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Kapitel 

ERZÄHLUNGEN AUS DEM WESTSUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1922

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT DREI TAFELN

65. Bakoroni und Surukku

Bakoroni (das Böcklein) beschloß eine Wallfahrt nach Mekka. Er nahm eine Schüssel voll Li (Honig) auf den Kopf und machte



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sich auf den Weg. Er war noch nicht sehr weit gekommen, als ein heftiger Tornado niederging. Er sah sich nach einem geeigneten Schutzdach um. Im Busche nebenan lag ein alter umgestürzter Sira (Baobab), in dessen Fußende eine große Höhle war. Bakoroni ging hin und schlüpfte in die Höhle im Baobab. Als er sich aber darin umsah, gewahrte er, daß vorne schon Surukku (der Schakal), wenig dahinter Uarra-ni-nkalla (der Panther) und im Hintergrunde Uarraba (der Löwe) lagen.

In großer Angst setzte Bakoroni sogleich die Schüssel mit Li hin. Surukku sagte: "Ich habe gehört, du wollest nach Mekka pilgern." Bakoroni sagte: "Da hast du recht gehört. Ich bin auf dem Wege dahin." Surukku sagte: "Du hast im Dorfe Sebe (Koranvers-Amulette) gemacht. Das wird uns nun fehlen. Vor der Abreise solltest du wenigstens noch ein Sebe für Uarraba herstellen." Uarraba sagte: "Surukku hat recht; das solltest du tun." Bakoroni sagte: "Sehr gern will ich das tun. Es fehlt nur eine Sache. Tinte ist da, aber Haut, um das Sebe dareinzuwickeln (die Sehe sind immer in Leder gewickelt), fehlt mir." Uarraba sagte: "Was für eine Haut brauchst du dazu?" Bakoroni sagte: "Eine Surukkuhaut ist die beste." Uarraba sagte: "Eine trockene oder eine frische?" Bakoroni sagte: "Eine frische ist am besten!" Bakoroni sagte: "Unser Freund Surukku gibt sicher ein wenig Haut!" Damit zog er Surukku ein Stück Fell vom Bein. Surukku sagte: "Gut, nimm das. Es ist für Uarraba."

Bakoroni tauchte die Surukkuhaut in seinen Honig und sagte zu Uarraba: "Nun schließe die Augen und öffne den Mund." Uarraba tat es. Bakoroni warf das in Honig getauchte Hautstück in den Mund des Uarraba und sagte: "Das schlucke." Uarraba verschluckte es. Bakoroni sagte: "Nun kannst du die Augen wieder öffnen!" Uarraba öffnete die Augen und sagte: "Ich fühle, wie heilsam das ist. Kannst du das nicht zweimal machen?" Bakoroni sagte: "Gewiß kann ich das zweimal, ja dreimal machen -vorausgesetzt, daß genug Surukkuhaut vorhanden ist." Surukku sagte: "Sicherlich geht es noch mehrmals, aber ich werde dabei sterben, wenn ich mein ganzes Fell hergeben soll." Uarraba sagte: "Wenn du das noch einmal sagst, werde ich dir den Herrn zeigen, und dann wird es viel schneller mit dir zum Sterben gehen." So zog denn Bakoroni dem Surukku abermals ein Stück Fell ab, tauchte es wiederum in den Honig, und alles spielte sich ab wie das erstemal.

Uarraba sagte: "Ich fühle wiederum, wie heilsam das ist. Könntest du es noch einmal machen?" Bakoroni sagte: "O gewiß, ich



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kann bis zum Abend fortfahren." Da bekam Surukku einen Schreck, er sprang auf, aus der Höhle und von dannen. Uarraba setzte sogleich hinter ihm her, um ihn zu fangen.

Als Bakoroni mit Uarra-ni-nkalla allein in der Höhle war, sagte er: "Höre, Uarra-ni-nkalla, ich nehme an, daß wir sehr gute Freunde sind, sonst würde ich dem Uarraba verraten haben, daß deine Haut viel geeigneter für die Sebe ist als die des Surukku. Ich denke also, wir sind Freunde. Oder ist es nicht so ?" Da bekam auch Uarra-ni-nkalla Angst. Er sprang eilig von dannen, und nun war Bakoroni in der Höhle allein und konnte gemächlich das Ende des Tornados abwarten, um dann seinen Weg fortzusetzen.


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