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Kapitel 

ERZÄHLUNGEN AUS DEM WESTSUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1922

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT DREI TAFELN

56. Sonsanni und die Blissi-Eier

Sonsanni hatte viel Hunger. Es gab nicht viel zu essen. Sonsanni L) hatte gar nichts zu essen. Sonsanni lief dahin, wo die Blissi (Teufel) ihre Eier legen. Sonsanni nahm dort einige Früchte und einen ganzen Sack voller Blissi-Eier. Er machte sich auf den Rückweg. Er kam an den Blissi vorbei. Die Blissi fragten: "Was hast du da?" Sonsanni sagte: "Ich habe Früchte." Die Blissi sagten: "Gib her!" Sonsanni gab jedem der Blissi eine Frucht. Die Blissi sagten: "Es ist gut. Du kannst gehen." Sonsanni ging mit seinen Eiern nach Hause.

Sonsanni hatte nun viel zu essen. Die anderen Leute hungerten. Eines Tages kam Frau Saba (die Frau des Surukku), um bei Sonsanni Feuer zu leihen. Sie sah, daß die Töpfe des Sonsanni gefüllt waren. Sie geht, löscht das Feuer aus und kehrt zurück, um einen neuen Brand zu erbitten. Während Sonsanni sich herumdreht, sucht Frau Saba ein Ei zu stehlen. Sonsanni merkt es, dreht sich herum und sagt: "Komm, ich will dir ein Ei schenken." Sonsanni gibt Frau Saba ein Ei. Frau Saba geht damit nach Hause.

Saba, die Frau Surukkus, ging mit dem Blissi-Ei nach Hause und legte es in einen Topf. Sie stellte den Topf in einen zweiten Topf. Sie stellte den zweiten Topf in einen dritten Topf. Sie stellte einen vierten Topf darüber. Surukku kam nach Hause. Er witterte das Blissi-Ei. Er zerschlug alle Töpfe, um schnell zu dem Blissi-Ei zu kommen. Frau Saba kam dazu. Frau Saba sagte: "Du taugst gar nichts, da du alle Töpfe wegen eines einzigen Eies zerschlägst, statt wie Sonsanni hinzugehen und einen Sack voll Blissi-Eier zu holen!" Surukku sagte: "Wie soll ich denn zu den Blissi-Eiern kommen?" Frau Saba sagte: "Lege eine Pagne an, decke ein Tuch über die Augen, dann gehe hinter das Haus Sonsannis und klage über deine erblindenden Augen. Sonsanni wird herauskommen und dir einige Bassi (Zaubermittel) seines Vaters auflegen, um deine Augen zu heilen."

Surukku machte es so. Er legte eine Pagne um, band ein Tuch über die Augen und ging hinter das Haus Sonsannis, um zu klagen. Sonsanni kam mit den Bassi seines Vaters heraus und wollte sie auf die Augen Surukkus legen. Da schnappte Surruku zu und hielt die Hand mit den Zähnen fest. Surukku sagte: "Entweder sagst du mir, wo ich die Blissi-Eier finde oder ich beiße dir die?Hand ab." Sonsanni sagte: "Das ist nicht schwer, laß meine Hand frei!" Surukku sagte: "Erst sage mir, wie du die Eier erreichtest!" Sonsanni sagte:



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"Komm morgen früh zu der Stunde, da die alten Frauen hüsteln (also beim ersten Morgengrauen, wenn die Nebel niederfallen), zu mir und hole mich ab. Dann wollen wir zusammen gehen." Surukku sagte: "Es ist gut." Er ließ die Hand des Sonsanni los und ging heim.

Schon um Mitternacht begann Surukku seine alte Mutter zu schlagen, so daß die Frau zu hüsteln begann. Er ging zu Sonsanni und sagte: "Die alten Frauen hüsteln. Erhebe dich also!" Sonsanni sagte: "Ich hörte, daß irgend jemand im Dorfe seine Mutter geschlagen hat. Es ist wohl noch nicht so ganz frühmorgens. Geh also noch einmal auf dein Lager und warte, bis die Hühner schreien. Dann werden wir zusammen gehen." Surukku ging nach Hause.

Daheim begann Surukku seinen Hahn zu schlagen, bis er schrie. Dann ging er zu Sonsanni und sagte: "Die Hühner schreien. Erhebe dich also!" Sonsanni sagte: "Ich hörte, daß irgend jemand im Dorfe seinen Hahn geschlagen hat. Es ist also wohl noch nicht so ganz frühmorgens. Warte, bis das Tageslicht kommt und die Leute die Tiere in den Busch treiben! Dann werden wir zusammen gehen." Surukku ging nach Hause.

Daheim zündete Surukku rechts und links einen Haufen Stroh und trockene Blätter an, so daß die Flammen emporschlugen. Dann ging er zu Sonsanni und sagte: "Das Tageslicht ist gekommen. Sieh, wie hell der Himmel ist." Sonsanni sagte: "Ich hörte, daß irgend jemand im Dorfe nach Osten zu Stroh angezündet hat, deshalb soll es so hell sein. Es ist also wohl noch nicht so ganz frühmorgens." Dann warf Sonsanni eine Nähnadel in einen großen Heuhaufen neben der Türe und sagte: "Suche die Nadel aus dem Heu. Wenn du sie findest, dann wird es spät genug sein, um aufzubrechen." Surukku suchte.

