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Kapitel 

DÄMONEN DES SUDAN


ALLERHAND RELIGIÖSE VERDICHTUNGEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

21. Dodo in Wukari

Die Gottheit Dodo tritt mit ihrem Diener in Wukari maskierte mit langem Kleid, Blätterschmuck und so weiter auf. Das viereckige Kopfstück der Aku-ma-Masken kehrt hier wieder. Merkwürdig ist, daß Dodo und sein Diener nicht gemeinsam auftreten dürfen. Das Auftreten des einen soll die Erscheinung des andern ausschließen. In der Tat sahen wir sie auch nie gemeinsam. Die Bedeutung Dodos ist im ersten Borikapitel eingehend behandelt.



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Hier sei nur soviel wiederholt, daß nämlich hier in dem Lande, in dem alles aus dem Wasser kommt, Aku-ma, Asama, Alledjenu (von denen es typischerweise in Wukari nach der Einleitungslegende dieses Bandes nur weißgekleidete, also dem Wasser entsprechende geben soll), auch Dodo aus dem Wasser stammen muß. Eine gewisse Ähnlichkeit der Dodolegende mit der nachfolgenden von Serki(n) Rafin muß in die Augen fallen. —Dodo * tritt hier aber insofern aus dem Rahmen der sonstigen Abaqua-Rigasitten und Kultusanordnungen heraus, als er und seine Anhänger Bier trinken. Asama und die Borileute trinken aber kein Bier. Also gemahnt das daran, daß auch Haussa am Niger und aus Kano sagten: Dodo ist eine Sache der Heiden, der Magussanan. Dagegen werden die Borileute nicht als Heiden angesehen. Die Abaqua-Rigalegende von Dodo, erzählt in Wukari, lautet aber:

In alter, alter Zeit war Dodo im Wasser. Dodo lebte damals mit allen seinen Leuten im Wasser und kam nicht auf das Land. Die Frauen gingen aber einmal mit ihren Töpfen zum Wasser, um Wasser zu holen. Sie kamen an das Wasser. Sie traten herab ans Ufer. Die Frauen hörten im Wasser etwas sprechen. Es sprach: "Qua, qua, qua!" Es sprach wie ein Alligator. Die Frauen antworteten darauf: "Qua, qua, qua!" Dodo hörte das. Dodo fragte aus dem Wasser: "Welcher Mensch antwortet denn da?" Als die Frauen das hörten, wandten sie sich um. Die Frauen erschraken. Die Frauen liefen so schnell sie konnten weg. Sie liefen nach dem Dorf zurück. Dodo hörte die Frauen laufen. Dodo kam aus dem Wasser. Dodo lief hinter den Frauen her, dem Dorfe zu.

Die Frauen und Mädchen kamen ganz dicht an das Dorf. Dodo war ganz dicht hinter den Frauen. Die Frauen schrien. Die Männer kamen aus dem Dorf. Die Männer sahen die Frauen kommen. Sie sahen ganz dicht hinter ihnen Dodo kommen. Einer der Männer sagte: "Ihr Frauen, was bringt ihr da?! Es gingen schon so viele Frauen zum Flusse hinab, um Wasser zu holen, aber noch keine brachte eine so schlimme Sache mit, wie diese da. Wie kommt ihr nur zu dieser schlimmen Sache ?" Dodo sagte zu dem Manne: "Abokina! Das ist nicht so! Ich bin keine schlimme Sache, und die Frauen haben nichts Schlimmes getan. Ich liebe aber diese Frauen (durchaus nicht im sexuellen Sinne gemeint). Diese Frauen sind mir angenehm. Deshalb bin ich ihnen in das Dorf gefolgt. Nur deshalb bin ich mit in das Dorf gekommen. Ich werde niemand etwas



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Schlimmes tun." Der Mann sagte: "Mein Freund! Nun sehe ich diese Sache. Ich will dich nun nicht schlecht begrüßen. Wenn du meine Frau gerne magst und deshalb gekommen bist, dann schätze ich dich auch. Ich bitte dich! Komm mit hinein in mein Gehöft!"

Dodo sagte: "Wenn ich zu dir kommen soll, so ist mir das sehr recht. Baue mir aber ein kleines Haus in deinem Gehöft!" Der Mann sagte: "Komm nur mit mir. Das kleine Haus will ich dir bauen. Bleibe bei mir. Komm jetzt mit zu mir hinein!" Dodo sagte: "Ich bin gern bereit, mit dir in das Dorf und in dein Gehöft zu kommen. Ich habe aber eine Bitte. Ich will nicht, daß irgend jemand meine Hände und Füße sieht. Zieh mir also rote Stoffe darüber. Wenn du das getan hast, will ich gern mitkommen." (Der Berichterstatter sagt hierzu: In der alten Zeit gab es noch keine Ledergamaschen, mit denen Dodo heute kommt (?).Deshalb wurde Dodo in dieser alten Zeit von den Leuten nicht mit Ledergamaschen, sondern mit Stoffen bekleidet.) Der Mann sagte: "Das sollst du haben." Der Mann ging in das Dorf und in sein Gehöft. Er nahm Stoff und kam zurück. Er zog über Dodos Hände und Füße Stoffe. Der Mann sagte: "Willst du es so haben?" Dodo sagte: "So ist es gut. Nun gehe voran. Ich komme nach dir." Der Mann ging voran. Dodo folgte ihm. Der Mann baute Dodo in seinem Gehöft ein kleines Haus. Dodo wohnte in diesem kleinen Haus.

Dodo wohnte schon zehn Tage in dem Hause des Mannes im Dorf. Alle Leute Dodos waren aber im Wasser. Ruaru (das ist der Wasserdiener Dodos) sagte im Wasser zu den andern Leuten Dodos: "Mein Herr Dodo ist nun schon zehn Tage fort von hier. Ich habe meinen Herrn Dodo in allen diesen zehn Tagen nicht gesehen. Ich weiß nicht, was mit meinem Herrn Dodo geschehen ist. Ich weiß nicht, wohin er gegangen ist. Ich werde mich also aufmachen und werde mich nach meinem Herrn Dodo umsehen. Ich will meinen Herrn Dodo suchen." Die andern Leute Dodos sagten: "Ja, gehe nur und suche unsern Herrn Dodo!"

Ruaru machte sich bereit. Ruaru kam aus dem Wasser. Ruaru ging dem Dorf zu. Ruaru kam in das Dorf. Ruaru kam in das Gehöft des Mannes, der Dodo aufgenommen hatte. Ruaru begrüßte Dodo. Ruaru sagte zu Dodo: "Mein Herr, du bist hier! Wir warteten zehn Tage auf dich und haben dich während der zehn Tage nicht gesehen. Nun bin ich herausgekommen, um dich zu suchen. Nun habe ich dich gefunden. Was tust du hier, mein Herr?!" Dodo sagte zu Ruaru: "Ich wohne hier und will auch hier bleiben. Wes



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halb soll ich in das Wasser zurückgehen? Ich habe ein besseres Haus hier. Die Menschen geben mir alles. Weshalb soll ich nun also nicht hier bleiben?" Ruaru sagte: "Es ist gut. Ich bitte dich um Erlaubnis, auch hier einige Tage bleiben zu dürfen." Dodo sagte: "Bleibe zwei Tage hier und sieh selbst alles." Ruaru sagte: "Dann will ich zwei Tage hier bleiben." Ruaru blieb zwei Tage bei Dodo. Nach zwei Tagen sagte Ruaru zu Dodo: "Ich habe nun gesehen, daß alles hier so gut ist, wie bei uns. Erlaubst du nun, daß ich auch hier bleibe? Erlaubst du, daß ich noch einmal ins Wasser zurückgehe und alle unsere Leute auch hierher bringe ?"Dodo sagte: "Ruaru, du kannst gehen. Du hast gesehen, daß dieser Ort unsere Wohnung im Fluß übertrifft. Gehe also zurück. Sage Siniwuara, meiner ersten Frau, was du hier gesehen hast. Sage ihr, daß sie hierher kommen soll. Sage allen meinen Leuten, daß sie hierher kommen sollen."Ruaru sagte: "Mein Herr! Ich werde es so machen!"

