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DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSEND UND EIN NÄCHTEN

VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BANDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839

ÜBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 3

IM INSEL-VERLAG


DIE GESCHICHTE VON ABU MOHAMMED DEM FAULPELZ

Eines Tages saß Harûn er-Raschîd auf seinem Kalifenthrone, da trat einer seiner jungen Eunuchen zu ihm ein, der eine Krone aus rotem Golde in den Händen trug; die war mit Perlen und Edelsteinen besetzt, mit allen Arten von Rubinen und anderen Juwelen, wie man sie für Geld nie hätte kaufen können. Er küßte den Boden vor dem Kalifen und sprach: ,O Beherrscher der Gläubigen, die Herrin Zubaida' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Ihre Schwester aber sprach zu ihr: »Wie schön ist deine Erzählung und wie entzückend, wie lieblich und wie berückend!«Doch Schehrezâd erwiderte: »Was ist all dies gegen das, was ich in der kommenden Nacht erzählen werde, wenn der König mich am Leben zu lassen geruht!« Nun sprach der König bei sich selber: »Bei Allah, ich



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will sie nicht eher töten lassen, als bis ich ihre Geschichte zu Ende gehört habe. <>

Doch als die 300. Nacht anbrach, hub die Schwester an: »Liebe Schwester, erzähle uns doch deine Geschichte zu Ende!«»Herzlich gern, <>erwiderte Schehrezâd, »wenn der König es mir erlaubt!<>Da sagte der König: >Erzähle, Schehrezâd! < So fuhr sie denn fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß der junge Eunuch zum Kalifen sprach: ,Die Herrin Zubaida küßt den Boden vor dir und läßt dir sagen: ,Du weißt, daß sie diese Krone hat machen lassen und daß darin noch ein großer Edelstein fehlt, der die Spitze bilden soll. Sie hat in ihren Schätzen suchen lassen, aber sie hat keinen so großen Edelstein finden können, wie sie ihn wünscht.' Da sprach der Kalif zu den Kammerherren und Statthaltern: ,Suchet nach einem großen Edelstein, wie Zubaida ihn wünscht!' Und sie suchten, aber sie fanden nichts, was ihrem Wunsche entsprach; als sie das dem Kaufen kundtaten, ward er zornig und rief: ,Wie kann ich Kalif und König der Könige auf Erden sein, wenn ich nicht imstande bin, einen Edelstein zu beschaffene Ihr da, fragt bei den Kaufleuten an!' Sie fragten also bei den Kaufleuten nach, und die sagten ihnen: ,Unser Herr und Kalif wird einen solchen Edelstein nur bei einem Manne in Basra finden, dessen Name Mohammed der Faulpelz ist.' Das meldeten sie dem Kalifen, und der gab alsbald seinem Wesir Dscha'far den Befehl, an den Emir Mohammed ez-Zubaidi, den Statthalter von Basra, einen Brief zu senden mit dem Auftrage, er solle Mohammed den Faulpelz bereithalten und mit ihm vor dem Beherrscher der Gläubigen erscheinen. Der Wesir schrieb einen Brief dieses Inhalts und sandte ihn mit Masrûr ab. Der begab sich also mit dem Schreiben nach der Stadt Basra und trat zum Emir Mohammed ez-Zubaidi ein. Nachdem



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dieser ihn hocherfreut mit allen Ehren aufgenommen hatte, las Masrûr ihm das Schreiben des Beherrschers der Gläubigen Harûn er-Raschîd vor. ,Ich höre und gehorche!' sprach der Statthalter und entsandte den Masrûr alsbald mit einer Schar seiner Diener zu Abu Mohammed dem Faulpelz. Die begaben sich zu seinem Hause und klopften dort an die Tür. Einer von den Dienern kam heraus, und Masrûr sprach zu ihm: ,Sag deinem Herrn, daß der Beherrscher der Gläubigen nach ihm verlangt.' Nachdem der Diener hineingegangen war und die Botschaft ausgerichtet hatte, kam Abu Mohammed heraus und sah dort vor sich Masrûr, den Kammerherrn des Kalifen. inmitten der Diener des Emirs Mohammed ez-Zubaidi. Da küßte er die Erde vor dein Abgesandten und sprach: ,Ich höre und gehorche dem Beherrscher der Gläubigen. Doch tretet zuvor bei mir ein!' Als sie antworteten: ,Wir können das nur in aller Eile tun, wie es uns der Beherrscher der Gläubigen befohlen hat; denn er wartet auf dein Kommen', sagte er: ,Wartet nur ein klein wenig auf mich, bis ich alles gerüstet habe!' Nach vielem Drängen und Zureden traten sie mit ihm in das Haus ein: und dort sahen sie zunächst eine Vorhalle, behangen mit Wanddecken aus blauem Brokat, die mit rotem Golde bestickt waren. Dann befahl Mohammed der Faulpelz einigen seiner Diener, Masrûr in das Bad zu geleiten, das sich im Hause befand. Nachdem sie den Befehl ausgeführt hatten, sah sich Masrûr in einem Raume, in dem die Wände und der Fußboden aus seltenen, mit Gold und Silber verzierten Marmorplatten bestanden, und in dem das Wasser mit Rosenöl gemischt war. Die Diener eilten geschäftig um Masrûr und sein Gefolge und warteten ihnen in vollendetster Weise auf; und ehe die Gäste das Bad verließen, legten sie ihnen Ehrengewänder aus golddurchwirktem Brokat an. Dann traten



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Masrûr und seine Begleiter zu Abu Mohammed dem Faulpelz ein und fanden ihn in seinem Obergemach sitzen; ihm zu Häupten hingen Wandteppiche aus golddurchwirktem Brokat, mit Perlen und Edelsteinen besetzt, und das ganze Zimmer war mit Kissen ausgestattet, auf denen sich Stickereien aus rotem Golde befanden. Er saß auf einem Pfühl, das über ein edelstein besetztes Lager gebreitet war. Und sowie Masrûr eintrat, hieß er ihn willkommen, ging ihm entgegen und ließ ihn an seiner Seite sitzen. Dann befahl er, den Speisetisch zu bringen; doch als Masrûr den Tisch sah, rief er: ,Bei Allah, sogar bei dem Beherrscher der Gläubigen habe ich einen solchen Tisch nie gesehen!' Und auf dem Tische lagen vielerlei Speisen, die alle in Schüsseln aus vergoldetem Porzellan angerichtet waren. ,Dann aßen und tranken wir,' — so erzählte Masrûr -,und waren vergnügt, bis der Tag sich neigte; darauf gab er noch einem jeden von uns fünftausend Dinare, und am nächsten Morgen kleidete man uns in grüne, golddurchwirkte Ehrengewänder und erwies uns die höchsten Ehren.' Als dann aber Masrûr zu Abu Mohammed dem Faulpelz sagte: ,Wir können nicht länger so verweilen, da wir den Kalifen fürchten müssen', erwiderte dieser ihm: ,O Gebieter, gedulde dich nur noch bis morgen, damit wir uns reisefertig machen können und dann mit euch aufbrechen!' So blieben sie denn noch den Tag über und verbrachten dort auch die Nacht, bis es wieder Morgen ward. Nun sattelten die Diener für Abu Mohammed den Faulpelz ein Maultier mit einem Sattel aus Gold, in den mancherlei Perlen und Edelsteine eingelegt waren. Da sagte Masrûr sich: ,Ob der Kalif wohl den Abu Mohammed, wenn er in solchem Aufzuge vor ihm erscheint, danach fragen wird, wie er zu diesen Reichtümern gekommen ists' Darauf nahmen sie Abschied von Mohammed ez-Zubaidi, zogen aus



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Basra hinaus und reisten ohne Unterbrechung weiter, bis sie zur Stadt Baghdad gelangten. Wie sie dann zum Kaufen eingetreten waren und vor ihm standen, befahl er dem Abu Mohammed, sich zu setzen. Der ließ sich nieder und hub an zu sprechen, wie es sich bei Hofe schickte, indem er sagte: ,O Beherrscher der Gläubigen, ich habe ein Geschenk gebracht, um dir zu huldigen; darf ich es mit deiner gnädigen Erlaubnis herbeiholen lassen?' ,Das mag geschehen!' antwortete er-Raschîd. Nun befahl Abu Mohammed eine Kiste zu holen, öffnete sie und nahm aus ihr kostbare Geschenke hervor, darunter goldene Bäume, mit Blättern aus weißem Smaragd und Früchten aus rotem und gelbem Hyazinth und aus schimmernden Perlen: darüber erstaunte der Kalif. Darauf ließ der Fremde eine zweite Kiste holen und nahm aus ihr ein brokatenes Prunkzelt hervor, das mit Perlen, Rubinen, Smaragden, Chrysolithen und noch anderen Edelsteinen verziert war; die Pfeiler des Zeltes waren aus frischem indischen Aloeholz: die Säume der Zeltdecke waren mit grünen Smaragden besetzt; und auf den Zeltwänden waren lauter Bilder von allerlei Getier angebracht, Vögel und Tiere der Steppe, und diese Bilder waren mit edlen Steinen verziert, Hyazinthen, Smaragden, Chrysolithen, Ballasrubinen und allerlei Edelmetallen. Als er-Raschîd das sah, war er hocherfreut; und darauf sprach Abu Mohammed der Faulpelz zu ihm: ,O Beherrscher der Gläubigen, denke nicht, ich hätte dir dies gebracht, weil ich etwas befürchte oder etwas begehre! Ich weiß, daß ich nur ein Mann aus dem Volke bin, ich weiß aber auch, daß diese Dinge niemandem anders gebühren als dem Beherrscher der Gläubigen. Wenn du mir nun Erlaubnis gewährst, so will ich dir etwas von dem zeigen, was ich vermag.' ,Tu, was du willst,' sagte er-Raschîd, ,wir wollen es uns ansehen!' Abu Mohammed erwiderte:



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,Ich höre und gehorche!' bewegte seine Lippen und winkte den Zinnen des Palastes; da neigten sie sich ihm zu. Dann gab er ihnen einen zweiten Wink; da wurden sie wieder aufrecht, wie sie gewesen waren. Darauf machte er Zeichen mit den Augen; da erschienen vor ihm Käfige mit verschlossenen Türen, und nachdem er Worte über sie gesprochen hatte, gaben ihm Vogelstimmen Antwort. Über all das war er-Raschîd aufs höchste erstaunt, und er fragte: ,Woher hast du alles dies, wo du doch nur als Abu Mohammed der Faulpelz bekannt bist? Ja, man hat mir sogar gesagt, dein Vater sei ein Schröpfer gewesen, der in einem Badehause die Kunden bediente und dir nichts hinterließ!' Abu Mohammed erwiderte: ,O Beherrscher der Gläubigen, höre meine Geschichte.' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 301. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß Abu Mohammed der Faulpelz dem Kalifen erwiderte: ,O Beherrscher der Gläubigen, höre meine Geschichte; denn sie ist gar wundersam, und seltsam ist's, wie das alles kam. Würde man sie mit Nadeln in die Augenwinkel schreiben, so würde sie allen, die sich lehren lassen, ein lehrreich Beispiel bleiben!' Darauf sagte er-Raschîd: ,Erzähle, was du zu erzählen hast, und tu es mir kund, Abu Mohammed!' Da hub jener an:

,Wisse, o Beherrscher der Gläubigen, —Allah gebe dir auf immer Ruhm und Macht! —wenn die Leute sagen, ich sei als der Faulpelz bekannt und mein Vater hätte mir kein Geld hinterlassen, so ist das wahr. Mein Vater war nichts anderes, als was du sagtest: er war ein Schröpfer in einem Badehause. Und ich war in meiner Jugend das faulste Wesen, das man auf dem Angesichte



