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Kapitel 

DÄMONEN DES SUDAN


ALLERHAND RELIGIÖSE VERDICHTUNGEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

28. Scherandeli (Krieg Nukuni mit Kisra)

Diese vierte Gruppe von Gottheiten ist für afrikanische Verhältnisse durchaus verständlich. Es ist eine Gruppe von Gottheiten, die aus der Projektionsverzerrung historischer Überlieferungen erstanden ist. Inwieweit hierbei der Islam mitgewirkt, überhaupt allein anregend oder aber nur Beitrag liefernd, muß der Spezialvergleichung überlassen werden. Hören wir hier die verschiedenen Legenden:

Der Alledjenu Scherandeli (auch wohl Scherandebi) ist weit her aus dem Osten gekommen. Der Alledjenu war in Gabar, ehe Kisra (der Perserkönig) nach Westen kam und König in Karischi und in Bussa (am Niger) wurde. Damals war der Alledjenu Scherandebi Dan Scherbo in einem Stein. Das war in der Zeit, als Anabi Nuhu immer mit Kisra focht. Jedesmal wenn Anabi Nuhu (Noa) damals mit Kisra zusammenstieß, siegte Anabi Nuhu ob. Kisra verlor aber immer und immer wieder viel Volk. Kisra konnte nicht gegen den Anabi Nuhu fechten, ohne geschlagen zu werden.

Kisra rief alle seine Leute zusammen und sagte zu ihnen: "Immer siegt dieser Anabi Nuhu. Dieser Anabi Nuhu siegt immer wieder. Wie können wir nur widerstehen? Was sollen wir machen, um diesem Unglück zu widerstehen? Geht hin und seht nach einer



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Sache, die wir in unsere Stadt stellen können, damit wir Anabi Nuhu schlagen." Die Leute Kisras sagten: "Wir wissen nicht, was zu tur ist. Nur das, was du selbst bringen wirst, wird gut sein."

Der König Kisra sagte: "Wenn ihr auch nichts anderes wißt, so wollen wir zu dem Felsen gehen, der dort ist." Die Leute sagten: "Wir wollen so tun, wie du sagst." Der König Kisra ging mit allem Volke dahin. Als der König mit seinen Leuten angekommen war, sagte er: "Wir wollen unsere Stadt hier aufbauen. Das wird uns vielleicht helfen." Darauf ward die Stadt Kisras um den Stein herum aufgerichtet. Drei Monate nachher kam Anabi Nuhu und kämpfte wieder mit dem König Kisra. Der König Kisra und seine Leute wurden aber wieder von Anabi Nuhu geschlagen.

Danach ging Kisra zu dem Stein und sagte: "Stein! Wir haben dir unsere Stadt hier aufgebaut. Ich bitte dich! Ich bitte dich! Ich bitte dich! Laß nicht zu, daß Anabi Nuhu noch einmal siegt!" In dem Stein war Alledjenu Scherandebi. Scherandebi sagte: "Dieses ist schon recht. Aber wenn ich euch nun helfe, werdet ihr mir nachher etwas Schlechtes tun." Kisra sagte: "Nein, wir sind nicht von dieser Art. Wie sollten wir dir nachher Schlechtes tun, wenn du uns jetzt hilfst, wenn wir auch nur Menschen sind? Wir sind nur Menschen. Du aber bist ein Alledjenu. Wie sollten wir dir da Schlechtes antun können?"Scherandebi sagte: "Dann ist es gut. Bringt mir aber mein Essen." Kisra sagte: "Sage mir, welches Essen dir angenehm ist." Scherandebi sagte: "Gib mir roten Hahn (djen sakara) , roten Ziegenbock (djen akuen), roten Bullen (djen sa), roten Hengst (djen doki), roten Mann (djen mutum), rotes Kleid (djen riga) und roten Stoff (djen sani). Dieses ist mir angenehm."Der König Kisra sagte: "Was du an Opfern verlangst, werde ich dir geben. Hilf uns nur, dann soll nie etwas fehlen."

Der König Kisra ging und opferte am Stein: roten Hahn und roten Ziegenbock, roten Bullen und roten Hengst, roten Mann und rotes Kleid und roten Stoff. Das Blut der Opfertiere goß Kisra über den Stein. Den Stoff band er um den Felsen. Dann errichtete er ein Haus darüber. Als er geopfert hatte, sagte Kisra: "Nun habe ich dir alles gegeben, wie du es verlangt hast." Der Alledjenu Scheranclebi sagte: "Du hast recht getan! Nun werden wir immer gemeinsam gegen den Anabi Nuhu kämpfen!"

Sieben Tage nachher kamen Leute an und riefen: "Der Anabi Nuhu kommt wieder! Der Anabi Nuhu kommt wieder!" Scheranlebi fragte Kisra: "An welchem Tage wird denn Anabi Nuhu hier



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sein?" Der König Kisra sagte: "Der Anabi Nuhu wird übermorgen hier sein!" Der Alledjenu Scherandebi ergriff seinen Speer. Der Speer Scherandebis war stark wie ein Palmbaum. Er war lang wie ein Palmbaum. Scherandebi stieß den Speer in der Mitte der Stadt in den Erdboden. Der König Kisra opferte am Speer roten Hahn und roten Ziegenbock, roten Bullen und roten Hengst, roten Mann und rotes Kleid und roten Rock. Scherandebi nahm das Opfer und sagte: "Wenn der Anabi Nuhu je kommt, so trage den Speer hinaus und stoße ihn vor der Stadt in den Boden!"

Als Anabi Nuhu kam, rief der Alledjenu Scherandebi alle Männer Kisras und sagte: "Nehmt alle eure Waffen! Kommt mit mir! Folgt mir gegen Anabi Nuhu!" Alle Leute kamen zusammen. Alle Männer nahmen ihre Waffen. Als es acht Uhr morgens (ahansi) war, kam Anabi Nuhu mit seinen Leuten heran. Scherandebi sagte zu den Leuten Kisras: "Kommt nun! Heute werden wir gegen den Anabi Nuhu kämpfen!" Kisra zog mit seinen Leuten hinaus. Zweimal trafen die Leute Anabi Nuhus und Kisras zusammen. Dann ward Anabi Nuhu geschlagen. Anabi Nuhus Leute liefen weit weg. Seitdem kämpfte Kisra mit Scherandebi gegen viele Städte. Wenn der König Kisra mit seinen Leuten auszog, ging Scherandebi vor ihm her und schwang den Speer. Also gewann König Kisra die Siege, und so ward Kisra ein großer König. Anabi Nuhu wurde in den Kriegen gegen König Kisra getötet, weil der Alledjenu Scherandebi mit König Kisra war. Es lebte nur noch der Bruder des Anabi Nuhu.

Kisra siegte in den Kriegen. Kisra dachte nicht mehr an den Alledjenu Scherandebi. Kisra gab dem Alledjenu Scherandebi nicht mehr das, was der Alledjenu zu essen haben wollte. Kisra vergaß den Alledjenu Scherandebi. Scherandebi ging von Kisra weg. Scherandebi ging zu dem Bruder Anabi Nuhus. Scherandebi sagte zum Bruder Anabi Nuhus: "Komm mit mir. Ich will dir vorangehen. Kämpfe gegen den König Kisra. Ich will dir helfen!" Der Bruder des Anabi Nuhu sagte: "Es ist gut! Ich komme!" Der Bruder des Anabi Nuhu kam heran. Er kämpfte gegen König Kisra. Das war (das heißt der Krieg) in Gabar. Der Bruder Anabi Nuhus siegte aber mit Scherandebi über König Kisra.

König Kisra ward aus Gabar vertrieben. König Kisra floh nach Karischi (in der Provinz Kotangora). König Kisra floh mit allen seinen Reitern nach Karischi. Der Bruder Anabi Nuhus folgte ihm eine Zeit lang nach. Dann kehrte Anabi Nuhus Bruder zurück und zog nach Gabar zurück. Anabi Nuhus Bruder blieb dann in Gabar.



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Als Anabi Nuhus Bruder wieder nach Gabar zurückkam, sagte er: "Der Alledjenu Scherandebi hat mir zwar meinen Bruder, den Anabi Nuhu, getötet. Jetzt hat Scherandebi mir aber einen großen Sieg über Kisra gegeben. Darum will ich jetzt nicht mehr vorn Alledjenu Scherandebi lassen. Ich will dem Alledjenu Scherandebi alles geben, was er haben will!"

Der Bruder Anabi Nuhus gab dem Alledjenu Scherandebi alles, was der Alledjenu haben wollte; und wenn heute ein Mensch vorn Alledjenu Scherandebi gepackt und niedergeworfen wird, so weiß man, daß das ein Nachkomme und Verwandter des Bruders des Anabi Nuhu ist.

Ferner sagt die Volksüberlieferung: der Alledjenu Scherandebi habe überhaupt erst den Speer in die Welt gebracht. Der Alledjenu Scherandebi sei älter als der Alledjenu Gogobirri.

Wen Scherandebi packt, dem schwellen das Gesicht und vor allem die Augen an, wie einem Menschen, der geschlagen worden ist.


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