Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

DÄMONEN DES SUDAN


ALLERHAND RELIGIÖSE VERDICHTUNGEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



Atlantis Bd_07-0004 Flip arpa

TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

25. Magadja, Djengeres Schwester

Alledjenu Magadja ist die große Schwester Djengeres. Diese Magadja folgte stets ihrem Bruder überall hin. Sie ließ nie von ihm. Wo er hinging, da ging sie auch hin. Wo er sich niederließ, da ließ sie sich auch nieder. Wo er wohnte, da wohnte sie auch. Diese beiden Alledjenu waren immer zusammen. Anfangs waren sie aber immer gemeinsam im Busch. Sie kamen beide aus den weit im Osten gelegenen Ländern. Das ist schon lange, lange Zeit her. Djengere und Magadja waren erst wie Malaika (arabisch =Engel) für Firrauna (Pharao). Das war in ganz, ganz alter Zeit. So aber kamen sie zu den Abaqua Riga (am Benue).

Djengere und Magadja hatten ihr Haus (das ist ihre Wohnung) in einem großen, großen Baum. Der Baum war hohl, und die beiden Alledjenu wohnten darin. Nahe bei diesem Baum stand ein Haus. In dem wohnten Menschen, die kannten den großen Baum sehr wohl. Sie wußten aber nicht, wer darin wohnte und daß es dort Alledjenu gab. Eines Tages um Mitternacht empfand aber der Mann, der in dem Hause wohnte, einen starken Drang, sich zu entleeren. Er erhob sich also von seinem Bett und trat aus dem Haus. Er ging ein Stück weit, um einen guten Platz zur Entleerung zu finden. Da hörte er Djengere und Magadja sprechen. Der Mann sagte: "Dieses ist eine besondere Sache." Der Mann ging noch ein wenig weiter.

Magadja hörte den Mann kommen. Als er ziemlich nahe war, sagte sie: "Bist du ein Mensch oder ein Alledjenu ?"Djengere sagte zu seiner Schwester Magadja: "Weshalb fragst du diesen Mann? Weshalb sprichst du mit dem Mann? Fürchtest du dich denn etwa?" Magadja sagte: "Es kommt jemand leise durch den Busch. Ich bin kein Mann. Ich bin eine furchtsame Frau." Der Mann kam näher.



Atlantis Bd_07-351 Flip arpa

Magadja sagte zu ihrem Bruder: "Jetzt sehe ich den Mann. Der Mann gefällt mir. Ich will es mit dem Manne versuchen" (das heißt die Inspiration). Djengere sagte: "Meine Schwester, tue, was dir angenehm ist. Wenn du es willst, gehe ich mit dir. Denn du bist auch immer mit mir gegangen."

Der Mann kam ganz nahe an den Baum. Magadja sagte zu dem Mann: "Kai, weshalb kommst du hierher? Weißt du nicht, daß ich dich verrückt machen kann, wenn du mir gefällst ?"Der Mann sagte: "Ich wußte nicht, daß du hier bist. Ich weiß nicht, wer du bist!" Die Magadja sagte: "Laufe schnell nach Hause! Lauf schnell!"Der Mann sagte: "Ja, ich will schnell laufen!"Magadja sagte: "Lauf schnell nach Hause. Ich will dir mit meinem Bruder sehr bald nachfolgen. Ich will kommen und will mir dein Haus ansehen. Aber achte wohl darauf, daß niemand etwas hört, wenn wir zu deinem Hause kommen. Es soll niemand von unserem Besuche wissen. Wenn ich höre, daß irgend jemand von unserem Besuche gehört hat, töte ich dich, wenn ich komme. Also sei vorsichtig!" Der Mann sagte: "Ich werde niemand etwas sagen, denn ich will nicht getötet werden."Der Mann ging wieder fort. Der Mann lief nach Hause. Der Mann wartete auf Magadja. Magadja kam nicht. Der Mann wartete einen Tag lang. Magadja kam nicht. Der Mann wartete einen zweiten Tag. Magadja kam nicht. Der Mann wartete einen dritten Tag. Magadja kam nicht. Der Mann wartete sechs Tage lang. Aber Magadja kam in all den sechs Tagen nicht. Der Mann sagte: "Es muß etwas geschehen sein. Weshalb kommt Magadja nicht? Ich muß diese Magadja sehen. Ich will sehen, was geschehen ist." Der Mann ging heraus.