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der Erde finden konnte. Ja, meine Faulheit ging so weit, daß ich, wenn ich an heißen Tagen schlief und die Sonne über mich kam, zu faul war, um aufzustehen und von der Sonne in den Schatten zu gehen. So trieb ich es fünfzehn Jahre lang; dann starb mein Vater - Allah der Erhabene hab ihn selig! —und hinterließ mir nichts. Meine Mutter aber diente bei Leuten, und so konnte sie mir zu essen und zu trinken geben, während ich auf der Seite lag. Eines Tages nun begab es sich, daß meine Mutter mit fünf Silberdirhems in der Hand zu mir hereinkam und sprach: ,Lieber Sohn, es ist mir berichtet worden, daß der Scheich Abu el-Muzaffar beschlossen hat, eine Reise nach China zu machen -jener Scheich liebte die Armen und war ein wohltätiger Mann; —also, mein Sohn, nimm diese fünf Dirhems und laß uns zu ihm gehen und ihn bitten, daß er dir dafür im Lande China etwas kauft: vielleicht wird dir daraus durch die Güte Allahs des Erhabenen Gewinn erwachsen.' Ich war zu faul, um aufzustehen; aber da schwor sie bei Allah, wenn ich nicht aufstände und mit ihr ginge, so wolle sie mir nie mehr etwas zu essen oder zu trinken geben, und sie wolle nie mehr zu mir hereinkommen, sondern mich vor Hunger und Durst sterben lassen. Als ich ihre Worte vernahm, o Beherrscher der Gläubigen, wußte ich, daß sie das tun würde, da sie ja meine Faulheit kannte. Also sprach ich zu ihr: ,Richte mich auf!' Da richtete sie mich auf, während ich Tränen im Auge hatte; dann sagte ich: ,Bring mir meine Schuhe!' Und als sie mir die gebracht hatte, fuhr ich fort: ,Zieh sie mir über die Füße!' Nachdem sie mir die Schuhe angezogen hatte, sagte ich zu ihr: ,Heb mich vom Boden auf!' Sie tat es, und dann sagte ich: ,Stütze mich, damit ich gehen kann!' Da stützte sie mich, und so ging ich denn mit ihr immer weiter dahin, während ich über meine Säume stolperte,



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bis wir zum Ufer des Stromes gelangten. Dort begrüßten wir den Scheich, und ich sprach zu ihm: ,Oheim, bist du Abu el-Muzaffar ?' ,Zu Diensten!' erwiderte er, und ich fuhr fort: ,Nimm diese Dirhems und kaufe mir dafür etwas im Lande China; vielleicht wird Allah mir daraus Gewinn erwachsen lassen.' Nun fragte der Scheich Abu el-Muzaffar seine Gefährten: ,Kennt ihr diesen Jünglinge' ,Jawohl,' gaben sie zur Antwort, ,der da ist bekannt als Abu Mohammed der Faulpelz; aber jetzt haben wir zum ersten Male gesehen, daß er aus seinem Hause herausgekommen ist.' Dann fuhr der Scheich fort: ,Mein Sohn, gib die Dirhems her -Allah der Erhabene segne sie!' Darauf nahm er das Geld von mir entgegen und sprach: ,Im Namen Allahs!' Nun kehrte ich mit meiner Mutter nach Hause zurück, während der Scheich Abu el-Muzaffar sich auf die Reise begab, zusammen mit einer Schar von Kaufleuten; und sie reisten immer weiter, bis sie im Lande China ankamen. Dort machte der Scheich seine Verkäufe und Einkäufe; und danach traten sie die Rückreise an, er und seine Begleiter, sobald sie ihre Geschäfte erledigt hatten. Als sie aber drei Tage auf dem Meere dahingesegelt waren, sagte der Scheich plötzlich zu seinen Reisegenossen: ,Haltet das Schiff an!' Wie die Kaufleute fragten: ,Was willst du?' erwiderte er: ,Wisset, ich habe den Auftrag vergessen, den ich für Abu Mohammed den Faulpelz übernommen hatte. Laßt uns also umkehren, damit wir etwas für ihn kaufen, durch das er etwas verdienen kann!' Da riefen sie: ,Wir bitten dich um Allahs des Erhabenen willen, kehre nicht mit uns um! Wir haben doch schon eine so unendlich lange Strecke durchfahren, und wir haben auf ihr gewaltige Schrecken und reichliche Mühsale ausgehalten.' Aber er entgegnete: ,Es ist nicht anders möglich, wir müssen umkehren.' Nun sagten sie: ,Nimm von uns ein Vielfaches von



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dem Gewinne der fünf Dirhems; doch kehr nicht mit uns um!' Er hörte auf sie, und sie sammelten eine beträchtliche Summe für ihn. Dann fuhren sie weiter, bis sie zu einer Insel kamen, auf der sich viel Volks befand. Sie legten bei ihr an, und die Kaufleute gingen an Land, um dort Einkäufe an Edelmetallen, Juwelen, Perlen und anderen Dingen zumachen. Nun sah Abu el-Muzaffar da einen Mann sitzen, der eine große Zahl von Affen bei sich hatte; unter diesen war auch ein Affe, dem die Haare ausgerupft waren. Und jedesmal, wenn der Besitzer der Affen nicht achtgab, fielen die anderen über den gerupften Affen her, prügelten ihn und jagten ihn auf ihren Herrn zu; der aber erhob sich, schlug sie und band sie fest und bestrafte sie so dafür. Nun wurden die Affen alle zornig auf den einen und prügelten ihn wieder. Als der Scheich Abu el-Muzaffar jenen Affen sah, hatte er Mitleid und Erbarmen mit ihm, und er fragte seinen Besitzer: ,Willst du mir diesen Affen verkaufen?' ,Kaufe!' sagte der; und der Scheich fuhr fort: ,Ich habe fünf Dirhems bei mir, die einem Waisenknaben gehören. Willst du ihn mir dafür verkaufen?' Jener darauf: ,Der Verkauf ist abgeschlossen, und Allah segne ihn dir!' Nun erhielt der Scheich den Affen und bändigte dem Verkäufer die Dirhems ein: die Diener des Scheichs aber nahmen den Affen mit und banden ihn auf dem Schiffe fest. Darauf spannten sie die Segel und fuhren zu einer anderen Insel, bei der sie wiederum anlegten; dort kamen die Taucher an Bord, die nach Edelmetallen, Perlen, Juwelen und ähnlichen Dingen tauchten. Die Kaufleute gaben ihnen Geld zum Lohne dafür, daß sie tauchen sollten; sie taten es, doch als der Affe sie bei diesem Tun sah, machte er sich von den Fesseln frei, sprang über Bord und tauchte unter. Da rief Abu el-Muzaffar: ,Es gibt keine Macht und es gibt keine Majestät außer bei Allah dem Erhabenen