Es war gegen sieben Uhr, und die Sonne stand schon hoch am Himmel, als Surukku die Nadel fand. Vorher vermochte er sie nicht zu sehen. Er weckte Sonsanni. Sonsanni sagte: "Siehst du, jetzt istdie rechte Zeit. Sieh mal, jetzt wirst du vom vielen Warten und Wecken recht ermüdet sein und wirst kaum schneller laufen als ich." Sonsanni gab Surukku alle alten Säcke zu tragen. Er sagte ihm: "Trage das hier. Laufe nur schnell mit mir, damit sie uns nicht erwischen." Sonsanni selbst nahm nur einen Sack mit.

Die beiden kamen zu den Blissi. Sonsanni füllte seinen Sack mit Eiern und nahm außerdem fünf Früchte mit. Surukku hatte alle Säcke voller Eier gesteckt und nahm nur vier Früchte mit. Am Ausgange saßen fünf Blissi. Als Sonsanni kam, fragten sie ihn: "Was



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hast du da?" Sonsanni sagte: "Früchte." Die Blissi sagten: "Gib uns!" Sonsanni gab jedem Blissi eine Frucht. Surukku kam. Die Blissi fragten: "Was hast du da?" Surukku sagte: "Früchte." Die Blissi sagten: "Gib uns!" Nun waren es fünf Blissi. Surukku hatte aber nur vier Früchte. Er gab den hinteren vier Blissi je eine Frucht und warf dem Chef der Blissi anstatt dessen ein großes Blissi-Ei an den Kopf. Dann sprang er fort und in ein Loch in der Erde. Sonsanni sagte zu den Blissi: "Wenn ihr Surukku fangen wollt, dann müßt ihr Mballa (Stacheischwein) nehmen und ihn ein Loch zu Surukku bohren lassen. Wenn ihr erlaubt, will ich meine Früchte schnell nach Hause tragen und euch Mballa herbeibringen."Die Blissi sagten: "Es ist gut." Sonsanni sprang von dannen.

Sonsanni kam zurück. Er brachte Mballa mit. Mballa vermochte nicht sogleich in das Loch des Surukku hineinzukommen. Sonsanni sagte: "Laß mich vorangehen!" Sonsanni schlüpfte hinein. Sonsanni hatte Salz, Pfeffer und ein Messer mitgebracht. Sonsanni gab es Surukku und sagte: "Hier hast du ein Messer; damit schlage Mballa, wenn er hineinkommt, die Nase ab. Und kommt er doch wieder, so wirf ihm Pfeffer in die Wunde. Das Salz brauchst du nachher." Surukku sagte: "Es ist gut." Sonsanni lief von dannen. Mballa drang zu Surukku vor. Surukku schlug ihm das Maul fast ab. Mballa floh zurück. Mballa sagte zu den Blissi: "Ich will gehen. Diese Arbeit ist zu schwer für mich." Die Blissi sagten: "Du wirst nicht eher gehen, als bis du das Loch zu Surukku gebohrt hast." Mballa ging zurück. Er bohrte sein Loch bis zu Surukku herunter. Surukku streute dem ankommenden Mballa Pfeffer in die Wunde. Die Wunde schmerzte doppelt. Surukku höhnte: "Wer so verwundet ist, der stirbt gar leicht." Mballa floh eiligst von dannen.

Sonsanni sagte zu den Blissi: "Dieser hatte nicht genug Kraft; schickt doch Laê (das Wildschwein), der hat mehr Kraft als Mballa." Die Blissi sagten: "Es ist ein guter Rat, rufe uns Las!" Sonsanni ging in den Busch und rief Laê herbei. Die Blissi sagten zu La& "Mache hier ein Loch, daß wir da hinab zu Surukku kommen. Surukku hat uns Eier gestohlen und hat unserem Häuptling ein Ei an den Kopf geworfen. Also mach' uns den Weg." Inzwischen lief Sonsanni in das Loch zu Surukku. Er fragte: "Wo hast du das Salz?" Surukku sagte: "Ich habe es gegessen." Sonsanni sagte: "Das war unrecht, denn nun brauchst du es. Hier hast du aber anderes Salz, das ich dir mitgebracht habe. Wenn du dies Kogo (Salz) auch auffrißt, wird dich Laê töten. Hebe es auf und wirf es Laê in die



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Augen, wenn er herankommt." Surukku sagte: Ich werde es so machen." Sonsanni lief von dannen.

Laê kam und bohrte sein Loch. Laê kam immer tiefer. Laê kam zu Surukku hinein. Surukku nahm das Kogo und warf es Laê ins Gesicht. Laê konnte nichts sehen, machte kehrt und lief zurück. Laê sagte zu den Blissi: "Blast mir doch den Schmutz aus den Augen, damit ich wieder sehen kann. Surukku hat mir den Schmutz in die Augen geworfen." Die Blissi bliesen. Dabei flog ein Salzkörnlein aus den Augen des Laê in den Mund eines Blissi. Der Blissi sagte: "Ei, das schmeckt ja so gut wie Salz. Wenn das so ist, müssen wir einmal deine Augen versuchen." Darauf rissen die Blissi Laê ein Auge heraus und versuchten es. Sie sagten: "Ach, das schmeckt ja ganz ausgezeichnet!" Die Blissi schlugen Laê tot und verzehrten ihn.

Währenddessen lief Surukku aus dem Loch und sprang von dannen, seinem Hause zu.


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