Ruaru ging zurück zum Wasser. Ruaru ging in das Wasser. Ruaru rief Siniwuara, die erste Frau Dodos. Ruaru sagte zu Siniwuara: "Dein Mann Dodo lebt in seinem Hause im Dorfe bei den Menschen. Er hat dort einen besseren Wohnplatz als hier unter dem Wasser. Die Menschen geben gutes und viel Essen. Nun sollst du mit den andern Leuten Dodos auch heraufkommen." Siniwuara fragte: "Ist es denn wirklich ein guter Platz da oben?" Ruaru sagte: "Der Platz ist besser als unser Wohnplatz hier unten."Siniwuara sagte: "Dann will ich auch hinaufkommen."Ruaru sagte: "Ich will auch die andern Leute Dodos rufen."Ruaru rief die andern Leute Dodos. Die andern Leute Dodos sind:

Kue(m)bana -Bote und Sklave Dodos.
Ri(m)pa -macht Dodos Wohnplatz gut und hält ihn baulich
instand.
Tuta - hält die Tuta, die Fahne Dodos.
Magadjia -eine Frau, die alle Kleider Dodos aufbewahrt und
in Ordnung hält, bessert auch schadhafte Stellen aus (was
sehr merkwürdig ist).
Kurumma - der Sänger Dodos.
Wuondo - der Koch Dodos.

Diese alle rief Ruaru zusammen und führte sie mit Siniwuara in die Stadt in das Gehöft, in dem Dodo wohnte. Wenn Ruaru diese Leute nicht zu seinem Herrn in die Stadt gebracht hätte, wäre Dodo doch wieder in das Wasser entflohen. So aber kam der Dododienst in die Stadt.



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Folgendes ist aber das Wesentliche im Dienste Dodos. Wenn irgendwo etwas Böses geschieht oder eintritt -sei es, daß ein Diebstahl begangen ist, oder daß ein Maji (Subache) sich eines Menschen bemächtigt, oder daß Regen ausbleibt, oder daß aus sonst einem Grund eine Hungersnot über das Land kommt -, dann gehen die Leute zu Ruaru. Ruaru ist aber der Priester Dodos, der den Verkehr der Menschen mit Dodo vermittelt. Dieser Priester bringt Dodo dann vor allen Dingen Gija (Bier). Im übrigen sind die Opfer und Genußmittel, die Dodo am angenehmsten sind: Gija, Tuo (Brei), Gauta (weiße Tomaten), Ridi, Dauwa und anderes Korn, dann Sakara-dja (also rote Hähne) und Rago (Schafbock). Unangenehm, widerlich und ungenießbar sind dagegen dem Dodo: Rindvieh, Ziegen, Hund und Tschinkaffa (Reis). Hunde und Menschen, die Menschenfleisch gegessen haben, müssen sorgfältig von Dodo ferngehalten werden.

Die Dodoleute bilden in Wukari und an andern Plätzen eine Sekte. Sie leben nach der Art Dodos, das heißt halten sein Zore (=Speisenverbot; in Jukum =schesche; in Joruba =ewuo) inne, und nennen sich im klerikalen Sinne Dodos Söhne, behaupten auch zum Teile von Dodo abzustammen. Es scheinen durchweg Haussa (das heißt hier Abaqua-Riga) zu sein. Die Dodoleute heiraten sowohl untereinander als auch mit Anhängern der Bori, also Verehrern der Iska-Alledjenu. Dagegen heiraten die Dodoleute nie ein Asama-Mädchen und geben im besten Falle eine eigene Tochter einem Asama-Anhänger zur Frau.

Daß Dodo irgendwie Repräsentant der Seelen der Verstorbenen sei, daß er überhaupt mit den Geistern der Toten zu tun habe, wurde stets aufs strengste bestritten. Sehr ausgedehnt ist die Dodosekte im Gebiete des alten Kororofa nicht. Sie gilt als heidnisch, aber trotzdem als vornehm in ihrer Art.


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