Der Mann ging heraus zu dem Baum, in dem die große Höhle war. Der Mann trat zu der Höhle. Magadja erkannte den Mann wieder. Magadja fragte den Mann: "Du kommst schon wieder? Habe ich dir nicht gesagt, daß du schnell nach Hause gehen sollest ?"Der Mann sagte: "Du sagtest mir, daß ich schnell nach Hause gehen solle. Ich ging schnell nach Hause. Du sagtest, daß du mich besuchen wollest, um mein Haus zu sehen. Ich wartete auf dich einen Tag um den andern. Ich habe sechs Tage gewartet und du bist nicht gekommen. Nun bin ich gekommen, um zu sehen, was geschehen ist."Magadja sagte: "Ich freue mich, daß du so an mir hängst. Ich wußte nicht, daß ich gleich so gefallen würde. Nun habe ich dich gern. Was hast du mir denn gebracht?" Der Mann sagte: "Ich habe nichts mitgebracht, denn ich wußte nicht, was du ißt. Du hast mir noch nicht gesagt, was du haben möchtest. Da habe ich dir auch nichts bringen können."



Atlantis Bd_07-352 Flip arpa

Magadja sagte: "Es ist wahr. Ich habe dir hiervon nichts gesagt. Du konntest mir also nichts bringen. Mein Essen ist aber sehr kostspielig, daher wirst du mir Essen nicht besorgen können. Gehe also wieder nach Hause."Der Mann sagte: "Nicht doch! Sage mir, was du haben willst, damit ich es dir besorgen kann. Denn ich hänge sehr an dir." Magadja sagte: "Was ich genieße, besteht aus Tschikaffa (Reis), der zu Mehl gestampft ist, aus Summa (Honig) und aus Nono (Milch). Das Mehl muß erst mit Wasser angerührt werden, dann muß Milch und Honig dazu getan werden. Das ist das, was ich gewöhnlich und gern genieße."Der Mann sagte: "Das ist nicht schwer zu bereiten. Das kann ich dir geben, wenn du es willst."Magadja sagte: "Willst du das machen? Kannst du das machen?" Der Mann sagte: "Das ist nicht schwer."Magadja sagte: "Aber es ist nicht wenig, was ich davon brauche. Ich muß immer sehr viel haben, wenn ich bei dir bleiben soll." Der Mann sagte: "Glaube mir, ich hänge so an dir, daß es mir ein kleines sein wird, dir hiervon so viel zu bereiten, als du haben willst." Der Mann ging nach Hause.

Der Mann ging zu seiner Frau und sagte: "Meine Frau, höre mich gut an! Ich habe im Busch einen Freund. Es ist ein großer Freund. Der Freund kann einmal zu mir kommen. Mein Freund braucht viel Essen. Mein Freund braucht teures Essen. Mein Freund kann kein billiges Essen nehmen. Wird das möglich sein?" Die Frau sagte: "Wenn du mir sagst, daß es ein großer Freund im Busch ist, will ich sehen, was ich machen kann. Also sage mir, was er braucht."Der Mann sagte: "Mein Freund braucht Reismehl mit Honig und Milch. Er braucht hiervon viel." Die Frau sagte: "Das ist nicht so schwierig!" Der Mann sagte: "Dann bereite es und bereite nicht zuwenig, denn er ist eine sehr einflußreiche Person, die uns alles geben kann, was wir brauchen." Die Frau sagte: "Ich will es schon machen. Ich will gleich auf den Markt gehen, um einzukaufen."

Die Frau ging auf den Markt. Die Frau kaufte Reis und Honig und Milch. Die Frau stampfte den Reis zu Mehl. Sie bereitete ihn mit Wasser und tat Honig und Milch zu. Die Frau bereitete eine große Menge von diesem Essen. Sie brachte es zu ihrem Manne und sagte: "Ich hoffe, daß es so recht ist." Der Mann sagte: "Du hast es gutgemacht. Nun will ich das Essen meinem Freund hinbringen und will sehen, ob es ihm so recht ist." Der Mann nahm das Gericht und trug es zu dem Baume. Er nahm seine Frau aber nicht mit. Als der Mann zu dem Baume kam, sagte er: "Hier bringe ich dir und deinem Bruder Wasser zum trinken." (,,Wasser" ist ein Aus-



Atlantis Bd_07-353 Flip arpa

druck der Bescheidenheit, angewendet, um damit anzudeuten, daß dieses, wenn auch wertvolle Gericht, der Ehre gegenüber, es geben zu dürfen, gar nicht in Betracht komme.)

Magadja sagte: "Ich danke dir!"Djengere sagte: "Du hast meiner Schwester Magadja also ihre Speise gebracht! Du hängst so an uns? Dann bist du uns auch angenehm. Wenn du in Zukunft etwas von uns Wissen willst, kann meine Schwester zu dir kommen und alles sagen. Frage aber Magadja, was sie braucht, um zu dir ins Haus zu kommen." Der Mann wandte sich an Magadja und fragte: "Willst du uns helfen?"Magadja sagte: "Sage mir, was du von mir willst!" Der Mann sagte: "Ich bitte dich, in mein Haus zu kommen. Ich bitte dich, mir in meinem Hause heute und sonst zu sagen, was ich wissen muß."Magadja sagte: "Ich brauche zwanzig Tage, um meine Sachen zu ordnen. Bringe mir aber jeden sechsten Tag von dieser Reissuppe. Laß das Gericht immer so herrichten, wie ich es dir zuerst beschrieb. Nachher will ich dann gern zu dir kommen." Der Mann sagte: "Du sollst deine Reisspeise alle sechs Tage haben." Der Mann ging heim.

Der Mann ließ alle sechs Tage von der Reisspeise machen. Der Mann brachte Magadja alle sechs Tage das Reisgericht mit Honig und Milch. Der Mann fragte Magadja (nach Ablauf der vorgeschriebenen Frist): "Was muß ich nun sonst tun?"Magadja sagte: "Richte für mich lauter weiße Opfergaben her. Stelle bereit einen weißen Schafbock (Farin-rago); stelle bereit weißen Hahn oder weiße Henne (Farmkasa); lege bereit weißes Kleid (Farin-riga); lege bereit weißen Stoff (Farin-seni). Wenn du das Blut dieser weißen Tiere nicht geben und die weißen Kleider nicht opfern kannst, kann ich nicht in dein Haus kommen. Diese Opfer mußt du aber nach meiner Weise darbringen. Wenn du das tust, werde ich zu euch kommen." Der Mann sagte: "Es ist recht. Es soll alles geschehen." Der Mann ging nach Hause. Der Mann sagte zu seiner Frau: "Jene einflußreiche Person wird zu uns kommen. Wir müssen aber herrichten: weißen Schafbock, weißen Hahn oder Henne, weißen Rock, weißen Stoff." Die Frau sagte: "Es ist gut, ich werde alles kaufen."Der Mann gab der Frau Geld. Die Frau kaufte alles.

Als der Mann alles beisammen hatte, brachte er es nach der Anweisung und Art der Magadja dar. Kein junges Mädchen durfte bei dem Opfer zugegen sein. Der Mann brachte den weißen Stoff hinaus und band ihn (in der oft gesehenen Weise) um den Baumstamm, in dem die Wohnung Magadjas war. Das weiße Kleid schenkte er einem Kuturu (solche Schenkung an Leprakranke entspricht der



Atlantis Bd_07-354 Flip arpa

Opferung an die entsprechende Gottheit, hier der der Magadja). Der Mann schlachtete den weißen Schafbock und den weißen Hahn. Das Blut der Tiere brachte er hinaus zum Baum. Es ward vor dem Baum ausgegossen. Das Fleisch ward von den Alten zubereitet und von den Alten verspeist. Die Reste der Speisen wurden dann in einer Grube vergraben. Das Kochgeschirr ward im Busch gelassen, und bei dem Heimwege durfte keiner der Teilnehmer am Opfer sich umwenden. —Das aber ist die Art, wie der Magadja nach ihren eigenen Weisungen geopfert wird. So brachte der Mann also auch das erste große Opfer der Magadja dar. Er trat vor Magadja und sagte: "Sieh nun; ich habe alles getan, wie du es nach deiner Art willst." Magadja sagte: "Du hast es recht getan, und ich werde in der nächsten Nacht in dein Haus kommen. Ich sehe jetzt, daß du wohlgesinnt bist."