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und Allmächtigen! Der Affe ist für uns dahin, mitsamt dem Glücke jenes armen Burschen, für den wir ihn mitgenommen hatten!' Die Leute gaben den Affen verloren; aber da plötzlich, als die Schar der Taucher wieder hochkam, erschien auch der Affe mit ihnen auf der Oberfläche. Er hatte die Hände voll von den kostbarsten Juwelen, und die warf er vor Abu el-Muzaffar nieder. Der war darüber sehr erstaunt und rief: ,Fürwahr, in diesem Affen steckt ein großes Geheimnis!' Nachdem sie dann wieder die Segel gespannt hatten, fuhren sie weiter, bis sie zu einer Insel gelangten, deren Name die ,Insel der ist; das sind schwarze Leute, die das Fleisch der Menschen fressen. Als die Schwarzen sie sahen, fuhren sie in Booten herbei, fielen über sie her und holten alle vom Schiffe herunter; dann fesselten sie ihnen die Hände auf den Rücken und schleppten sie vor den König. Der befahl ihnen, eine Anzahl von den Kaufleuten zu schlachten, und nachdem sie das getan hatten, fraßen sie ihr Fleisch auf. Die übrigen Kaufleute verbrachten die Nacht gefesselt und in Todesangst. Als es dunkle Nacht geworden war, kam der Affe auf Abu el-Muzaffar zu und befreite ihn von seinen Fesseln. Wie die anderen Kaufleute ihn frei sahen, sprachen sie: ,Möge Allah geben, daß wir durch deine Hände befreit werden, Abu el-Muzaffar!' Darauf erwiderte er: ,Wisset, mich hat -nach dem Willen Allahs des Erhabenen -niemand anders als dieser Affe befreit.' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 302 Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß Abu Mohammed weiter erzählte: ,Abu el-Muzaffar erwiderte: ,Mich hat - nach dem Willen Allahs des Erhabenen -niemand anders als dieser Affe



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befreit; und ich zahle ihm dafür tausend Dinare.' Und die Kaufleute sprachen: ,Ebenso zahlt ein jeder von uns ihm tausend Dinare, wenn er uns befreit.' Da trat der Affe zu ihnen und löste einem nach dem andern die Fesseln, bis er sie alle davon befreit hatte. Die eilten darauf zu dem Schiffe, stiegen hinauf und fanden, daß es unversehrt war und nichts auf ihm fehlte. Dann setzten sie Segel und stachen in See; und nun sprach Abu el-Muzaffar zu ihnen: ,Ihr Kaufleute, zahlt jetzt, was ihr dem Affen versprochen habt!' ,Wir hören und gehorchen!' erwiderten sie, und ein jeder von ihnen bändigte ihm tausend Dinare aus; auch Abu el-Muzaffar holte von seinem Gelde tausend Dinare. So kam für den Affen eine große Summe Geldes zusammen. Sie fuhren weiter dahin, bis sie die Stadt Basra erreichten; und dort warteten ihre Freunde auf sie, bis sie vom Schiffe ans Land stiegen. Dann fragte Abu cl-Muzaffar sofort: ,Wo ist Abu Mohammed der Faulpelz?' Meine Mutter hörte davon, und während ich schlafend dalag, kam sie und rief: ,Mein Sohn, Scheich Abu el-Muzaffar ist heimgekehrt und ist wieder in der Stadt. Also steh auf, geh hin zu ihm, begrüße ihn und frage ihn, was er dir gebracht hat! Vielleicht hat Allah der Erhabene dir irgendein Tor des Glücks geöffnet.' Ich gab ihr zur Antwort: ,Heb mich vom Boden auf und stütze mich, daß ich hingehen und mich zum Ufer des Stromes begeben kann!' Darauf ging ich fort, indem ich über die Säume meiner Kleider stolperte, bis ich zum Scheich Abu el-Muzaffar kam. Als er mich erblickte, rief er mir zu: ,Willkommen dem, dessen Dirhems die Ursache meiner Rettung und der Rettung dieser Kaufleute gewesen sind nach dem Willen Allahs des Erhabenen!' Und weiter sprach er zu mir: ,Nimm diesen Affen; denn ich habe ihn für dich gekauft. Geh mit ihm nach Hause und warte, bis ich zu dir komme!'



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Ich nahm also den Affen bei der Hand und ging fort, indem ich mir sagte: ,Bei Allah, dies muß ja wirklich eine sehr wertvolle Ware sein!' Dann trat ich zu Hause ein und sprach zu meiner Mutter: ,Immer, wenn ich schlafen will, sagst du mir, ich solle aufstehen und Handel treiben; nun sieh dir mit deinen eigenen Augen diese Ware an!' Dann setzte ich mich nieder; und kaum saß ich, da kamen die Sklaven des Abu el-Muzaffar zu mir und fragten mich: ,Bist du Abu Mohammed der Faulpelz?' ,Jawohl', erwiderte ich. Nun kam auch schon Abu el-Muzaffar hinter ihnen her; sofort erhob ich mich vor ihm und küßte ihm die Hände. Er sprach zu mir: ,Komm mit mir in mein Haus!' ,Ich höre und gehorche!' antwortete ich und folgte ihm, bis ich in sein Haus eintrat. Dort befahl er seinen Sklaven, das Geld herbeizuschaffen; und als sie es gebracht hatten, sprach er: ,Mein Sohn, Allah hat dir diesen Reichtum beschert als Gewinn aus den fünf Dirhems.' Darauf luden sie das Geld in seinen Kisten auf ihre Köpfe, und er gab mir die Schlüssel zu jenen Kisten mit den Worten: ,Geh vor den Sklaven her zu deinem Hause; denn all dies Geld gehört dir!' So ging ich denn zu meiner Mutter; und sie sprach hocherfreut zu mir: ,Mein Sohn, Allah hat dich mit diesem großen Reichtum gesegnet; drum laß ab von deiner Faulheit, geh zum Basar und treibe Handel!' Und ich schüttelte wirklich die Trägheit ab und eröffnete einen Laden im Basar. Der Affe aber saß immer neben mir auf meinem Diwan: wenn ich aß. so aß er mit mir, und wenn ich trank, so trank er mit mir. Doch jeden Tag pflegte er vom Morgengrauen bis zur Mittagszeit zu verschwinden; dann kam er wieder und trug einen Beutel mit tausend Dinaren in der Hand. und wenn er den neben mich hingelegt hatte, setzte er sich. Das tat er eine ganze Zeit lang, bis sich schließlich sehr viel Geld bei mir angehäuft



