Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

DÄMONEN DES SUDAN


ALLERHAND RELIGIÖSE VERDICHTUNGEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



Atlantis Bd_07-0004 Flip arpa

TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

29. Gogobirri (Krieg zwischen Gobir und Kororofa)

Serki Gobirri Bauwa Dan Goinki war ein großer König (unter den Alledjenu); er war ein großer König wie Firra-una. Er war der erste Gogobirri und war ein Alledjenu, der im Busch lebte. Bauwa Dan Goinki war aber der erste König des Gobirlandes. Nun führte damals der Serki von Kororofa gegen den Serki von Gobir (also des ältesten Haussastaates) viel Krieg. Die Jukum von Kororofa gewannen aber stets den Sieg über die Gobirawa. Der Serki von Gobir wußte nicht, was er gegen die Jukum und gegen den Serki von Kororofa unternehmen sollte. Er ging eines Tages in den Busch und bat den Alledjenu Gogobirri: "Alledjenu Gogobirri! Ich bitte dich! Ich bitte dich! Ich bitte dich! Hilf mir! Hilf mir gegen die Jukum!"Es stand da aber eine alte, alte, große, große Kuka (Baobab).

In dieser alten, alten Kuka wohnte Gogobirri. Als der Serki eines Tages nicht mehr wußte, was er noch weiter tun könne, um in dem Krieg gegen Kororofa zu siegen, ging er in den Busch und bat wieder den Alledjenu Gogobirri: "Hilf mir! Hilf mir gegen Kororofa!" Dann nahm er einen großen Mahlstein der Weiber auf seinen Kopf und ging damit zu dem Stamme des Kuka. Der König setzte sich mit dem Mahlstein auf dem Kopf unter die Kuka. So saß er sieben Jahre und neun Monate immer mit dem Mahlstein (Dutschinika) auf dem Kopfe unter dem Baum.



Atlantis Bd_07-367 Flip arpa

In dieser Zeit von sieben Jahren und neun Monaten ward dem König von dem schweren Mühlstein das Schädeldach flach eingedrückt. Es entstand ihm auf dem Kopf ein großes Loch, und er mußte später einen Turban (ruoni) tragen. Der König brachte an dem Baume dem Alledjenu viele Opfer. Der König opferte: hundert schwarze Bullen, hundert schwarze (männliche) Affen, hundert schwarze Eselhengste, hundert schwarze Pferdehengste, hundert schwarze Männer, hundert schwarze männliche Hunde, hundert schwarze Ziegenböcke, hundert schwarze Schafböcke. Alle diese Tiere opferte er an dem Stamm der Kuka. Der König sprach nur: "Ich opfere dir diese hundert Bullen." Er sprach: "Ich opfere dir diese hundert männlichen schwarzen Affen." Er sprach: "Ich opfere dir diese hundert schwarzen Eselhengste"usw. (Er bat also nicht mehr viel, sondern brachte nur die Opfer dar.)

Aber der König brauchte die Tiere und Menschen, die er opfern wollte, nicht heranbringen zu lassen. Der König brauchte die Tiere und Menschen, die er opfern wollte, nicht totschlagen zu lassen. Der König sagte nur: "Ich opfere dir diese hundert schwarzen Bullen." Dann lagen die hundert schwarzen Bullen auch gleich tot unter dem Baume. Der Alledjenu trank dann das Blut der Tiere und Menschen, wenn sie tot unter dem Baobab niedergefallen waren. Die Stelle, wo die Kuka des Alledjenu Gogobirri stand, war (und ist heute noch) kein fruchtbares Erdiand, sondern es ist ein Felsen. Die Kuka des Alledjenu Gogobirri hatte auch keine Wurzeln und war auf dem Felsen nicht festgewachsen. Sie stand (locker und zusammenhanglos) da. Sie ging und geht heute noch umher. Damals aber ging sie aufrecht umher. (Siehe dagegen wie es später ward und heute ist.)

Nachdem der König das Opfer gebracht hatte (siehe oben) und nachdem sieben Jahre und neun Monate verflossen waren, sah er den Alledjenu Gogobirri (will sagen, daß dieser den König nun erhörte und sich ihm zeigte). Der Alledjenu hatte einen Maschi (das ist einen Speer) in der Hand. Der Alledjenu Gogobirri sagte zum König: "Geh heim! Morgen ist Freitag! Ich will am Freitag mit dem Speer in die Stadt kommen. Sage den Männern und Frauen, daß ich kommen werde. Sage den Männern und Frauen, daß ich schreien werde. Sage den Männern und Frauen, daß sie nicht weglaufen sollen, wenn ich komme und schreie. Sage ihnen, daß ich ihnen nichts Schlechtes tun werde." Der König sah den Alledjenu. Der König hörte den Alledjenu. Der König nahm den Mahlstein vom Kopf und legte ihn auf die Erde. Niemand hat den Stein je wiedergesehen.



