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Kapitel 

ERZÄHLUNGEN AUS DEM WESTSUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1922

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT DREI TAFELN

54. Surukku und Sani

***
Surukku (der Schakal) legte seine Kala-nge (Rebhuhnfallen) L) aus und erwischte auch glücklich ein Uolloni (Rebhuhn). Er trug das Rebhuhn von dannen. Auf dem Wege traf er eine Frau, die hatte viele und ausgezeichnete Ziegen. Surukku sagte: "Wie ausgezeichnet, daß ich dich treffe; nun kann ich dir gleich mein kleines Geschenk übergeben. Hier hast du ein Rebhuhn. Es wird dir gut schmecken." Die Frau nahm das Rebhuhn an.

Am anderen Morgen ging Surukku zu der Frau, die die vielen Ziegen und der er gestern das kleine Rebhuhn geschenkt hatte, und sagte zu ihr: "Guten Morgen, Frau!" Die Frau sagte: "Guten Morgen." Surukku fuhr fort: "Weißt du, ich bin der, der dir gestern das schöne Rebhuhn geschenkt hat. Hoffentlich ist es recht gut gewesen. Für ein solches Rebhuhn sollte man ein gutes Gegengeschenk erhalten. So ein Rebhuhnfang macht Mühe, während das Halten von Ziegen doch eigentlich keinerlei Arbeit macht. Man läßt sie umherlaufen. Bei den Ziegen wird alles von selbst." Darauf machte die Frau Surukku ein Gegengeschenk von einer Ziege für das eine Rebhuhn.

Surukku ging nun jeden Morgen hin und ließ sich von der Frau eine Ziege nach der anderen als Geschenk für sein Rebhuhn geben. Er erhielt für jedes Rebhuhn eine Ziege. Zuletzt blieb nur noch eine Ziege, ein großes, besonders starkes und fettes Tier übrig. Da ging er zu Sani (Kaninchen) und sagte: "Höre, Sani, wir wollen zusammen Freundschaft schließen. Ich habe da eine Gelegenheit, da



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gibt es so viele und fette Ziegen, daß ich gar nicht allein damit fertig werden kann. Wir wollen Freundschaft schließen und heute abend eine ganz besonders dicke Ziege holen." Sani sagte: "Das ist gut. Ich werde mich gern beteiligen."

Die alte Frau sah, daß sie noch eine Ziege hatte, die die schönste war. Sie ging zu ihrem Schwiegersohn und sagte: "Höre, da ist Surukku, der holt mir jeden Tag eine Ziege. Nun habe ich nur noch eine ganz große und fette Ziege. Die mag ich ihm nicht gönnen. Sicherlich wird er heute abend kommen, um sie zu holen." Der Schwiegersohn sagte: "Gut, so werde ich mich in einen Löwen verwandeln. Bringe die Ziege an einen fernen Ort und binde mich dafür da an, wo die Ziege immer abends gelegen hat. Inder Dunkelheit wird Surukku die Verwechslung nicht merken." Die Frau sagte: "Es ist gut, so wollen wir es machen."

Abends kam Surukku mit Sani, und beide holten die (vermeintliche) Ziege. Surukku führte sie vorn am Strick. Sani trieb sie hinten. Surukku sagte unterwegs: "Höre, Sani, der Gang dieser Ziege klingt gar nicht wie der Gang anderer Ziegen. Andere Ziegen gehen: kodiekodie, kodie-kodie. Diese Ziege aber geht: mula-mula-mula-mula!" Sani sagte: "Das ist ganz natürlich, denn diese Ziege ist so fett und dick, daß sie nicht anders gehen kann."

Nach einiger Zeit kamen sie an das Haus des Sani vorbei. Sani sagte: "Geh ruhig weiter, ich werde gleich nachkommen. Binde die Ziege inzwischen an deiner Haustür an. Morgen früh wollen wir sie dann schlachten." Damit ging Sani seitwärts fort und in sein Haus. Surukku ging aber mit der Ziege heim und band sie an der Haustür an. Er warf ihr trockene Gräser hin und ging mit seiner Frau schlafen.

Als Surukku und seine Frau am anderen Tage erwachten, sahen sie, daß die Ziege keine Ziege, sondern ein Löwe war. Darauf befiel sie große Angst, denn jeder, der in oder aus dem Hause wollte, mußte an dem Löwen vorbei. Surukku sagte: "So laß wenigstens meine Frau heraus, denn sie ist schwanger." Der Löwe sagte: "Sie mag gehen." Die Frau ging heraus. Surukku wollte selbst mit entschlüpfen, aber der Löwe fing und fraß ihn.

Am gleichen Morgen kam Sani vorbei. Der Löwe rief: "Binde mich doch frei." Sani sagte: "Ich würde es gern tun, aber ich bin auf dem Wege, mir meine Ziege zu holen. Wenn ich nicht schnell gehe, werde ich sie verlieren. Wenn ich dich losbinde, verliere ich viel Zeit." Der Löwe sagte: "Binde mich nur los. Ich werde dir



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eine große, dicke Ziege geben, die meiner Schwiegermutter gehört." Sani sagte: "Das ist etwas anderes." Er band den Löwen los und erhielt dafür die große dicke, letzte Ziege der Frau als Geschenk.


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