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hatte. Darauf, o Beherrscher der Gläubigen, erwarb ich Grundstücke und Ländereien, pflanzte Gärten und kaufte Mamluken, Sklaven und Sklavinnen. Nun begab es sich eines Tages, als ich mit dem Affen neben mir auf dem Diwan saß, daß er sich plötzlich nach rechts und nach links wandte. Da sagte ich bei mir selber: ,Was mag es mit diesem Affen sein?' Aber auf einmal ließ Allah den Affen mit deutlicher Sprache reden, und das Tier rief: ,O Abu Mohammed!' Als ich ihn sprechen hörte, erschrak ich gewaltig; doch er fuhr fort: ,Erschrick nicht! Ich will dir von mir erzählen; ich bin ein Mârid vom Geschlechte der Geister, aber ich bin zu dir gekommen, weil du in solcher Not warst, du, der du heute nicht mehr die Fülle deines Reichtums ermessen kannst. Nun habe ich ein Anliegen an dich; und daraus soll dir Gutes ersprießen.' ,Was ist das?' fragte ich; und er gab mir zur Antwort: ,Ich möchte dich mit einem Mädchen vermählen, das so schön wie der Vollmond ist.' Da fragte ich weiter: ,Wie ist denn das?' Er sagte darauf zu mir: ,Lege morgen früh prächtige Gewänder an, besteige dein Maultier mit dem goldenen Sattel und begib dich zum Basar der Futterhändler. Dort frage nach dem Laden des Scherifen 1, setze dich zu dem Kaufherrn hin und sprich zu ihm: ,Ich komme zu dir als Freier, der um die Hand deiner Tochter wirbt.' Wenn er dann zu dir sagt: ,Du hast weder Geld noch Abkunft und Adel', so gib ihm tausend Dinare. Wenn er dann mehr von dir verlangt, so biete ihm noch mehr und errege in ihm das Verlangen nach dem Gelde.' ,Ich höre und gehorche!' erwiderte ich, ,morgen früh, so Allah der Erhabene will, werde ich das tun.' Und als es Morgen ward - so erzählte Abu Mohammed weiter -, legte ich meine prächtigsten Gewänder an, bestieg mein Maultier mit dem goldenen Sattel und begab



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mich darauf zum Basar der Futterhändler. Dort fragte ich nach dem Laden des Scherifen; ich fand ihn in seinem Laden sitzen, und nachdem ich abgestiegen war, begrüßte ich ihn und setzte mich zu ihm.' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 303. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß Abu Mohammed der Faulpelz weiter erzählte: ,Nachdem ich abgestiegen war, begrüßte ich ihn und setzte mich zu ihm; ich hatte aber zehn meiner schwarzen Sklaven und Mamluken bei mir. Da hub der Scherif an: ,Vielleicht hast du ein Anliegen an uns, das wir dir zu erfüllen vermögen?' ,Jawohl,' gab ich zur Antwort, ,ich habe ein Anliegen an dich.' Als er nun fragte: ,Was ist dein Wunsch?' erwiderte ich: ,Ich komme zu dir als Freier, der um deine Tochter wirbt.' Doch er entgegnete: ,Du hast weder Geld noch Abkunft und Adel.' Da zog ich vor seinen Augen einen Beutel mit tausend Dinaren von rotem Golde hervor und sprach zu ihm: ,Das ist meine Abkunft und mein Adel. Und er, dem Allah Segen und Heil spenden möge, hat selbst gesagt: Der beste Adel ist der Reichtum. Wie schön sagt doch auch der Dichter:

Kann jemand auch zwei Dirhems nur sein eigen nennen,
So werden seine Lippen manche Rede kennen.
Dann kommen die Genossen, lauschen seinen Worten;
Du siehst ihn bei dem Volk sich blähen allerorten.
Und hätte er das Geld, mit dem er großtut, nicht,
Du fändest bei den Menschen ihn als ärmsten Wicht.
Und wenn der Reiche auch in seinen Worten irrt,
So heißt es: Du sprichst wahr, du redest nicht verwirrt.
Doch spricht der Arme wahr, so ruft die Welt betört:
Du lügst! Und was er sagt, verhallet ungehört.
Ja, Dirhems geben hier auf Erden weit und breit



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Den Männern Wurde und das Kleid der Lieblichkeit.
Sie sind die Zunge dem, der feine Rede liebt;
Sie sind die Waffe dem, der sich zum Kampf begibt.'

Als der Scherif diese Worte von mir vernahm und zum Verständnis der Verse des Liedes kam, senkte er sein Haupt eine Weile zu Boden; dann hob er es wieder und sprach: ,Wenn es denn sein muß, so verlange ich von dir noch dreitausend Dinare.' ,Ich höre und gehorche!' erwiderte ich und schickte einen meiner Mamluken nach Hause, der alsbald mit dem verlangten Gelde wiederkam. Als der Scherif das Geld kommen sah, verließ er den Laden und befahl seinen Dienern. ihn zu schließen. Dann lud er seine Freunde vom Basar in sein Haus; dort setzte er den Ehevertrag zwischen mir und seiner Tochter auf und sprach zu mir: ,Nach zehn Tagen will ich dich zu ihr einführen.' Nun ging ich erfreut nach Hause, blieb mit dem Affen allein und erzählte ihm, was geschehen war. Der sprach: ,Das hast du gut gemacht!' Und als die vom Scherifen bestimmte Zeit herangenaht war, sagte der Affe zu mir: ,Ich habe ein Anliegen an dich. Wenn du mir das erfüllst, so wirst du alles, was du von mir wünschest, erhalten.' ,Was hast du für ein Anliegen?' fragte ich; und er gab mir zur Antwort: ,An der Rückwand der Halle, in der du zu der Tochter des Scherifen eingehen wirst, befindet sich eine Kammer; an deren Tür ist ein Ring aus Kupfer, und die Schlüssel hängen darunter. Nimm die Schlüssel und öffne die Tür; dann wirst du drinnen eine eherne Truhe finden mit vier Talismanen in Gestalt von Fähnlein an den Ecken. Mitten in der Truhe ist ein Becken voll von Gold, und auf ihrer einen Seite sind elf Schlangen, auf der anderen liegt ein Messer; in dem Becken aber ist ein weißer Hahn mit gespaltenem Kamm festgebunden. Nimm das Messer und schlachte damit den Hahn; schneide die Fähnlein