Atlantis Bd_07-368 Flip arpa

Der König ging nach Hause. Der König sagte zu den Männern und Frauen: "Morgen kommt unser großer Freund, der Alledjenu. Erschreckt nicht und lauft nicht fort, wenn er kommt und wenn er schreit."Am andern Tage kam der Alledjenu dann in die Stadt. Der König war auf dem Markt. Der Alledjenu traf den König auf dem Markt. Der Alledjenu hielt den Speer hoch in der Luft und schrie. Alle Leute erschraken. Denn alle Männer und Frauen sahen nur den hochgehaltenen Speer und hörten nur die Stimme des Alledjenu. Aber den Alledjenu selbst sah niemand. Die Männer und Frauen erschraken und sprangen auf, um wegzulaufen. Der Alledjenu sagte zu dem König: "Sage zu allen Leuten, sie sollen nicht erschrecken, sondern sie sollen niedersitzen."

Alle Leute saßen nieder. Der Alledjenu sagte aber zu dem König: "Von jetzt ab werde ich bei dir sein. Von jetzt ab werde ich mit dir sein. Darum darfst du von jetzt ab nicht mehr nach rechts und nach links sehen. Du darfst den Kopf nicht wenden und darfst ihn nur nach vorn halten und nach vorn blicken. Wenn du das einhältst, wirst du durch mich jeden Menschen und jeden Widersacher überwinden." — Von dem Tage an blieb der Alledjenu Gogobirri in dem Gehöft des Königs.

Wenn der König von nun an in den Krieg zog, so ging er zu dem Bori (Alledjenu). Er faßte dann den Speer des Alledjenu Gogobirri und sagte: "Ich will in den Krieg gehen! Komm, hilf mir!" Dann ging der Alledjenu voran an der Spitze der Leute. Und alle Leute folgten ihm. Der König konnte aber nun in jedes Land gehen, in welches er wollte. Er konnte Krieg führen, gegen wen er wollte. Der König gewann überall unter der Führung und mit Hilfe des Alledjenu Gogobirri den Sieg. So kam es, daß niemand es mehr wagte, gegen den Gobirkönig Krieg zu führen. Alle Leute im Gobirland waren zufrieden und glücklich.

Der Adjingi der Bori (des Gobirlandes) kam eines Tages zum König und sagte: "Mein König! Du bist der König aller Leute. Aber wir bitten dich, du möchtest uns gestatten, deinen Alledjenu in unsere Mitte zunehmen, damit er mit uns sei!"Der König sagte zum Adjingi: "Ich kann diesen Alledjenu nicht von mir lassen und nicht verleihen. Denn ich habe selbst sehr gelitten, bis ich ihn gewann." Der Adjingi sagte: "Was du dem Alledjenu geopfert hast, ist nichts anderes als was wir sind, nämlich dein Eigentum. Darum bitten wir dich, leihe uns diesen Alledjenu Gogobirri!" Der König sagte: "Ich kann diese Bitte nicht erfüllen, denn was der Alledjenu verzehrt hat, bis ich



Atlantis Bd_07-369 Flip arpa

ihn gewann und seit er bei mir ist, das könnt ihr nicht aufbringen. Ihr würdet dem Alledjenu nicht genug geben können, und er würde von uns gehen!" Der Adjingi sagte: "Wenn du nicht den großen Alledjenu geben willst, so gestatte, daß die Kinder deines Alledjenu mit uns spielen." Der König sagte: "Darüber kann ich selbst nichts sagen. Ich will mit dem Alledjenu selbst sprechen."Der König ging zum Alledjenu Gogobirri und sagte: "Der Adjingi der Bori ist zu mir gekommen. Er wollte erst, daß du zu den Leuten gehst. Ich habe dem Adjingi gesagt, daß die Borileute dir nicht genug zu essen geben können. Nun bittet mich der Adjingi, daß deine Kinder mit den Bori spielen sollen. Was meinst du hierzu ?" Der Alledjenu Gogobirri sagte: "Ich kann selbst nicht mit den Leuten gehen, aber meine kleinen Jungen können mit ihnen sein." Der König ging zum Adjingi zurück und sagte: "Der Alledjenu selbst will nicht zu euch kommen. Aber seine kleinen Jungen können mit euch spielen. Ich selbst kann auch nichts anderes tun, als was der Alledjenu will. Von jetzt ab mögen also seine Jungen zu euch kommen, wenn ihr (im Kultus) die Goye streicht."

Der Alledjenu sagte zu dem König weiter: "Also meine Kinder mögen im Bori tanzen. Aber jedes meiner Kinder soll, wie ich selbst, mit einer Lanze (Maschi) gehen. Jeder, der mir den Tanz (zur Ehre) tanzen will, muß einen Speer in den Händen haben."

Wenn seitdem der Alledjenu Gogobirri einen Menschen befällt, läuft der mit einem Maschi, einem Speer in der Hand, zu einer Kuka; an der Kuka führt er einen (pantomimischen) Tanz auf, und verzehrt von den Blättern des Baobab-Baumes.

Als der König der Gobirawa, Bauwa Dan Goinki starb, stürzte die große Kuka des Alledjenu Gogobirri, die bis dahin immer stehend auf dem Felsen umhergewandert war, um. Sie lag nun da. Sie ist aber nicht tot. Sie wandert heute noch mit allen Blättern (also frisch belaubt) auf der Felsplatte umher. Sie geht aber nicht mehr stehend, sondern sie geht seit dem Tode des Königs liegend.

24 Atlantis VII. Band 369


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt