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Kapitel 

DÄMONEN DES SUDAN


ALLERHAND RELIGIÖSE VERDICHTUNGEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

8. Serki(n) Rafin, der Gott der Flüsse

Nun kommen wir zu einem Gott, der anscheinend weitere Verbreitung und wesentlichere Beachtung und Verehrung bei den



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Borileuten gewonnen hat als irgendein anderer der Alledjenu. Es ist dies der Serki (König) Raf in (der Flüsse). An anderer Stelle wird darauf hinzuweisen sein, welche ungemeine Bedeutung überhaupt neben den Bäumen die Wässer in diesen Mythologien haben. (Siehe Dodo und Baschama am Benue!) Hier nun das, was die Kanoleute über den Flußgott zu sagen haben. Es ist eine längere Tradition:

Eine Frau war mit einem Manne verheiratet. Die Frau war schon drei Jahre mit dem Manne verheiratet, aber die Frau hatte noch immer kein Kind. Die Frau ward nicht schwanger. Die Frau sagte (eines Tages) zu ihrem Manne: "Ich will meinen Wassertopf nehmen und will hinab zum Flusse gehen und will Wasser heraufbringen." Der Mann sagte zu seiner Frau: "Laß das! Warte damit! Die Sonne steht nun gerade in der Mitte (das heißt es war Mittag). Es soll niemand zum Wasser holen gehen, wenn die Sonne in der Mitte steht. Niemand tut das. Tue du dies auch nicht! Warte damit!" Die Frau sagte: "Was soll ich denn tun? Ich habe kein Wasser für meine Arbeit. Ich habe alles Wasser heute morgen verbraucht. Ich will meine Arbeit jetzt machen. Ich will nicht warten bis nachher." Der Mann sagte: "Gehe nicht!" Die Frau sagte: "Ich will gehen! Ich muß meine Arbeit verrichten!" Der Mann sagte: "Gehe nicht!" Die Frau sagte: "Ich will gehen. Ich muß gehen. Ich will meine Arbeit verrichten!" Die Frau nahm ihren Wasserkrug. Die Frau ging zum Flusse hinab. Der Weg zum Flusse war ganz kurz.

Der Mann wartete auf die Frau. Die Frau kam nicht wieder. Der Weg zum Flusse war ganz kurz. Der Mann wartete sehr lange. Die Frau kam nicht wieder. Die Sonne war schon bis dahin (etwa zwei Uhr) herabgekommen. Die Frau kam nicht wieder. Der Mann sagte: "Ich muß sehen, wo meine Frau bleibt. Ich habe meiner Frau gesagt, daß niemand mittags Wasser holen soll. Es ist etwas geschehen, ich will gehen und sehen, wo meine Frau ist." Der Mann ging zum Flusse hinab.

Der Mann kam an den Fluß. Der Mann sah seine Frau. Seine Frau stand bis an die Hüften im Wasser. Die Frau konnte nicht mehr aus dem Wasser herauskommen. Die Frau wurde im Wasser festgehalten. Die Frau war im Wasser festgehalten und schrie. Die Frau schrie und schrie. Der Mann sah, wie seine Frau im Wasser festgehalten wurde und schrie. Der Mann lief fort. Der Mann lief in die Stadt zurück. Der Mann lief in die Stadt zu seinem Vater und sagte: "Mein Vater! Heute mittag wollte meine Frau im Flusse Wasser holen. Ich sagte zu meiner Frau: ,Laß das! Warte damit!



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Es soll niemand zum Wasser holen gehen, wenn die Sonne in der Mitte steht!' Meine Frau sagte: ,Ich will gehen! Ich will meine Arbeit verrichten!' Meine Frau ging. Ich wartete auf sie. Ich wartete lange. Ich bin soeben hinabgegangen, um nach ihr zu sehen. Ich habe meine Frau gesehen. Meine Frau steht bis an die Hüften im Wasser. Meine Frau kann nicht mehr aus dem Wasser herauskommen. Meine Frau steht im Wasser und schreit und schreit!" Der Vater des Mannes sagte: "Ich werde mit dir hinabgehen zum Flusse und diese Sache ansehen."

Der Mann ging mit seinem Vater zum Flusse hinab. Der Vater sah, wie die Frau im Wasser stand. Die Frau stand bis an die Hüften im Wasser und konnte nicht fort. Die Frau schrie und schrie. Der Vater sagte: "Ich will deine Frau herausziehen." Der Vater ergriff die Frau und wollte sie herausziehen. Die Frau schrie und schrie. Der Vater zog. Der Vater zog stark. Der Vater konnte die Frau nicht herausziehen. Die Frau wurde im Wasser festgehalten und konnte nicht herauskommen. Der Vater sagte: "Was soll ich da tun? Ich kann sie nicht herausziehen!" Die Frau schrie und schrie. Der Mann schrie. Der Vater sagte: "Was soll ich da tun?" Die Frau stand im Wasser. Der Mann stand am Ufer. Der Vater stand am Ufer.

Dann (nach langer Zeit) konnte die Frau aus dem Wasser kommen. Niemand hielt sie. Niemand half ihr.

Die Frau konnte herauskommen. Die Frau kam aus dem Wasser. Als die Frau aus dem Wasser kam, war sie ganz trocken. Das Kleid der Frau war trocken. Die Hüften der Frau waren trocken. Die Frau war nicht ein wenig feucht. Die Frau ging mit dem Manne und dem Vater des Mannes nach Hause. Als de Frau nach Hause kam, legte sie sich hin.

Als es (am gleichen Tage) dunkel wurde, sprang die Frau von ihrem Bette auf. Die Frau schrie. Die Frau weinte und schrie: "Ich muß zu meinem Ehemann an den Fluß! Ich muß zu meinem Ehemann an den Fluß!" Die Leute sagten: "Was willst du?! Dein Ehemann ist doch nicht am Fluß. Dein Ehemann ist doch hier im Hause!" Die Frau weinte und schrie: "Ich muß zu meinem Ehemann an den Fluß! Ich habe am Fluß einen Ehemann, der diesen hier weit übertrifft!" Die Frau weinte und schrie. Die Frau lief hinaus. Die Frau lief zum Flusse hinab. Die Frau kam an den Fluß. Die Frau weinte am Fluß und sagte: "Serki(n) Rafin! Ich bitte dich! Serki(n) Rafin! Ich bitte dich! Hilf mir, daß ich bald ein Kind erhalte.



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Ich bin schon drei Jahre verheiratet und habe kein Kind." Serki(n) Rafin sagte: "Geh in dein Haus. Sage zu deinem Mann, daß ich zu euch kommen will, wenn er mir das geben will, was ich brauche. Wenn dein Mann mir das gibt, will ich zu euch ins Haus kommen. Dann soll dein Mann noch einmal bei dir schlafen und du wirst schwanger werden. Ich will immer bei euch bleiben, aber ihr müßt mir immer das meine geben." Die Frau sagte: "Ich will sogleich nach Hause zurücklaufen und will das meinem Mann sagen."

Die Frau lief nach Hause. Die Frau kam zu ihrem Manne. Die Frau sagte zu ihrem Manne: "Mein Mann! Serki(n) Rafin will zu uns ins Haus kommen, wenn du ihm das gibst, was er braucht. Du sollst dann noch einmal mit mir schlafen, und dann soll ich schwanger werden." Der Mann sagte: "Es ist gut. Ich will gern dem Serki(n) Rafin das geben, was er nötig hat. Warte aber. Ich will erst mit meinem Vater reden." Der Mann ging zu seinem Vater und sagte: "Serki(n) Raf in will zu uns ins Haus kommen, wenn ich ihm das gebe, was er braucht. Ich soll noch einmal mit meiner Frau schlafen, und dann soll sie schwanger werden." Der Vater sagte: "Weshalb soll es nicht so werden? Weshalb soll Serki(n) Raf in nicht kommen? Ich bin ein reicher Mann und kann dir alles geben, was Serki(n) Raf in braucht." Der Mann ging zu seiner Frau und sagte: "Geh hin und sage dem Serki(n) Rafin, er solle kommen; ich könne ihm alles geben, was er braucht."

Die Frau lief zum Flusse. Die Frau sagte zu Serki(n) Rafin: "Komm mit mir. Mein Mann wird dir alles geben, was du haben willst. Komm mit in unser Haus und wohne mit uns!" Serki(n) Rafin sagte: "Es ist gut. Ich werde meinen Boten mit dir senden. Mein Bote soll mit deinem Manne sprechen." Die Frau ging mit dem Boten. Nur die Frau konnte Serki(n) Rafin und seinen Boten sehen. Niemand außer ihr konnte den Serki(n) Rafin und seinen Boten sehen. Der Bote kam mit der Frau in das Haus. Der Bote sagte zum Manne: "Serki(n) Rafin braucht weißen Stoff, weiße Kauri, weißen Widder und weiße Tiere. Aber wenn du Serki(n) Rafin weiße Tiere opfern willst, so mußt du immer ein männliches und ein weibliches (also ein Paar weißer Tiere) opfern." Der Mann sagte: "Das will ich tun!"

Der Bote ging zu Serki(n) Rafin zurück. Der Bote sagte zu Serki(n) Rafin: "Du wirst erhalten, was du brauchst." Serki(n) Rafin kam. Serki(n) Raf in kam in das Haus. Nur die Frau konnte



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ihn sehen. Der Mann opferte Serki(n) Rafin weißen Stoff, weiße Kauri, weißen Widder und männliche und weibliche weiße Tiere. Nachts schlief dann der Mann bei seiner Frau. Serki(n) Rafin machte ein Magani (Medikament) für die Frau. Er machte in einer Topfschale Feuer. Auf das Feuer schüttete er Pulver. Es stieg Rauch auf. Die Frau setzte sich über den Topf, aus dem der Qualm aufstieg. Die Frau schlug ihr Kleid um sich und den Topf. Aller Qualm stieg ihr in den Mund. Sie atmete den Qualm ein.

Serki(n) Rafin sagte: "Ich werde nun wieder gehen. Nach drei Monaten wird dein Leib aber so stark sein (das heißt die Schwangerschaft wird sicher so weit fortgeschritten sein), daß alle Welt es sieht. Serki(n) Rafin ging. Serki(n) Rafin ging wieder in das Wasser zurück. Nach einigen Monaten war die Frau hochschwanger. Serki(n) Rafin kam aus dem Wasser zurück (also befiel die Frau wieder). Die Frau schrie laut auf. Die Frau schrie: "Holt eine Goye (Geige), ich will tanzen. Holt eine Goye, ich will tanzen!" Die Leute sagten: "Das ist nicht gut. Warte, bis du dein Kind geboren hast. Dann kannst du wieder tanzen. Wenn du heute tanzt, gibt es ein Unglück!" Die Frau schrie: "Holt eine Goye. Ich will tanzen! Holt eine Goye! Ich will tanzen!" Die Leute holten eine Goye. Sie spielten die Goye. Die Frau tanzte zur Goye. Es schadete der Frau nichts. Sie blieb gesund. Sie gebar ein Kind. Das Kind war gesund. Seitdem spielt man die Goye, wenn ein Mann oder eine Frau von Serki(n) Rafin befallen wird.

Einige Haussa nehmen an, daß Serki(n) Raf in eine Frau im Wasser habe, die auch ein Alledjenu ist. Dieser Alledjenu heißt Magadja Raf in.


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