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ab und wirf die Truhe um. Darauf geh zu deiner jungen Gemahlin und nimm ihr das Mädchentum! Dies ist mein Anliegen an dich.' ,Ich höre und gehorche!' erwiderte ich und ging zum Hause des Scherifen. Dort trat ich in die Halle ein und schaute nach der Kammer, die mir der Affe beschrieben hatte. Als ich dann mit meiner jungen Frau allein war, erstaunte ich ob ihrer Schönheit und Lieblichkeit und ihres Wuchses Ebenmäßigkeit; denn ihre wunderbare Anmut war so groß, daß keine menschliche Zunge sie zu schildern vermag. So hatte ich denn auch eine hohe Freude an ihr; um die Mitternacht aber, als meine junge Frau schlief, erhob ich mich, nahm die Schlüssel und öffnete die Kammer. Dann nahm ich das Messer, schlachtete den Hahn, warf die Fähnlein fort und stürzte die Truhe um. Da erwachte die Jungfrau, und als sie die Kammer geöffnet und den Hahn geschlachtet sah, rief sie: ,Es gibt keine Majestät und es gibt keine Macht außer bei Allah dem Erhabenen und Allmächtigen! Jetzt holt mich der Mârid!' Und kaum hatte sie ihre Worte beendet, da stürzte schon der Mârid in das Haus und raubte die junge Frau. Nun entstand ein Lärm, und plötzlich kam der Scherif; und indem er sich das Gesicht zerschlug, rief er: ,O Abu Mohammed, was hast du uns da angetan! Ist das unser Lohn von dir? Ich hatte doch den Talisman dort in der Kammer bereitet, weil ich um meine Tochter wegen dieses Verfluchten besorgt war; denn er hat dies Mädchen schon seit sechs Jahren holen wollen, aber er hat es nie tun können. Jetzt ist deines Bleibens bei uns nicht länger; darum geh deiner Wege!' Da verließ ich das Haus des Scherifen und begab mich in meine eigene Wohnung. Dort suchte ich nach dem Affen; aber ich konnte ihn nicht finden, ja, ich entdeckte keine Spur mehr von ihm. Daran erkannte ich, daß er der Mârid war, der meine Gattin geraubt und mich



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selbst überlistet hatte, so daß ich den Zauber der Talismane und des Hahnes brach, der Dinge, die ihn hinderten, sie wegzuholen. Ich bereute mein Tun, zerriß meine Kleider und zerschlug mir das Gesicht; und die Welt ward mir zu enge. So ging ich denn alsbald in die Ferne; ich begab mich in die Wüste und zog dahin, bis es Abend um mich ward, ohne daß ich wußte, wohin ich ging. Während ich noch meinen Gedanken nachhing, kamen plötzlich zwei Schlangen auf mich zu, eine schwarze und eine weiße, die miteinander kämpften. Da hob ich einen Stein vom Boden auf, warf ihn auf die schwarze Schlange und tötete sie damit; denn sie war es, die der weißen nachstellte. Nun glitt die weiße Schlange davon, blieb eine Weile verschwunden und kehrte dann mit zehn anderen weißen Schlangen zurück. Alle stürzten sich auf die tote Schlange und zerrissen sie in Stücke, bis von ihr nur noch der Kopf übrig blieb. Dann glitten sie wieder ihrer Wege dahin, während ich vor Müdigkeit an der Stätte, wo ich war, zu Boden sank; doch während ich so dalag und über mein Schicksal nachdachte, erschien plötzlich ein geheimnisvolles Wesen, dessen Stimme ich hörte, obgleich ich seine Gestalt nicht gewahrte, und sprach diese beiden Verse:

Laß nur das Schicksal mit verhängten Zügeln jagen,
Und leichten Sinnes stets verbringe du die Nacht!
Denn eh des Auges Blick, gesenkt, sich wieder hebet,
Hat Allah schon ein Ding zum anderen gemacht.

Als ich das hörte, o Beherrscher der Gläubigen, packte mich Angst gar sehr, und meine Sorge kannte keine Grenzen mehr. Doch plötzlich hörte ich eine Stimme hinter mir diese beiden Verse vortragen:

O Muslim du, den der Koran als Führer leitet.
Erfreu dich seiner; denn das Heil ward dir bereitet!



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Und sei du ohne Furcht vor Satans Trug und List!
Wir sind ein Volk, bei dem der rechte Glaube ist.

Da rief ich: ,Bei Ihm, den du anbetest, tu mir kund, wer du bist!' Alsbald nahm jenes geheimnisvolle Wesen die Gestalt eines Menschen an und sprach zu mir: ,Fürchte dich nicht; deine gute Tat ist uns berichtet worden, und wir sind ein Volk der gläubigen Dämonen. Wenn du einen Wunsch hast, so tu ilm mir kund, auf daß wir dir seine Erfüllung gewähren!' Ich gab ihm zur Antwort: ,Ich hab einen sehr großen Wunsch zu offenbaren; denn ein gewaltiges Unglück ist mir widerfahren. Und wem wäre wohl hienieden je solche Not wie mir beschieden?' Da fragte er: ,Bist du vielleicht Abu Mohammed der Faulpelz?' ,Jawohl!' erwiderte ich; und er fuhr fort: ,Abu Mohammed, ich bin der Bruder der weißen Schlange, deren Feind du getötet hast. Wir sind vier Brüder von einem Vater und von einer Mutter, und wir alle sind dir für deine Güte dankbar. Wisse, jener, der in Gestalt eines Affen war und solche Tücke an dir verübte, ist einer von den Mârid geheißenen Dämonen; hätte er diese List nicht angewandt, so hätte er die Jungfrau nie und nimmer entführen können. Er liebte sie schon seit langer Zeit und wollte sie rauben; aber jener Talisman hinderte ihn daran. Und wäre jener Talisman geblieben, wie er war, so hätte der Mârid sich ihr nicht nahen können. Doch gräme dich nicht um das Geschehene; wir wollen dich wieder mit ihr vereinen und den Mârid zu Tode bringen; denn dein gutes Werk ist bei uns nicht verloren.' Darauf stieß er einen gewaltigen Schrei aus' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 304 Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß Abu Mohammed weiter erzählte:



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,Der Dämon sprach: ,Dein gutes Werk ist bei uns nicht verloren.' Darauf stieß er einen gewaltigen Schrei aus mit furchtbarer Stimme, und plötzlich erschien eine Schar vor ihm; die fragte er nach dem Affen. Einer von den Dämonen erwiderte: ,Ich kenne seine Stätte.' ,Wo welt er denn?' fragte der erste; und der andere fuhr fort: ,Er ist in der Messingstadt, über der die Sonne nicht aufgeht.' Darauf sagte der erste: ,Abu Mohammed, wähle dir einen von unseren Sklaven; der wird dich auf seinem Rücken tragen und dir zeigen, wie du das Mädchen wiedererlangen kannst. Wisse jedoch, daß jener Sklave einer von den Mârid-Dämonen ist; und wenn er dich trägt, so sprich den Namen Allahs nicht aus, solange du auf seinem Rücken bist; denn sonst wird er vor dir fliehen, und du wirst hinabfallen und umkommen.' ,Ich höre und gehorche!' erwiderte ich und wählte mir einen von ihren Sklaven aus; der neigte sich nieder und sprach zu mir: ,Steig auf!' Ich stieg also auf, und dann flog er mit mir so hoch in den Luftraum empor, bis ich die Sterne wie festgegründete Berge vor mir sah und die Engel im Himmel Gott lobpreisen hörte. In all der Zeit aber plauderte der Mârid mit mir und unterhielt mich und lenkte mich davon ab, den Namen Allahs des Erhabenen auszusprechen. Während ich nun so dahinflog, erschien plötzlich eine Gestalt; die trug ein grünes Gewand, hatte wehende Locken und ein strahlendes Antlitz und hielt einen Wurfspeer in der Hand, von dem die Funken sprühten. Die Gestalt kam auf mich zu und sprach zu mir: ,Abu Mohammed, sprich: ,Es gibt keinen Gott außer Allah, und Mohammed ist der Prophet Allahs!' sonst durchbohre ich dich mit diesem Wurfspeer.' Nun war mein Herz schon gebrochen, weil ich so lange es unterlassen hatte, den Namen Allahs des Erhabenen auszusprechen; und ich rief: ,Es gibt keinen Gott



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außer Allah, und Mohammed ist der Prophet Allahs!' Darauf durchbohrte jene Gestalt den Mârid mit dem Wurfspeer; der Dämon schmolz und ward zu Asche. ich aber fiel von seinem Rücken und stürzte zur Erde hinab, und schließlich sank ich in ein tosendes Meer mit brandenden Wogen ringsumher. Doch da entdeckte ich ein Schiff, in dem sich fünf Seeleute befanden. Als die mich sahen, kamen sie zu mir, zogen mich in das Fahrzeug hinauf und begannen mit mir in einer Sprache zu reden, die ich nicht kannte. Darum machte ich ihnen ein Zeichen. daß ich ihre Worte nicht verstand. Sie fuhren aber weiter, bis der Tag sich neigte; dann warfen sie ein Netz aus und fingen einen großen Fisch, und nachdem sie ihn gebraten hatten, gaben sie mir zu essen. Und sie segelten immer weiter, bis sie zu ihrer Heimatstadt kamen; dort führten sie mich zu ihrem König und ließen mich vor ihm stehen. Nachdem ich den Boden geküßt hatte, verlieh jener König mir ein Ehrengewand, und da er die arabische Sprache verstand, so sagte er zu mir: ,Ich mache dich zu einem meiner Leibwächter.' Als ich nun fragte: ,Wie heißt diese Stadtpf' antwortete er mir: ,Sie heißt Hanâd, und sie liegt im Lande China.' Dann übergab der König mich dem Wesir der Stadt und befahl ihm, mir alles dort zu zeigen; die Bewohner jener Stadt waren in alter Zeit Heiden gewesen, und Allah hatte sie zu Steinen verwandelt. Ich sah mich in ihr um. und ich fand dort so viel Bäume und Früchte, wie ich noch nie geschaut hatte. Einen Monat lang hatte ich schon in ihr verweilt, da kam ich einmal an einen Fluß und setzte mich an seinem Ufer nieder. Während ich so dasaß, kam plötzlich ein Reiter des Weges und fragte: ,Bist du Abu Mohammed der Faulpelz?' Als ich die Frage bejahte, sprach er zu mir: ,Fürchte dich nicht; deine gute Tat ist uns berichtet worden!' Nun fragte ich ihn: ,Wer bist du?' und er gab mir zur Antwort:



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,Ich bin ein Bruder der Schlange, und du bist ganz nahe bei dem Orte. wo sich das Mädchen befindet, mit dem du vereint zu werden wünschest.' Darauf legte er seine Gewänder ab und bekleidete mich mit ihnen, indem er sprach: ,Fürchte dich nicht; der Sklave, der unter dir umkam, war einer von unseren Sklaven!' Dann nahm jener Reiter mich hinter sich aufs Roß und ritt mit mir in eine einsame Gegend; dort sagte er: ,Steig ab und gehe zwischen den beiden Bergen dort weiter, bis du die Messingstadt erblickst; dann mach vor ihr halt und geh nicht in sie hinein, bis ich wieder zu dir komme und dir sage, was du tun sollst.' ,Ich höre und gehorche!' erwiderte ich, stieg von meinem Platze hinter ihm ab und ging weiter, bis ich in die Nähe der Stadt kam; da sah ich, daß ihre Mauern aus Messing waren. Dann begann ich, um sie herumzugehen, um zu sehen, ob ich in ihr ein Tor fände; aber ich fand keinen Eingang zu ihr; und während ich noch um sie herumging, trat plötzlich der Bruder der Schlange wieder auf mich zu, gab mir ein Zauberschwert, das mich vor allen Menschen unsichtbar machen sollte, und ging seiner Wege. Er war erst eine kurze Weile fort, als sich auf einmal ein lautes Geschrei erhob. und da erblickte ich eine große Menge von Menschen, die ihre Augen auf der Brust hatten. Wie sie mich sahen, fragten sie mich: ,Wer bist du? Was hat dich an diesen Ort verschlagen?' Da erzählte ich ihnen, was geschehen war, und sie antworteten: ,Das Mädchen, von dem du sprichst, ist mit dem Mârid in dieser Stadt; aber wir wissen nicht, was er mit ihr getan hat. Wir gehören auch zum Volke der weißen Schlange.' Und weiter sagten sie: ,Geh zu jener Quelle und schau, wo das Wasser in die Stadt fließt, dann folge seinem Laufe, so wirst auch du in die Stadt gelangen!' Das tat ich, und so kam ich mit dem Wasser in einen unterirdischen Gang, und als ich



