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Kapitel 

ERZÄHLUNGEN AUS DEM WESTSUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1922

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT DREI TAFELN

80. Die zurückgesetzte Frau

Ein Fama hatte fünf Frauen. Er schlief mit allen fünf Frauen im selben Hause. Er nahm dann noch eine andere junge Gefangene als Frau bei sich auf. Nach zwei Tagen sagte er zu dieser jungen Frau: "Nimm Wasser und gib es dem Pferd." Er sandte sie in den Busch, um Holz für die anderen fünf Frauen herbeizutragen. Dann mußte sie wieder dem Pferde zu trinken geben. Wieder sandte er sie in den Busch, damit sie Holz hole.

Die geplagte kleine Frau traf im Busch Sonsanni. Sonsanni sagte: "Ich habe Hunger." Die Frau hatte nur wenig Kuskus bei sich. Sie gab den Kuskus Sonsanni. Sie sagte: "Ich habe Mitleid mit dir. Hier hast du." Sonsanni sagte: "Höre, ich gebe dir den Rat, deinem Fama zu entfliehen. Sage ihm, du wüßtest im Busch etwas, das wäre sehr gut für ihn. Er wird dich aussenden, es zu holen; dann komme zu mir." Die Frau ging nach Hause.

Am gleichen Abend schlief der König wieder mit der jungen Frau. Sie sagte ihm: "Ich weiß im Busch etwas, das ist sehr gut für dich." Der Fama sagte: "So gehe morgen in den Busch und hole es mir." So ging die Frau am anderen Tage von dannen und lief zu Sonsanni.



***
Die Frau kam zu Sonsanni. Die Frau war schwanger. Sonsanni sagte: "Ich weiß eine sehr schöne Grube nahe beim Hause des Uarraba (Löwen), die ist sehr geeignet als Wohnstatt für dich. Ich werde dir nun zunächst Essen aus dem Dorfe bringen." Die Frau sagte: "Es ist recht so."Sonsanni lief in das Dorf. Er brachte Essen. Inzwischen reinigte die Frau ihre Wohnstätte. Dann lief Sonsanni nochmals in das Dorf und holte eine Lila (Matte), damit die Frau darauf schlafen könne, und sagte: "Hier hast du eine Lila!"

Die Frau fragte Sonsanni: "Wo willst du in Zukunft Hirse holen, damit ich Kuskus machen kann?" Sonsanni fragte: "Wo hat denn dein Mann seine Hirse aufbewahrt?" Die Frau sagte: "Mein Mann



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hat seine Hirse im Busch an einer Stelle, die mit Dorngestrüpp umgeben ist. Wenn ihr Hirse haben wollt, so räumt das Dorngestrüpp zunächst zur Seite und legt es nachher wieder hin." Sonsanni sagte: "Es ist recht so." Sonsanni hatte eine alte Haut; daraus machte er eine Trommel. Er trommelte.

Darauf kam Surukku. Sonsanni sagte zu Surukku: "Ich habe eine schwangere Frau bei mir. Wenn du mir hilfst, für sie Hirse herbeizubringen, dann kannst du nachher Mutter und Kind essen." Surukku war einverstanden. Sonsanni lief mit Surukku zum Speicher des Königs. Sie räumten die Dornen beiseite, entnahmen sieben Säcke mit Hirse und brachten sie in das Haus des Sonsanni. Dann lief Sonsanni zurück und ordnete das Dornengestrüpp wieder.



***
Surukku sagte: "Nun möchte ich die Frau sehen." Sonsanni sagte: "Gut, du sollst sie sehen. Ihr Haus ist nahe dem meinen und nahe dem des Uarraba. Wir wollen nun hingehen und die Frau unter den Schutz des Uarraba stellen." Sonsanni und Surukku gingen. Als sie hinkamen, war Uarraba gerade abwesend. Sonsanni sagte: "Wir wollen warten." Surukku sagte: "Ich habe Furcht." Sonsanni sagte: "Warte nur! Er wird dir nichts tun, da du eine Nachricht bringst." Sonsanni wartete. Surukku versteckte sich hinter Sonsanni.

Uarraba kam. Er hatte zwei Tiere getötet. Sonsanni trat heran und sagte: "Uarraba, wir haben einen Gespielen für deinen Sohn, wir haben eine schwangere Frau, die gebiert. Ehe ich sie hier einlogiere, muß ich dich, den Herrn, fragen. Das Kind wird ein guter Gespiele für deine Kinder sein. —Übrigens ist auch Surukku hier. Er hatte Angst, du könntest ihn verzehren wollen. Deshalb hat er sich versteckt. Ich habe ihm aber gesagt, daß er nichts zu fürchten habe, da wir doch gekommen seien, diese Kommission auszurichten."

Der Löwe sagte: "Gut; ich fürchte aber ein wenig in dieser Sache, denn man sagt mir, daß du sehr schlau seiest." Sonsanni sagte: "Wie könnte ich dich betrügen, da du doch soviel älter bist als ich." Surukku trat hervor. Uarraba wollte sich auf ihn stürzen, um ihn zu töten. Aber Sonsanni sagte: "Ich bin mit Surukku gekommen, um dir etwas Gutes zu sagen. Da darfst du doch die Boten nicht verletzen. Uarraba sagte: "Es ist recht damit. Ich möchte jetzt aber die Frau sehen."

