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Kapitel 

ERZÄHLUNGEN AUS DEM WESTSUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1922

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT DREI TAFELN

41. Der Unzufriedene

Es waren ein Mann namens Mpie, der hatte einen sehr großen Bart, und seine Frau Nieffla. Beide waren ganz arm. Einmal hatten sie während drei Tagen nichts gegessen, und da waren sie vor Hunger dem Tode nahe. So schenkte ihnen denn eine gute Familie eine Schüssel mit Fognon (ein kleines Korn) und eine Schale mit Milch, damit die armen Leute nicht zu sterben brauchten.

Die Frau Nieffla wollte sich sogleich an die Bereitung des Milchbreies machen. Sie geriet aber mit ihrem Manne in Streit. Sie stritten sich sehr. Als der Streit am heftigsten lohte, schrie Mpie: "So, nun esse ich von diesem geschenkten Zeug nichts. Ich werde überhaupt nichts mehr essen. Ich will sterben. Die alten Verstorbenen mögen mich töten, wenn ich noch von diesen Speisen etwas genieße." (Die Bammana schwören nicht bei Gott, sondern bei den alten Verstorbenen.) Als Mpie so geschworen hatte, befiel die anderen Angst, und Leute kamen herbei und baten ihn, doch den Streit nicht so ernst zu nehmen, sondern zu essen, damit er nicht verhungere. Er sagte aber: "Nun habe ich das einmal bei den alten Verstorbenen geschworen; nun tue ich es nicht mehr."

Frau Nieffla kümmerte sich nicht mehr groß um diese Sache. Sie machte ihren Milchbrei fertig, stellte ihn in eine Ecke und ging auf den Markt. Kaum war sie fort, so wollte Mpie essen. Er hatte solchen Hunger, daß er nun essen mußte. Damit die Sache nun aber ja nicht etwa auffalle und damit seine Frau nichts merke, nahm er die Schale mit dem Milchbrei nicht in die Höhe, sondern er beugte sich über sie und schlürfte ein gut Teil fort. Dann stand er auf, ging zur Seite und tat so, als ob nichts geschehen sei. Er hatte aber nicht gemerkt, daß er seinen Bart in den Milchbrei gestippt hatte und daß der nun weiß war. Das wußte er nicht.

Nachher kam Frau Nieffla heim. Sie sah die Milch im Barte ihres Mannes. Sie sah in die Kalebasse, in der ein gut Teil fehlte. Sie sagte: "Eh! In meiner Schale fehlt etwas von dem Milchbrei, den ich bereitet habe. Hast du vielleicht doch davon gegessen?"



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Mpie sagte: "Ich habe geschworen, daß ich nicht davon essen würde, also habe ich auch nicht davon gegessen." Frau Nieffla sagte: "Ich achte nicht auf Schwüre. Der Bart sagt mir mehr." Mpie fuhr mit der Hand den Bart herab, sah, daß von dem Milchbrei darin war, brauste auf und schrie seine Frau an: "Jawohl, ich habe den Acker bestellt, und du hast mir dabei nicht geholfen!"~

Darauf schenkte eine andere Familie dem Ehepaar einen ganzen Speicher voller Hirse. Mpie sagte zu Nieffla: "Frau, nimm einen Korb, wir wollen aus unserem Speicher Hirse holen." Die Frau nahm einen Korb und folgte ihm. Der Mann stieg in den Speicher, füllte den Korb. Dabei furzte er. Dann furzte er zum zweiten Male. Dann furzte er zum dritten Male. Die Frau sagte nichts. Sie nahm den gefüllten Korb und trug ihn schweigend heim.

Daheim machte sie einen guten Brei, und als es Essenszeit war, nahm sie die Schüssel mit dem Brei und trug sie dahin, wo der Mann war. Sie kniete nieder (nach alter Sitte) und reichte ihm den Brei. Dabei aber ließ sie einen sorgsam aufgehaltenen Furz streichen. Voller Wut schrie Mpie: "Du unflätiges Geschöpf! Du ekelhaftes, übelriechendes Wesen du! Weißt du denn gar nicht, was sich gehört?" Die Frau Nieffla aber sagte: "Ich denke, ich bin nicht schuldig. Ich denke, es ist einer von den Furzen, die du heute morgen im Speicher losgelassen hast und die uns hierher gefolgt sind."

Solches ist die Art der Bammanafrauen!


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