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Kapitel 

DÄMONEN DES SUDAN


ALLERHAND RELIGIÖSE VERDICHTUNGEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

12. Salala. Gottheit der Jäger

Es entspricht der sozialen Gliederung und der eminenten Entwicklung des Gewerbegetriebes der großen Haussastädte, daß gewisse Götter an die Spitze der Zünfte getreten sind. Ist es doch in unserem alten Deutschland nicht viel anders gewesen, und haben doch bis auf unsere Tage bestimmte Erinnerungen in diesem Sinne sich erhalten, wobei ich nur an den Ziegenbock zu erinnern brauche, der noch heute mit dem Schneider in Verbindung gebracht wird. An der Spitze dieser steht nun Salala, den andere Haussastämme Djengere nennen und der am Benue ganz andern Sinnwert hat als in Kano und seinen Bori-Diözesen. Bei den Kanohaussa am Niger ist Djengere aber der Alledjenu der Jäger. Darüber erhielt ich folgende Tradition:

Die Gottheit Salala lebt im Busch in einem Baumstamm. Ein Jäger ging durch den Busch. Der Jäger wollte ein Tier erlegen. Der Jäger ging durch den Busch und fand nichts. Der Jäger ging und ging und sah nichts. Der Jäger ging den ganzen Tag und sah nichts. Der Jäger ging den andern Tag durch den Busch und sah nichts. Der Jäger ging einen Tag nach dem andern in den Busch und fand nichts. Der Jäger ging drei Monate lang durch den Busch, ohne etwas zu erlegen. Der Jäger ging wieder in den Busch und fand nichts. Als es Mittag war und die Sonne hoch am Himmel stand, setzte der Jäger sich im Schatten eines großen, großen Baumes hin. Der Jäger wollte ausruhen. Der Jäger seufzte. Der Jäger sagte (bei sich): "Die Leute sagen, in diesem Busch wohne ein Alledjenu. Der Alledjenu wird mir aber auch nicht helfen können. Und wenn der Alledjenu mir helfen könnte, wird er nicht wollen, denn ich jage nun schon über drei Monate lang hier im Busch und kann nichts finden. Der Alledjenu wird mir nicht helfen können.

Der Alledjenu Salala war in dem großen, großen Baum, unter dem der Jäger saß. Salala hörte, was der Jäger sagte. Salala sagte: "Gewiß kann ich dir helfen. Aber ihr Menschen seid nicht klug genug, um die Freundschaft der Alledjenu zu gewinnen."

Der Jäger hörte Salala. Der Jäger sprang auf. Der Jäger sah umher. Der Jäger sah niemand. Der Jäger sagte: "Wer ist das?" Der Jäger ging umher. Der Jäger suchte. Der Jäger fand nicht den, der mit ihm gesprochen hatte. — Der Jäger setzte sich wieder unter den großen, großen Baum. Nach einiger Zeit sagte der Jäger: "Es



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sprach jemand mit mir. Ich konnte ihn aber nicht sehen. Ob das wohl der Alledjenu war?" Der Alledjenu Salala sagte: "Wenn du sehr klug bist, kannst du alle Antilopen gewinnen, denn alle Antilopen gehören uns." Der Jäger begrüßte den Alledjenu. Der Jäger fragte: "Was ist es für eine Sache?" Salala sagte: "Wir sind viele. Aber als erste unter den andern sind wir sechs. Wenn ihr uns begrüßt, sollt ihr auch sechs sein. (Dies kann mißverstanden sein. Dem Berichterstatter war es entfallen, ob die sechs ersten unter den Jägern oder den Alledjenu sein sollen.) Geh nur nach Hause, komm aber ein anderes Mal wieder." Der Jäger ging nach Hause. —Der Jäger kam ein anderes Mal in den Busch. Er setzte sich wieder unter den gleichen Baum nieder, in dem Salala wohnte. Der Jäger sagte: "Ob ich heute wohl etwas jage?" Nach einiger Zeit kam eine Gada (sehr kleine Antilope). Der Jäger sagte: "Ob ich diese Gada wohl schießen darf? Habe ich nicht neulich gehört, daß alle Antilopen dem Alledjenu gehören ?" Salala hörte den Jäger. Salala sagte zu dem Jäger: "Schieße sie nur. Ich schenke sie dir." Der Jäger schoß. Der Jäger traf die Antilope. Der Jäger nahm die Antilope auf die Schulter und trug sie heim. Der Jäger kam zu dem Baum im Busch zurück und sagte: "Ich danke dir! Ich danke dir!" Salala sagte: "Geh jetzt! Ich werde euch bald besuchen." Der Jäger ging nach Haus.

Einige Zeit nachher kam Salala nach dem Dorf. Salala wollte den Jäger besuchen. Keiner der Dorfbewohner hörte Salala. Keiner der Dorfbewohner sah Salala. Nur der Jäger hörte Salala. Der Jäger hörte Salala sprechen. Salala sagte: "Ich komme euch zu besuchen." Der Jäger sagte: "Warte, ich will die angesehenen Leute rufen und will dir mit ihnen entgegenkommen." Der Jäger rief alle angesehenen Leute und sagte: "Kommt, wir wollen Salala entgegenziehen. Das ist eine große Sache, die da kommt." Die angesehenen Leute zogen mit dem Jäger Salala entgegen. Als sie zu Salala kamen, sagte Salala: "Ich begrüße euch!" Die Leute sahen nichts. Die Leute sagten: "Was ist das?" Der Jäger sagte: "Das ist der Alledjenu Salala. Es sind viele (nämlich Alledjenu Salalas). An der Spitze stehen aber sechs Angesehene." Die Leute sagten: "Was dürfen wir Salala geben?" Der Jäger fragte Salala: "Was brauchst du?" Salala sagte: "Gebt mir am Stamm meines Baumes (in dessen Schatten der Jäger zum erstenmal saß und zu dem er immer wieder zurückkehrte) schwarze Ziegen, schwarze Hühner (beide ohne Rücksicht auf ihr Geschlecht) und schwarzen Stoff.



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Den schwarzen (das ist natürlich tief indigoblauer) Stoff bindet um den Baum." Die Leute sagten: "Das wollen wir tun." Salala ging wieder in den Busch zurück.

Der Jäger ging aber mit den Leuten in den Busch. Sie nahmen schwarze Ziegen und schwarze Hühner und schwarzen Stoff mit. Sie gingen zu dem Baume Salalas. Sie banden den schwarzen Stoff um den Baumstamm. Sie schlachteten die Hühner und Ziegen. (Brandopfer kennen weder Haussa noch Nupe, sondern nur Joruba.) Sie kochten und genossen das Fleisch der Opfer. Dann gingen die Leute heim. — Zu Hause spielte der Jäger die Jägergitarre. Die Leute saßen herum und hörten zu. Als der Jäger die Jägergitarre spielte, kam Salala und befiel einen Mann. (Machte ihn also besessen.) Salala begrüßte die Leute (natürlich durch den Mund des Besessenen) und sagte: "Bringt mir noch Honig (Esuma), gemischt mit Geere- (Penisetum-) Mehl. Tut das in eine Deckelkalebasse. Die Deckelkalebasse soll aber ganz neu sein. Schließt sie und bindet schwarzen Stoff darum." Die Leute richteten die Speise her und brachten sie zu dem Baume Salalas hinaus.

So wird es heute noch gehandhabt, wie ja überhaupt ein großer Teil dieser Legendenart weiter nichts bedeutet als die Schilderung der Opfer, um die ein legendärer Schleier gewunden ist. Seitdem ist es immer ein Jäger, der dem Salala ein Opfer darbringen muß, ehe die Gottheit in einen Menschen hinabsteigt und dann durch den Besessenen spricht. Alle Opfer für Salala sind aber schwarz. Salala gilt als sehr, sehr schlimm. Er tötet häufig Menschen, die er in Besitz nimmt. Salala würde noch viel mehr Menschen töten, wenn Serki(n) Rafin die Besessenen nicht retten würde. (Siehe auch Djengere-Salala der Benuestämme.)


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