Die Frau kam herbei. Uarraba sagte: "Dein Mann hat dich verjagt. Wir anderen sind nicht so. Wir freuen uns, wenn du bleibst. Wenn du bleiben willst, so nimm dieses Fleisch hier und bereite mir eine Mahlzeit." Der Uarraba gab der Frau zwei Stücke Fleisch.



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***
Sonsanni sagte zu Surukku: "Wir können nun gehen!" Surukku sagte: "Eben sehe ich die Stücke Fleisch. Wenn ich so schönes Fleisch sehe, kann ich nicht gehen."Uarraba ging, um aus dem Walde Holz für die Küche zu holen. Während Uarraba fort war, stahl Surukku das Fleisch und fraß es. Uarraba kam zurück. Surukku bekam einen Schreck. Er wollte mit dem Messer das Blut vom Munde abstreifen. In der Angst und Eile aber schnitt er sich kräftig in das Maul.

Uarraba sah den Schnitt. Uarraba fragte: "Was hast du da gemacht?" Surukku sagte: "Ich habe Fleisch für deine Jungen geschnitten." Sonsanni sagte: "Das ist ja nicht wahr. Er hat all dein Fleisch aufgefressen." Uarraba wollte sich voll Wut auf Surukku stürzen. Sonsanni hielt ihn aber zurück und sagte: "Uarraba, du verstehst keinen Scherz. Surukku ist ein guter Kerl, der ein wenig stiehlt, aber ausgezeichnet für deine Kinder sorgt." Da ließ Uarraba ab.

Die Frau gebar das Kind. Uarraba ging selbst hin und holte Heu. Das Kind war ein Knabe. Der Uarraba legte das Kind zu seinen Kindern. Dann ging Sonsanni aus, um mit den Kindern des Uarraba zu spielen. Surukku sagte: "Ich werde auch mitgehen und auch spielen." Sonsanni und Surukku gingen hinaus, um mit den Kindern des Uarraba zu spielen.

Sie spielten zusammen. Surukku biß beim Spiele einem Kinde des Uarraba eine Hand ab. Sonsanni sah es. Sonsanni sagte: "Du bist ein Dummkopf. Diesmal will ich dir noch helfen. Lege dich hin und tue so, als ob du tot seiest. Ich will dann Uarraba sagen, daß du dem Jungen des Uarraba die Hand abgebissen habest, daß der dich aber dann bei der Gurgel gepackt und getötet habe. Lege dich also hin und tue, als ob du gestorben seiest. Wenn du so daliegst, wird der Uarraba dich packen und in den Busch werfen lassen. Da hast du dann aber Gelegenheit zu entfliehen." —Surukku legte sich wie tot hin. Sonsanni lief zum Uarraba und erzählte ihm alles, wie er es dem Surukku versprochen hatte. Uarraba ließ Surukku zum Busch tragen und dort wegschleudern. Surukku sprang im Busch auf seine Füße und lief nach Hause.



***
Die Frau sagte eines Tages: "Ich will zu meinem Manne zurückkehren. Wenn ich ihm den Sohn mitbringe, ist er wohl freundlicher." Die Frau nahm ihr Kind und kehrte zum Fama zurück. Fama erklärte: "Dieser Sohn ist nicht mein Kind." Der König ließ heimlich nahe dem Hause der Mutter eine tiefe Grube graben, in



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die er das Kind schleudern wollte. Das Kind merkte es beizeiten und grub einen Gang, der leitete vom Lager der Mutter hinab in die tiefe Grube.

Die tiefe Grube war vollendet. Der Fama ließ eine Matte darüber decken. Auf die Matte ließ er reichlich Kaurimuscheln legen. Er sagte zu dem Kinde: "Hole mir doch die Kaurimuscheln!" Das Kind tat, als ob es von nichts etwas wisse. Es lief hin und glitt mit Matte und Kaurimuscheln in die Tiefe. Unten sammelte das Kind alle Kaurimuscheln auf und lief durch den geheimen Gang, der unter das Lager seiner Mutter führte, von dannen. Das Kind lief in das Haus seiner Mutter.

Aus dem Hause der Mutter lief das Kind in den Busch. Im Busch machte es auch Goldkörbe. Es machte sehr schöne goldene Körbe. Das Kind nahm die Körbe und kehrte in die Stadt zurück. Das Kind brachte dem Vater die Körbe und sagte: "Fama, ich habe diese Körbe im Strome gefunden. Wenn du die Stelle, an der noch sehr viele sind, sehen willst, so laß dir die Augen verbinden und komme mit mir. Ich will dich führen." Der König sagte: "Führe mich sogleich hin!" Er ließ sich von seinem Sohne die Augen verbinden und hinführen. Der Sohn führte den Fama an den Strom und stieß ihn am Ufer in die Tiefe. Der König ertrank.

Das Kind übernahm die Stadt und ward Fama. Er nahm alles Gold, Ziegen, Herden des Vaters. Seine Sklaven und die Nebenfrauen seiner Mutter tötete er aber.


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