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Kapitel 

ERZÄHLUNGEN AUS DEM WESTSUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1922

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT DREI TAFELN

40. Bebiere

In einem Dorfe wohnte ein Mann namens Bebiere (d. h. soviel: "Wie du willst"). Der hatte seinen Namen daher bekommen, daß



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er immer, wenn einer auch noch so freundlich seinen guten Tag entbot oder ihm Tabak anbot oder ihm ein Geschenk machte, unwirsch "bebiere" antwortete. Es war ein Mann, der für sich lebte, seinen Acker weitab vom Dorfe an einer Straße angelegt hatte, der niemand störte, aber auch von niemand gestört sein wollte.

In dem gleichen Dorfe wohnte eine Frau, die war wohlhabend, sprach und versprach in einem fort gute Sachen, aber sie hatte ein schlechtes Herz. Und das konnte man an folgendem (Ereignis) sehen.

Diese Frau hatte einen Sohn, der war seit 15 Jahren auf Reisen, und in all der Zeit hörte sie nichts von ihm. Als er 15 Jahre fort war, ward sie eines Tages neugierig, diesen Bebiere kennenzulernen, von dem alle Leute soviel sprachen. Sie machte also eine gute Speise und legte einen vorzüglich bereiteten Fisch oben darauf. Mit dieser Gabe machte sie sich auf den Weg und kam auch an den Acker an der Straße, den Bebiere bearbeitete. Sie ging auf den Mann zu und sagte: "Guten Tag." Der Mann sagte: "Bebiere." Sie sagte: "Ich habe eine Schüssel mit Speise gemacht. Willst du sie essen?" Der Mann sagte: "Bebiere; du kannst es ja da an den Butterbaum stellen. Jetzt muß ich erst fertigarbeiten." Die Frau sagte: "Ich habe aber Eile." Er sagte: "Wenn es wegen der Kalebasse ist, die kann ich dir heute abend wiederbringen." Darauf stellte die Frau die Schüsseln hin und ging.

Nach einiger Zeit kam der Sohn der Frau vorbeigewankt, der jetzt 15 Jahre auf Reisen war. Er sah Bebiere und sagte: "Guten Tag, Bebiere, kannst du mir nicht etwas zu essen geben? Etwa ein paar Erdnüsse? Ich sterbe vor Hunger!" Bebiere sagte: "Da unter dem Baum steht eine Kalebasse mit Speise. Die iß!" Der Bursche aß die Hälfte aus und stellte den Rest hin. Er sagte: "Ich danke dir." Bebiere sagte: "Iß nur alles!" Darauf aß der Bursche alles und sagte: "Ich danke dir, du hast mich gerettet; ich will ins Dorf gehen!" Der Mann sagte: "Bebiere. Geh!"

Der Bursche ging heim. Die Mutter sah ihn. Sie hatte gerade Kalebassen in der Hand. Als sie den Sohn erblickte, warf sie sie fort; sie begrüßte den Sohn lachend. Der Sohn sagte: "Mutter, laß das Lachen. Ich fühle mich plötzlich sehr krank!" Die Mutter stutzte. Sie sagte: "Bist du bei Bebiere vorbeigekommen?" Der Sohn sagte: "Ja." Die Mutter sagte: "Hast du etwa bei ihm etwas gegessen?" Der Sohn sagte: "Ja, er gab mir ein Gericht von Fisch. Das aß ich ganz auf!" Da schlug sich die Mutter entsetzt auf die Seiten: "Ach, das war mein Gericht!" Sie suchte eilend dem Sohn



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ein Mittel zu geben. Aber das Unwohlsein wuchs und am anderen Morgen war er tot.

So hatte die Frau mit den guten Worten im Mund und den schlechten Gedanken im Herzen mit dem, was sie dem mürrischen fremden Manne zugedacht hatte, den eigenen Sohn getötet.


Copyright: arpa, 2015.

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