In der folgenden Nacht kam Magadja in das Haus des Mannes. Sie kam nicht allein. Magadja kam mit dem Bruder zusammen. Als der Mann sah, daß Magadja gekommen war, begrüßte er sie. Magadja sagte: "Sage mir nun, was du von mir willst." Der Mann sagte: "Magadja, lehre mich die Magani gesund zu werden (das heißt gib mir die Mittel gegen Krankheiten). Magadja, lehre mich die Magani, kinderreich zu werden! (das heißt also Fruchtbarkeit zu verleihen). Magadja, lehre mich wohlhabend zu werden!" Magadja sagte: "Du hast mir gegeben. Nun will ich dir geben. Du hast an mir gehangen, nun will ich an dir hängen. Was du erbeten hast, sollst du haben." Der Mann sagte: "Sage mir, Magadja, wie ich von dir hören kann?"Magadja sagte: "Wenn du etwas brauchst, so komm zu mir in den Busch. Bringe mit dir Djen-dauwa (rotes Sorghum) und Djen-goro (rote Kolanüsse). Wenn du in den Busch kommst, mische das rote Korn mit den roten Kolanüssen (das heißt zerreiben). In dem Busch suche dir einen kleinen Baum aus. Wirf erst nach Gabas (Osten). Wirf dann nach Jamma (Westen). Wirf dann nach Kurdu (Süden). Wirf dann nach Areva (oder Arrewoa = Norden). Wenn du von der roten Sache nach jeder Richtung geworfen hast, wirf dich selbst unter den Baum (gleich, ob groß oder klein) nieder. Dann sage mir, was du willst, dann bitte mich um das, was du brauchst. Danach nimm von den Blättern (Garija), von der Borke (Bauwa) und von der Wurzel (Seiwa) des Baumes. Zerkleinere und zerreibe Blätter, Borke und Wurzel. Wenn das Gemisch trocken ist, zerstampfe es im Mörser. Das, was dann noch nicht ganz klein und fein ist, wirf in das Feuer. Das Feine und gleichmäßig



Atlantis Bd_07-355 Flip arpa

Zerriebene iß aber. Nachher wirst du alles wissen, was du wünschest. Denn dann werde ich in deinem Kopfe sein (das heißt Magadja wird den Mann besessen machen) und werde alles sagen, was du zu wissen wünschst." Der Mann sagte: "Ich danke dir! Ich danke dir! Ich danke dir!"

Magadja sagte weiter zu dem Manne: "Wenn ich dann in den Kopf eines Mannes oder einer Frau gekommen sein werde (das heißt wenn Magadja sie besessen gemacht hat), wird dieser Mann oder diese Frau schreien: ,Magadja ist in mir! Magadja ist in mir! Magadja ist in mir!' Dann kann jeder, der da ist, herantreten und kann den (besessenen) Mann oder die (besessene) Frau fragen, was ihm zu wissen nötig ist. Ich werde aus dem Kopf des besessenen Menschen (also durch seinen Mund) Antwort geben. Dann soll man dem besessenen Menschen Kauri schenken. — Ich bin aber die Mutter aller Borileute."(Letzteres kann aber eventuell den Sinn haben, daß Magadja die Mutter der andern Alledjenu ist.)

Was nun den Magadjadienst anbelangt, so wurde er mir verschiedentlich immer gleich geschildert. Die Magadja-Besessenen sitzen still und gelassen da. Sie haben keine der Imitationen von Tieren oder Kranken oder häßliche Darstellungen als Sitte. Die Form des Magadja-Dienstes und der Magadja-Besessenheit zeichnet sich vor allen ähnlichen Sitten durch Würde und Gelassenheit aus.


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt