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Kapitel 

DÄMONEN DES SUDAN


ALLERHAND RELIGIÖSE VERDICHTUNGEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

2. Ra

Der Gott Mai-kaff o hatte ein Weib, die hieß Ra oder Ra-a. Ra aber ist die Herrin der Bauna, das ist der Sonne, und darüber gibt es folgende Sage, die die Leute nur sehr ungern erzählten, und zwar gleicherweise ein Kanomann in Ibi und eine Kanofrau in Lokodja:

In urur uralter Zeit, als noch nichts war -als noch kein Mensch war, als noch nichts war, —bestand schon Audu Kaderr(e), das ist Gott. Audu Kaderr(e) hatte aber einen Gehilfen und Vermittler, das war Biuta Lasuru. Audu Kaderr(e) machte damals alles. Audu Kaderr(e) machte auch die Sonne. Audu Kaderr(e) machte sie so heiß, daß niemand sie haben wollte. Kein Mensch wollte damals



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Tateki haben. Tateki war nämlich damals noch der Name der Sonne. Niemand nannte sie (oder wagte sie zu nennen) Rana.

Ra war aber Mai-kaffos Frau. Ra sagte zu Mai-kaffo: "Serki n'bauna! Mein Mann! Ich will Rana nehmen, denn kein anderer Alledjenu will sie nehmen." Mai-kaff o sagte: "Was sagst du, Ra? Ra! Meine Frau! Kai! Du, eine Frau, willst die Sonne nehmen, die kein Mann nehmen kann, weil Tateki so heiß ist? Du willst das tun?" Ra sagte: "Mai-kaffo! Ja, ich will diese Sache nehmen. Wie willst du, mein Mann, Mai-kaff o, denn auch sonst das Gewitter machen, wenn ich, deine Frau, nicht die Sonne nehme? Wie willst du, mein Maikaffo, denn das Gewitter machen, wenn ich nicht die Sonne nehme, die alle Hitze und alles Licht macht und ohne die ein Licht nicht ist? Ich, Ra, will die Sonne nehmen, und nachher wird man sie Rana nennen (oder: wird sie Rana heißen)."

Damals hieß die Sonne noch Tateki, denn alle Leute fürchteten sie Rana zu nennen (unverständlich).

Die Sonne war aber im Osten. Sie war mit einem weißen Widder zusammen in einer Kiste aus Stein eingeschlossen. Die Kiste aus Stein war unten im Wasser. Die Kiste aus Stein hatte nur eine Öffnung, durch die die Sonne sich entleerte.

Ra ging nun zu Audi Kaderr(e) und sagte: "Willst du mir Tateki geben?" Audu Kaderr(e) sagte: "Ja, ich will dir die Sonne geben. Du mußt aber wissen, daß du jeden Tag fünfhundert Arbeiter brauchst, die die Sonne am Himmel hinziehen, du mußt das wissen!" Ra sagte: "Audu Kaderr(e) ich danke dir! Audu Kaderr(e) ich danke dir!"

Ra sagte zu Audu Kaderr(e): "Nun wird die Sonne Rana heißen. Nun darf jeder sie nennen, wie es Gesetz (?) ist." Ra sagte zu Audu Kaderr(e): "Du hast mir die Sonne gegeben. Willst du mir gestatten, daß ich die Sonne am Himmel stehen lasse, wenn ich es will?" Audu Kaderr(e) sagte: "Du sollst Macht über die Sonne haben. Tue mit ihr, was du willst." Ra sagte: "Ich danke dir!"

Ra rief die fünfhundert Männer und sagte: "Zieht nun wieder die Sonne herüber!" Die fünfhundert Leute zogen die Sonne an einem Tau hinauf. Als die Sonne auf der Mitte des Weges war, war sie sehr heiß und verbrannte alles. Denn damals war der Himmel noch ganz nahe bei der Erde. Ra nahm aber ein Tau und die Kiste aus Stein, in der die Sonne eingeschlossen war. Ra fing die Sonne. So wurde denn der Tag sehr kurz. Die Leute schrien. Die Leute sagten: "Wir wollen einen langen Tag haben! Dieser Tag war ZU



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kurz! Gib uns einen längern Tag!" Die Leute schrien zu Audu Kaderr(e). Die Leute schrien zu Ra. So wurde der Tag wieder länger.

Die Sonne heißt aber seit damals Rana, weil sie der Ra gehört. Auch betrachten die Haussa die Sonne deswegen, weil sie der Ra gehört, als Frau und nennen sie Wotsche Rana. Fernerhin erzählten die Haussa, daß Audu Kaderr(e) anfangs den Ferrin-rago (d. h. weißer Widder), den man auch Schefu nannte, mit Rana in einem Haus aus Stein zusammen leben ließ, daß Ra dann aber die Sonne herausgeholt hätte. Diesen Ferrin-rago bezeichnen die islamitischen Haussa heute als Alhadji-rago.

Ra, die Göttin der Sonne, ist durchaus ein Alledjenu der Bori. Man opfert dem Alledjenu Ra einen Wake-Wake, das ist ein Widder, dessen Kopf schwarz ist, der aber schwarz und weiß gefleckten Leib und Glieder hat.


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