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Kapitel 

DÄMONEN DES SUDAN


ALLERHAND RELIGIÖSE VERDICHTUNGEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

5. Djiberri und die Sterne

Jeder Alledjenu und jeder Mensch hat am Himmel seinen Stern. Wenn ein Mensch stirbt, geht der Besitz des Sternes auf einen andern Menschen über. Man sagt aber, daß, wenn ein ganz großer König sterbe, der Stern dann mit dem Tode des Königs herabstürze.

Audu Kaderr(e) (Gott) hat auch einen Stern, und das ist Tarauri garn Saki oder auch Tarauri Gabas (der Stern des Ostens), nämlich der Morgenstern.

Der Gott Djiberri (ist der Gabrielu, der Erzengel Gabriel, der hier



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auch zum Alledjenu wurde) kam zu Audu Kaderr(e) und sagte: "Gib mir diesen Stern dort, den Tarauri-me-wutsia-fudu (wutsia = Schwanz; fudu = vier. Es ist der Komet gemeint, der hier also dem bekannten fürstlichen Banner mit den sechs Roßschweifen entspricht)." Audu Kaderr(e) sagte: "Den Tarauri-me-wutsia-fudu kann ich dir nicht geben. Denn was er als Opfer (Essen) verlangt, das ist sehr schwer zu erreichen." Alledjenu Djiberri sagte: "Sage mir, was ißt der Tarauri-me-wutsia-fudu? Ich will es ihm besorgen." Audu Kaderr(e) sagte: "Dieser Tarauri-me-wutsia-fudu ißt nur Menschen. Mit Menschen allein ist er aber nicht zufrieden. Er muß von Zeit zu Zeit einen König haben. Das aber ist das Große und das Schwere."Djiberri sagte: "Audu Kaderr(e), das ist ein Großes und ein Schwieriges. Aber ich werde es dir zeigen, daß ich der Alledjenu Djiberri bin. Der Alledjenu Djiberri kann dies." Audu Kaderr(e) sagte: "Es ist gut, nimm denn den Stern mit den vier Schweifen! Wenn du aber dem Tarauri-me-wutsia-fudu keinen König zu essen geben kannst, wird er zu mir zurückkehren." Alledjenu Djiberri sagte: "Ich nehme den Tarauri-me-wutsia-fudu. Er soll meine Fahne sein. Ich werde ihm Könige zu essen geben." —Djiberri führte den Komet als seine Fahne, seine Tuta. Er ging hin, rief einen Krieg hervor, tötete einen König und gab diesen dem Stern zu essen.

Seitdem entsteht immer Krieg, und es stirbt immer ein König, wenn ein Komet am Himmel erscheint. Darum opferte man in alter Zeit für den Alledjenu Djiberri nur Menschen. Man mußte unbedingt Djiberri Menschen opfern. Vor allem opferte man ihm Menschen, ehe man in den Krieg zog und wenn man aus dem Krieg zurückkam.


ANHANG

Schwarze Opfer. Hier einbelangend gehört die Opferung der schwarzen Tiere und der Kutteru! Mit dem Alledjenu Djiberri soll folgend beschriebenes Opfer in Verbindung stehen; es sei vorher bemerkt, daß Nupe und Haussa sich als die ersten Pfleger der Opferung erklären und sich um solcher Urheberschaft Ehre streiten.

Ehe Haussa und Nupe früher in den Krieg zogen oder wenn schwere Krankheit eine Stadt oder ein Land befiel, wurden folgende Opfer dargebracht, und zwar früher öffentlich, jetzt aber heimlich:



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Haussa Nupe
i. ein schwarzer männlicher Hund = bakin-kare echi-jiko
2. ein schwarzer Ziegenbock = bakin-bunsuru bukunji-jiko
3. ein schwarzer Bulle = bakin-sa nanko-jiko
4. ein leprakranker Mann = kuturu soko guntschi
Heilige Krankheit, siehe d. h. Gott hat
Herodot III. 33 ihn geschnit-Kambyses,
dort angeblich ten, gezeich-Epilepsie. net, also heilige
Krankheit
5. ein Albino (Mann) =sabia bea-bea

Also diese drei männlichen Tiere nebst zwei unglücklichen Menschen wurden geopfert und geschlachtet, und zwar wurde diese Maßnahme im Hause des Stadtherrn, des Königs, ausgeführt. Von allen fünf Opfern wurde das Fleisch losgelöst und in kleine Stücke geschnitten. Dann wurde es von den Männern in riesenhaften Töpfen gekocht und durcheinandergerührt, so daß man die einzelnen Teile nicht voneinander unterscheiden konnte, und alles gut gemischt. Hernach wurde das Gericht auf ein Ochsenfell (Haussa =Klabu) geschüttet und unter alle Leute der Stadt verteilt. Alle mußten davon genießen.

Das letzte Opfer dieser Art soll um die Jahreswende 1908/09, und zwar in einer Vorstadt Katsenas abgehalten worden sein, und ein Mann, der häufig vom Alledjenu Djiberri heimgesucht wurde, soll dabei präsidiert haben.

Alledjenu Djiberri nun wurde und wird in den Haussaländern heute noch dargestellt in einem Heiligtum, dessen bedeutsamste Heiligtümer waren:

i. ein aufrechtstehender Takobi (ein Schwert) und

2. ein liegendes (? nicht ganz sicher) Kube (das heißt Dolchmesser) .* Von den andern Sternen kann ich aber folgendes sagen: Die Venus = Sara gilt den Haussa als Frau des Mondes. Der Orion heißt Karido bangijisch, und seine drei großen Sterne sollen sein: eine Antilope, ein Hund und ein Sulemanu. Ein jeder soll einem Alledjenu gehören, aber sie alle nehmen keine wesentliche Stellung im Vorstellungsleben der Borileute ein.



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Ein wichtigerer und mehr beachteter Alledjenu ist dagegen Aidisettu, das ist die Göttin der Plejaden, die als Sterne unter anderm auch Eatschiki genannt werden. Eatschiki heißen sie, weil sie zeigen, wann reichliches Essen da ist, wann nicht. Dieses ist augenscheinlich wieder ein Hinweis auf die Tatsache, daß mit dem Erscheinen der Plejaden am Osthimmel die Erntezeit gekommen ist. Man nennt im Volksmunde die Plejaden auch Glucke und Küken, aber im Borikreise spielt Aidisettu, die nahrungspendende Göttin, eine größere Rolle. Von ihrem Kommen und Gehen erzählt eine eigene Legende, die merkwürdigerweise an Issa (das ist Jesus) heute anknüpft. Sie lautet:

Alledjenu Issas Großvater war Bisalla. Issas Vater war Abu Bakari oder Bukari. Issas Mutter war Maikulki. Maikulki war aber die Tochter Bisallas. Abu Bakari war ein Jahr lang mit Maikulki verheiratet. Maikulki ward aber nicht schwanger. Abu Bakari war lange Zeit mit Maikulki verheiratet, aber Maikulki ward nicht schwanger. Darauf wandte Abu Bakari sich an den Alledjenu Budjimai. Der Alledjenu Budjimai wohnte in einem Stein. Abu Bakari sagte: "Ich bin nun über ein Jahr und mehr als zwei Jahre und länger mit Maikulki verheiratet. Maikulki wird aber nicht schwanger." Der Alledjenu Budjimai sagte: "Ich kann wohl helfen. Maikulki soll erst Medizin nehmen. Dann soll Maikulki drei Wochen lang für sich leben. Dann soll Maikulki eine Nacht hier an dem Stein schlafen. Dann wird es so werden, wie du denkst." Abu Bakari dankte. Abu Bakari ging. — Maikulki trank die Medizin. Maikulki lebte drei Wochen lang in Zurückgezogenheit. Maikulki schlief eine Nacht bei dem Stein des Alledjenu Budjimai. Dann war Maikulki schwanger. Nach sieben Monaten gebar Maikulki ein Kind, das ward Issa genannt, weil es so reich sein würde.

Wdderopfer für Issa. Bei der Taufe Issas ward ein Widder geschlachtet von der Art, die man Maitosali nennt. (Die Maitosali sind nämlich weiß, um die Augen schwarz und haben Hörner, die nach der Art der Ammonswidder gewunden sind.)

Als Issa groß genug war, ward er in die Schule gesandt. Und als er alles konnte, ward er mit Adisetu (der Alledjenu der Plejaden) verheiratet. Adisetu war nun die Frau des Alledjenu Issa (denn Issa wird hier als Alledjenu angesehen). Aber jeden Donnerstag verwandelte sich Adisetu in ein kleines Kind. Es war so jeden Donnerstag. Darauf wandte Issa sich an den Alledjenu Budjimai und sagte: "An jedem Donnerstag verwandelt sich meine Frau Adisetu



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in ein kleines Kind. Kann man nichts dagegen tun?" Der Alledjenu Budjimai sagte: "Dagegen wird man leicht etwas tun können. Laß mir nur alles zukommen!" Issa brachte darauf dem Alledjenu Budjimai einen schwarzen Bullen, einen schwarzen Hahn, schwarzen Stoff, zweitausendfünfhundert Kauri und Gia (Sorghumbier). Alledjenu Budjimai sagte: "Schließe deine Frau (hier beginnt die Tradition abrupt zu erklären, Adisetu wäre Issas Tochter und nicht seine Frau; ich halte aber die Erklärung Frau für verbreiteter) in einem Hause draußen im Busch ein. Mache Rauch in dem Hause und tue diese Medikamente hinein." Issa brachte seine Frau in den Busch. Er sperrte seine Frau in ein Haus ein und machte darin Rauch. Er tat die Medikamente hinein. Dann ging Issa nach Hause. Er fand den Weg nicht. Er traf einen Jäger. Der Jäger zeigte ihm den Weg. So kam Issa wieder nach Hause. Nach einiger Zeit ging Issa wieder in den Busch. Der Jäger zeigte Issa den Weg zu dem Hause, in dem Adisetu war. Issa sah Adisetu. Adisetu war wieder so wie vorher. Adisetu ward nicht wieder ein kleines Mädchen. Issa nahm sie nach dieser langen (Dauer unbestimmt) Zeit wieder mit in die Stadt. Seitdem kommt Alledjenu Issa oft mit seiner Frau, um Menschen zu ergreifen. Er läßt sich aber nur in Frauen nieder (das heißt macht nur Frauen besessen).

Es wird ein sorgfältiges Sezierverfahren erfordern, um dieses schlimme Gemisch alter und junger Mythenelemente in sachgemäßer Weise und ohne eine verzerrende Gewalttat auszuüben, zu zergliedern.


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