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Kapitel 

DÄMONEN DES SUDAN


ALLERHAND RELIGIÖSE VERDICHTUNGEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

27. Ubandauaki (auch Leprakrankheit)

Ubandauaki ist ein Alledjenu, der aus dem Busch im Osten kommt. Im Osten war damals ein Serki Samari vom Araberstamm. Der war ein Jäger. Eines Tages ritt dieser Serki Samari umher. Er kam an einen Gandschi-Baum. In dem Gandschi-Baum traf er den Alledjenu Ubandauaki. Serki Samari ritt an dem Baum vorbei. Da hörte er ein Geräusch in dem Baum. Serki Samari hielt an und fragte: "Was ist in dem Baum? Ist da in dem Baum ein Mensch oder ein Alledjenu?" Ubandauaki sagte: "Ich bin ein Alledjenu. Ich kann mich aber nicht bewegen, denn ich habe keine Hände und keine Füße." Der Serki Samari fragte den Ubandauaki: "Wie bekommst du denn dein Essen, wenn du keine Hände und Füße hast?" Der Alledjenu sagte: "Mein Essen bekomme ich hier von Allah! Wenn ihr mir aber Essen geben wollt, bin ich bereit, auch mit dir in die Stadt zu kommen." Der Serki Samari sagte: "Wir wissen aber nicht, was du ißt. Willst du uns das nicht sagen ?" Der Alledjenu sagte: "Nimm mich nur mit in die Stadt. In der Stadt werde ich dir dann schon sagen, was ich brauche." Serki Samari fragte: "Bist du denn Krieger, und bringst du den Krieg für andere ?" Der Alledjenu sagte: "Ja, ich bin Krieger." Serki Samari sagte: "Dann ist es gut. Dann werde ich dich mitnehmen, und du mußt uns helfen." Der Serki Samari nahm den Alledjenu. Der Serki Samari brachte den Alledjenu mit in die Stadt.

In der Stadt sagte der Alledjenu: "Opfere mir von den Bingi (das sind federlose große Hühner, die in Nupe Gbighi; in Joruba Okuibe heißen) die Hähne. Opfert mir schwarze Ziegenböcke! Opfert mir schwarze Bullen! Opfert mir Gauta (grüne bittere Tomaten), schmutzige, zerrissene, alte Kleider, Rinderschwänze (Isiga-n-san[u]), kleine Schultersäcke (djika)! Alles das gebt mir. Wenn du mir von alledem gut opferst, so werde ich dich, wenn du in den Krieg ziehst, in allem Nötigen unterrichten, und so wirst du selbst reichliches Essen unterwegs haben und viel (Beute) gewinnen." Der Serki Samari sagte: "Also das ist es, was du willst!" Der Alledjenu sagte: "Ja, das ist es!"

Der Serki Samari sagte aber zu dem Alledjenu: "Abokina, wenn du das Essen so wie du sagst haben mußt, dann nimm nur einen Stock, zieh umher und bettle bei den Leuten, daß sie dir dies gute Essen geben. So gutes Essen, wie du es haben willst, habe ich nicht." Der Alledjenu sagte: "Ich habe keine Hände und Füße, ich



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kann also nicht selbst umhergehen. Ich kann nur einem Menschen in den Kopf gehen und kann durch ihn einen andern um Essen bitten, wenn ich es sonst nicht bekomme." Der Serki Samari sagte: "Dann mußt du es schon so machen, denn ich kann dir das, was du willst, nicht geben." Der Alledjenu Ubandauaki sagte: "Es ist deine Sache. Das ist nicht mehr meine Sache"(soll so viel heißen: du hast nun für die Folgen die Verantwortung).

Darauf verließ der Alledjenu den Serki Samari. Der Alledjenu konnte nicht gehen, denn er hatte keine Füße und Hände (konnte also nicht körperlich gehen). Der Alledjenu Ubandauaki befiel aber einen andern Menschen. Als der andere Mensch von Ubandauaki befallen wurde, wurde er krank. Der Mensch sagte: "Was ist das mit mir?" Der Alledjenu schlug ihm rechts und links die eigenen Hände. Der Alledjenu verzerrte ihm das Gesicht. Der Mensch sagte: "Was ist das mit mir? Ich bin krank. Wie bin ich krank geworden?" Ubandauaki sagte zu ihm: "Ich, der Alledjenu Ubandauaki, bin in dir!" Der Mann sagte: "Wenn du in mir bist, so muß das gut sein, denn du bist ein Alledjenu. Was kann ich nun aber für dich tun? Was willst du von mir?" Ubandauaki sagte: "Ich bin zu dir gekommen, weil ich mein Essen haben will. Opfere mir, dann wirst du wieder gesund werden. Opfere mir Bingihahn, schwarzen Ziegenbock, schwarzen Bullen, grüne bittere Tomaten, Rinderschwänze, schmutzige, zerrissene, alte Kleider, kleinen Schultersack. Opfere mir das und ich werde von dir gehen. Opfere mir das und ich werde die Krankheit wieder von dir nehmen." Der Leprakranke (Kuturu) sagte: "Ich will sehen, was ich tun kann. Ich will dir dein Opfer geben."

Der Leprakranke nahm was er hatte. Der Leprakranke ließ sich von seiner Familie alles geben, was er selbst nicht hatte. Der Leprakranke opferte einen Bingihahn, einen schwarzen Ziegenbock, einen schwarzen Bullen, grüne bittere Tomaten, schmutzige, alte, zerrissene Kleider, Rinderschwänze und einen kleinen Schultersack. Man nahm hell und dunkel gestreiftes Zeug, damit deckte man den Kopf des Kranken zu. Man brachte das (vorgeschriebene) Opfer dar. Ubandauaki ließ von dem Manne. Der Mann ward gesund.

Man verfährt auch heute noch so, wenn der Alledjenu Ubandauaki einen Mann oder eine Frau befällt. Wenn nun ein Anhänger dieser Sekte oder der Verehrer des Ubandauaki die Inspiration durch diesen Ubandauaki wünscht, so bedeckt er den Kopf mit einer schwarz- und weißgestreiften Decke und läuft so in den Busch.



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Dort wäscht er sich mit Magani. Danach bringen sie ihn aus dem Busch in die Stadt und in das Haus zurück und spielen im Haus vor ihm die Geige. Dies hat Eintritt der Inspiration oder Besessenheit zur Folge. Der Inspirierte, das heißt von Ubandauaki in Besessenheit Genommene, ist dann aber in der Lage, jede Sache der Zukunft zu prophezeien. Man befragt ihn, und die Gottheit antwortet durch seinen Mund. Wenn eine trübe und schlechte Zukunft prophezeit wird, dann tut die Gemeinde alles, was von der Gottheit für nötig befunden wird, um das drohende Übel abzuwenden.

Man erklärt dabei die eben geschilderte Legende als Modell, nach dem man verfahren müsse. Man erklärt, daß die Opferungen für Ubandauaki immer guten Erfolg gehabt hätten, und betrachtet die Kuturu als in gewissem Sinne heilig.

Man sieht also diesen für uns so grauenvollen Zustand, wenigstens unter den Borileuten, als eine gewisse Segnung der Gottheit an.


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