebunden, Milch des wilden Büffels und den gefesselten Surukku. Mangalla sagt, er wolle den zum König machen, der das kann. Komme mit mir. Wir werden das machen und teilen uns in die Herrschaft." Domba sagte: "Glaub' doch das nicht. Mangalla lügt stets. Mangalla erfüllt nicht seine Versprechen. Es nützt gar nichts. Ich mache nicht mit." Sonsanni sagte: "Dann werde ich es allein machen." Domba sagte: "Ja, ich mache nicht mit." Sonsanni ging fort.

Sonsanni ging heim und holte eine Kalebasse, die nur eine kleine Öffnung hatte. Sonsanni ging damit zu den Fliegen. Die Fliegen sagten: "Was willst du?" Sonsanni sagte: "Ich will nichts Besonderes. Ich sagte mir nur: das ist doch wohl nicht möglich." Die Fliegen fragten: "Was ist doch wohl nicht möglich?" Sonsanni sagte: "Ach, Mangalla sagte, es gäbe nicht genug Fliegen, um eine Kalebasse, wie diese hier, zu füllen. Ich sagte erst, es wäre doch möglich. Nun sehe ich, wie klein ihr seid. Mangalla hat doch wohl recht." Die Fliegen sagten: "Das ist sehr einfach. Wir wollen dir zeigen, daß wir so viele sind, daß es uns ein leichtes ist, eine Kalebasse zu füllen." Sie begannen in den Eingang der Kalebasse zu schlüpfen. Es kamen so viele Fliegen, daß die Kalebasse nach einiger Zeit gefüllt war. Da schloß Sonsanni die Öffnung und trug seine mit Fliegen gefüllte Kalebasse heim.

Sonsanni nahm eine zweite Kalebasse, die nur eine kleine Öffnung hatte und ging zu den Mücken. Die Mücken sagten: "Was willst du?" Sonsanni sagte: "Ich will nichts Besonderes. Ich sagte mir nur: das ist doch wohl nicht möglich." Die Mücken fragten: "Was



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ist doch wohl nicht möglich?" Sonsanni sagte: "Ach, Mangalla sagte, es gäbe nicht genug Mücken, um eine Kalebasse wie diese hier zu füllen. Ich sagte erst, es wäre doch möglich. Nun sehe ich, wie klein ihr seid. Mangalla hat doch wohl recht." Die Mücken sagten: "Das ist sehr einfach. Wir wollen dir zeigen, daß wir so viele sind, daß es uns ein leichtes ist, eine Kalebasse wie diese hier zu füllen." Sie begannen in den Eingang der Kalebasse zu schlüpfen. Es kamen so viele Mücken, daß die Kalebasse nach einiger Zeit gefüllt war. Da schloß Sonsanni die Öffnung und trug seine mit Mücken gefüllte Kalebasse heim.

Er nahm eine Bambusstange und begab sich zur Waldschlange. Er betrachtete die Waldschlange. Sie lag in ihren Windungen da. Die Waldschlange fragte: "Was willst du?" Sonsanni sagte: "Ich habe mich mit Mangalla gestritten. Mangalla sagte, du seiest nicht so lang wie diese Bambusstange. Nun sehe ich jedoch, daß du so viele Krümmungen hast, daß ich Mangalla wohl recht geben muß." Die Waldschlange sagte: "Nein, du hast recht gehabt. Du kannst Mangalla zeigen, daß ich so lang bin wie die Bambusstange. Binde mich nur einmal mit dem Schwanz an das eine, mit dem Kopf an das andere Ende fest." Sonsanni sagte: "Ja, so kann man es sehen." Sonsanni band die Waldschlange mit dem einen Ende am Anfang, mit dem Kopf an die andere Spitze der Bambusstange fest. Die Waldschlange sagte: "Siehst du, daß ich so lang bin wie die Bambusstange?" Sonsanni sagte: "Ja, du hast recht gehabt." Die Waldschlange sagte: "Nun binde mich aber wieder los." Sonsanni sagte: "Ich werde dich lieber so zu Mangalla bringen. Er glaubt mir sonst nicht." Sonsanni trug darauf die an die Bambusstange festgebundene Waldschlange heim.

