Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

ERZÄHLUNGEN AUS DEM WESTSUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1922

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



Atlantis Bd_08-0004 Flip arpa

TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT DREI TAFELN

69. Jägerlegende

Der Jäger (=dunsu) Kanjima sagte: "Ich will mich mit Mansa Surukku messen." Das war der König aller Schakale. Kanjima machte sich auf den Weg und kam nach einiger Zeit auch an den Eingang der Höhle, in der der Mansa lebte. Vor der Höhle war ein mächtiger Baum. Er stieg auf diesen Baum und wartete bis Sonnenuntergang.

Als die Sonne unterging, kam eine Fledermaus aus der Höhle. Sie war die Wache des Königs Surukku. Sie flog heraus und um den Baum. Sie sah den Jäger Kanjima und kehrte in die Höhle zurück. Sie kam wieder zum Mansa und sagte ihm: "Auf dem Baume vor deiner Höhle sitzt der Dunsu Kanjima; er wartet auf dich und will sich mit dir messen." Der Mansa sagte: "Es ist gut." Dann sagte er: "Ein kleiner Schakal soll meine Lampe vor die Höhle tragen." Darauf ergriff ein kleiner Schakal die Lampe. Der Fuß der Lampe bestand aus Gold. Der kleine Surukku trug die Lampe vor die Tür.

Nach einiger Zeit flog eine zweite Fledermaus hervor, die auch eine Wache des Königs war. Sie kreiste um den Baum, auf dem Kanjima saß. Sie sah den Jäger und kehrte in die Höhle zurück. Sie kam wieder zum Mansa und sagte: "Auf dem Baume vor deiner Höhle sitzt der Jäger Kanjima; er wartet auf dich und will sich mit dir messen." Der Mansa sagte: "Es ist gut." Dann sandte der König ein anderes seiner Geschöpfe. Das kam aus der Höhle als ganz kleines Tier. Sobald dies kleine, unscheinbare Tier aber vor der Tür der Höhle angekommen war, begann es zu wachsen. Das Tier wuchs und wuchs. Es wurde so groß wie ein Pferd. Darauf sagte das Tier zu Kanjima: "Das Leben stammt nicht von heute, mein Kanjima."

Nach einiger Zeit kam ein Surukku und brachte die große Ochsenhaut heraus, auf der der König zu sitzen pflegte. Er breitete die Ochsenhaut vor der Türe der Höhle aus. Dann kam der Mansa selbst. Zweihundert Surukku begleiteten den König. Der Mansa hatte seinen Wedel mit Zaubermitteln in der Hand. Er ließ sich auf der großen Ochsenhaut nieder. Der Jäger Kanjima sah das alles.



Atlantis Bd_08-135 Flip arpa

Darauf begann der Mansa seine Befehle auszuteilen. Der König sagte zu einem seiner Surukku: "Da und da ist ein Mensch gestorben; geh dahin." Der Surukku ging. Der König sagte zu einem zweiten seiner Schakale: "Da und da hat ein Mensch einen anderen erschlagen; geh dahin." Der Schakal ging. Der König sagte zu einem dritten seiner Schakale: "Da und da ist heute ein Jäger vom Baume gestürzt; geh dahin!" Der Mansa sandte so alle seine Leute aus, so daß sie sich weithin über das Land ausbreiteten.

Dann wandte sich Mansa Surukku an den Dunsu Kanjima und fragte: "Mein Dunsu, sage mir; hast du nicht meinen ersten Sendling gesehen?" Der Jäger sagte: "Ja, ich habe ihn gesehen." Der Mansa sagte: "Warum bist du denn nicht fortgegangen? — Ich habe dann nochmals gesandt; hast du das gesehen?" Der Jäger sagte: "Ja, ich habe es gesehen." Der Mansa sagte: "Warum bist du denn nicht wenigstens dann gegangen? Nun siehst du mich hier in meiner ganzen Machtentfaltung und Größe, und du gehst noch nicht. Sieh, ich regiere seit den Zeiten deines Großvaters, das war Ni, und dessen Vater, das wa Nki Koliokoto. Seit damals und noch viel länger lebe und regiere ich. Wie willst du es nun wagen, mich bekriegen zu wollen? Rede nie vor den Menschen davon, daß du dich hast mit mir messen wollen."


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt