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Kapitel 

ERZÄHLUNGEN AUS DEM WESTSUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1922

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT DREI TAFELN

23. Tauschen

Eine alte Frau (Mussu Koroni) hatte einen Sohn. Der Sohn hatte zwei Söhne, welche kleine Buben waren. Der Sohn starb und ließ der alten Frau die beiden Enkelkinder zurück. Die alte Frau sorgte für die Kinder. Eines Tages fand sie im Busch zwei kleine Vögelchen. Sie nahm sie mit nach Hause und gab jedem Kind ein Vögelchen zum Spielen. Das eine Kind nahm das Vögelchen sogleich, warf es ins Feuer und aß es, als es geröstet war, auf.

Der andere Knabe nahm sein Vögelchen und ging damit zum Numu. Er gab das Vögelchen dem Numu. Der Numu briet es und aß es. Dann begann der Knabe zu weinen und sagte: "Du hast mein Vögelchen gegessen." Um ihn zu beruhigen, gab der Schmied ihm ein Messer.

Der Knabe ging mit seinem Messer von dannen und kam zu Leuten, die brachen mit den Händen Bambus. Der Knabe sagte: "Warum brecht ihr den Bambus mit den Händen? Hier nehmt mein Messer!" Die Leute nahmen das Messer und arbeiteten damit. Nach einiger Zeit zerbrach das Messer. Da begann der Knabe zu



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weinen und sagte: "Ihr habt mein Messer zerbrochen." Um ihn zu beruhigen, gaben ihm die Leute einen Korb, den sie aus Bambusstreifen geflochten hatten.

Der Knabe ging mit dem Bambuskorb von dannen. Er kam an einer Frau vorbei, die sammelte Schifrüchte (=segusila) und trug sie in ihrem geschürzten Kleide heim. Der Knabe sagte zu der Frau: "Weshalb trägst du das in deinem Kleide? Hier nimm meinen Korb" (=sagi). Die Frau legte die Schifrüchte in den Sagi und trug sie zum Dorf. Sie holte mehrmals Schifrüchte. Dann zerbrach der Korb an einer Stelle und bekam ein Loch. Da begann der Knabe zu weinen und sagte: "Jetzt hast du meinen Korb zerbrochen." Um den Knaben zu beruhigen, gab die Frau ihm einen Schikuchen.

Der Knabe ging mit seinem Schikuchen von dannen und kam an einem Baum vorbei, der hatte einen sehr dürren und trockenen Stamm. Der Knabe sagte: "Gott hat dich ganz dürr und trocken gemacht, da will ich dir etwas von meiner Schibutter abgeben. Er begann den Stamm mit der Schi einzureiben. Zuletzt war die Schi verbraucht. Da begann der Knabe zu weinen und sagte: "Nun hast du meine Schi verbraucht." Um den Knaben zu beruhigen, warf der Baum ein ordentliches Stück trockenen Holzes herunter.

Der Knabe ging mit seinem Holz von dannen und kam an einer Genossenschaft von Diula vorbei. Die Diula saßen mit übergeschlagenen Armen da und froren, denn es war kalt, und sie hatten kein Feuer. Der Knabe gab ihnen das Holz hin und sagte: "Nehmt es. Macht euch ein Feuer, damit ihr nicht so friert." Die Diula nahmen das Holz, machten ein Feuer und erwärmten sich. Nachher war aber das Feuer heruntergebrannt und das Holz verbraucht. Da begann der Knabe zu weinen und sagte: "Ihr habt mein Holz verbraucht." Um den Knaben zu beruhigen, gaben die Diula ihm einige Handvoll Salz.

Der Knabe nahm sein Salz und ging damit von dannen. Nach einiger Zeit kam er an einen Fluß, und da er Durst hatte, schöpfte er daraus und trank. "Er sagte: Oh, du bist so ein großer Fluß und dein Wasser schmeckt nicht ein wenig nach Salz. Ich werde dir mein Salz geben." Der Knabe warf sein Salz in das Wasser. Das Wasser nahm das Salz und führte es von dannen. Da weinte der Knabe und sagte: "Ach, du hast mein Salz fortgenommen. Nun habe ich kein Salz mehr." Das Wasser führte ihm, um ihn zu beruhigen, einen großen Fisch zu.



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Der Knabe nahm den Fisch und ging von dannen. Nach einiger Zeit kam er an einem König vorbei, der haschte nach Torri (wahrscheinlich Taschenkrebse). Sie liefen aber immer schnell fort. Der Knabe gab ihm seinen Fisch und sagte: "Du mußt ihnen etwas hinhalten, sonst halten sie nicht an." Der König nahm den Fisch, warf den Torri Brocken davon hin, fing sie und hatte so ein großes Vergnügen. Endlich war der Fisch zerrissen und ganz verbraucht. Da fing der Knabe an zu weinen und sagte: "Du hast meinen Fisch verbraucht. Nun habe ich keinen Fisch mehr." Um den Knaben zu beruhigen, gab ihm der König Sklaven, Ochsen, Gold usw.

Der Knabe ging mit seinen Schätzen von dannen und kam nach Hause. Die Großmutter fragte: "Wie bist du zu alledem gekommen?" Der Knabe sagte: "Das hat mir alles mein Vögelchen verdient. Du hast damals meinem Bruder ein Vögelchen geschenkt und mir ein Vögelchen geschenkt. Mein Bruder hat sein Vögelchen gegessen. Mein Vögelchen hat mir viel verdient." Da sagte die Großmutter zu dem anderen Knaben: "Du weißt nichts mit deinen Sachen anzufangen. Dein Bruder aber ist verständig."


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