Sonsanni nahm darauf eine Milchkalebasse und ging damit zum wilden Büffel. Sonsanni setzte sich hin. Der wilde Büffel sagte: "Was willst du?" Sonsanni sagte: "Mangalla sagt: ,Die Kühe der wilden Büffel haben keine Milch.' Ist das wahr?" Die wilde Büffelkuh sagte: "Melke mich. Du wirst sehen, daß ich auch Milch habe." Da melkte Sonsanni die wilde Büffelkuh und füllte so seine Kalebasse. Die Kalebasse mit der Milch der wilden Büffelkuh trug er heim.

Sonsanni ging in den Busch zu Surukku. Surukku sagte: "Wo gehst du hin?" Sonsanni sagte: "Ich suche mir ein Pferd. Mangalla will mich zum König machen. Da wollen wir trefflich leben, denn wir schlachten Ochsen, Ziegen, Hammel. Wir bereiten nur die



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Köpfe dieser Tiere, den Rest werfen wir fort. Es wird ein herrliches Leben werden." Surukku sagte: "Sonsanni, wenn du mir erlauben willst, den Rest von den Tieren, die ihr wegwerft, zu essen, so will ich dir wohl als Pferd dienen." Sonsanni sagte: "Das sollst du gern erhalten. Komm mit mir, daß ich dich zäume."

Surukku begleitete Sonsanni. Sonsanni nahm ihn mit zu seinem Hause und sattelte ihn. Er nahm seine beiden Kalebassen voll Fliegen und Mücken, er nahm die an die Bambusstange gebundene Waldschlange, er nahm die Schale mit der Milch von der wilden Büffelkuh. Er bestieg den gesattelten Surukku und ritt zum Himmel zu Mangalla. Oben angekommen, fesselte er sein Pferd Surukku fest an einen Pflock, daß es sich nicht losreißen könne, und ging zu Mangalla.

Sonsanni sagte zu Mangalla: "Hier ist eine Kalebasse, gefüllt mit Fliegen; hier ist eine Kalebasse, gefüllt mit Mücken; hier ist die an den Bambusstab gebundene Waldschlange; hier ist die Milch der wilden Büffelkuh. Dort ist der gefesselte Surukku. Nun mache mich zum König." Mangalla sagte: "Es ist gut. Nun fehlt uns noch eins nötig: Komm auf einem Weg, auf dem es weder Montag noch Freitag gibt. Wenn du auf einem solchen Weg kommst, sollst du sogleich Masa (König) werden."

Sonsanni ging wieder herab zu den Ahnherren der Fanne (Domba) und sagte: "Mangalla will mich nun sogleich zum Masa machen. Er verlangt nur noch, daß ich auf einem Weg komme, auf dem es weder Montag noch Freitag gibt." Domba sagte: "Siehst du, ich habe es dir gleich gesagt, Mangalla betrügt immer. Es gibt in der ganzen Welt Montag und Freitag. Er will dich eben nur betrügen. Es gibt keinen Weg, auf dem Montag und Freitag fehlen." Sonsanni ging betrübt von dannen.

Inzwischen riß sich im Himmel Surukku von dem Pflock los. Er stürzte herab auf die Erde. Bei dem Sturze drückte er sich das Hinterteil ein, so daß er heute hinten viel niedriger ist als vorn. Ujugu, eine kleine Mücke, bohrte durch die Kalebasse, in der alle Mücken waren, ein Loch und schlüpfte heraus. Alle anderen Mücken folgten ihr. Das war in der Abend- und Nachtzeit. Nachher machte eine Fliege ein Loch in die Kalebasse, in der alle Fliegen waren und schlüpfte heraus. Dann folgten alle anderen Fliegen. Sie flogen im Winde davon. So werden heute noch die Mücken in der Abend- und Nachtzeit, die Fliegen im Winde geboren.


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