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wieder aus ihm hinausstieg, sah ich mich mit' en in der Stadt. Und dort erblickte ich auch die Jungfrau, wie sie auf einem goldenen Lager ruhte, unter einem Baldachin von Brokat, der rings von einem Garten umgeben war; in diesem Garten standen goldene Bäume mit Früchten aus kostbaren Edelsteinen, Rubinen, Chrysolithen, Perlen und Korallen. Sowie sie mich sah, erkannte sie mich, und nachdem sie zuvor mir den Gruß entboten hatte, sprach sie zu mir: ,Mein Gebieter, wer hat dich hierhergebracht?' Als ich ihr alles berichtet hatte, was geschehen war, fuhr sie fort: ,Wisse, dieser Verruchte hat mir in seiner übergroßen Liebe zu mir verraten, was ihm Schaden bringt und was ihm von Nutzen ist; und so hat er mich wissen lassen, daß es hier an diesem Orte einen Talisman gibt, mit dem er, wenn er will, alle Einwohner der Stadt vernichten kann, und durch ihn müssen die Ifrite ihm in allem, was er ihnen befiehlt, gehorchen. Jener Talisman befindet sich auf einer Säule.' ,Und wo ist die Säule?' fragte ich sogleich. Sie erwiderte: ,An dem und dem Orte.' Weiter fragte ich: ,Welcher Art ist jener Talisman?' Da berichtete sie: ,Er besteht aus dem Bildnisse eines Adlers, und darauf ist eine Inschrift, die ich nicht verstehe. Nimm ihn und setz ihn vor dich hin; darauf nimm eine Räucherpfanne mit glühenden Kohlen und wirf etwas Moschus hinein! Wenn dann Rauch aufsteigt, so wird er die Ifrite heranziehen; ja, wenn du das tust, so werden sie sich alle vor dir einfinden, keiner von ihnen wird fortbleiben, sie werden deinem Gebote gehorchen, sie werden alles tun, was du ihnen befiehlst. Drum auf und mache dich an dein Werk mit dem Segen Allahs des Erhabenen!' ,Ich höre und gehorche!' erwiderte ich, ging alsbald zu jener Säule und tat alles, was sie mich geheißen hatte. Die Ifrite kamen und traten vor mich hin und sprachen: ,Zu Diensten, Gebieter! Alles,



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was du uns befiehlst, werden wir tun.' Da sprach ich: ,Fesselt den Mârid, der diese Jungfrau aus ihrer Heimat entführt hat!' ,Wir hören und gehorchen!' riefen sie, eilten hin zu jenem Mârid, fesselten ihn und legten ihm feste Bande an. Dann kehrten sie zu mir zurück und sprachen: ,Wir haben dein Gebot ausgeführt.' Nun befahl ich ihnen heimzukehren; ich selber aber begab mich wieder zu der Jungfrau und berichtete ihr, was geschehen war. Und ich fuhr fort: ,Meine liebe Gattin, willst du mit mir kommen?' ,Jawohl!' gab sie zur Antwort. Darauf ging ich mit ihr durch den unterirdischen Gang hinaus, durch den ich hereingekommen war; und dann gingen wir weiter, bis wir zu den Leuten kamen, die mir den Weg zu ihr gewiesen hatten.' — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 305. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß Abu Mohammed seine Erzählung mit folgenden Worten schloß: ,Wir gingen weiter, bis wir zu den Leuten kamen, die mir den Weg zu ihr gewiesen hatten. Da sprach ich zu ihnen: ,Nun zeigt mir auch die Straße, die mich in meine Heimat führt!' Sie taten es und begleiteten mich bis zur Meeresküste; dort brachten sie mich auf ein Schiff, und da der Wind günstig war, so eilte das Fahrzeug mit uns beiden dahin, bis wir die Stadt Basra erreichten. Als nun die Jungfrau in das Haus ihres Vaters kam und die Ihren sie wiedersahen, herrschte dort große Freude über sie. Darauf beräucherte ich den Adler mit Moschus, da kamen sofort die Ifrite von allen Seiten auf mich zu und riefen: .Zu Diensten! Was wünschest du, das wir tun sollen?' Ich befahl ihnen, sie sollten alles, was sich in der Messingstadt an Geld, edlen Metallen und Juwelen fände, nach meinem Hause in



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Basra schaffen; das taten sie. Dann befahl ich ihnen, den Affen zu holen. Nachdem sie ihn gebracht hatten, in jämmerlichem und elendem Zustande, wie er war, fuhr ich ihn an: .Du Verruchter, warum hast du mich verratene' Und alsbald befahl ich den Geistern, ihn in eine Messingflasche zu sperren. Da schlossen sie ihn in eine enge Messingflasche ein und versiegelten sie über ihm mit Blei.

Ich aber lebte hinfort mit meiner Gattin in Glück und Freuden; und jetzt, o Beherrscher der Gläubigen, besitze ich kostbare Schätze und seltene Edelsteine, mit so viel Geld im Vereine, daß keine Zahl ihre Menge nennt und ihre Fülle keine Grenzen kennt; und wenn du irgend etwas wünschest, sei es Geld oder etwas anderes, so gebiete ich den Dämonen, und sie werden es dir sofort bringen. All das ist die gütige Gabe Allahs des Erhabenen!'

Der Beherrscher der Gläubigen war über seine ganze Erzählung höchlichst erstaunt; und er verlieh ihm fürstliche Gaben für sein Geschenk und erwies ihm alle Huld, die ihm gebührte.

Ferner wird erzählt


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