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Kapitel 

DÄMONEN DES SUDAN


ALLERHAND RELIGIÖSE VERDICHTUNGEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE


1. Mai-kaffo

An die Spitze mag zunächst die eigenartige Trilogie von Maikaffo, Rana und Mekirabo gestellt werden. Mai-kaffo ist ein Alledjenu, der in alter, alter Zeit Führer aller Büffel (Alledjenu) war. Mai-kaffo war nicht ganz Büffel und war nicht ganz Mensch. Mai-kaffo war aber etwas vom Büffel und er war etwas vom Menschen. Mai-kaffo war nicht ganz Vogel und war nicht ganz Büffel. Mai-kaffo war aber etwas vom Vogel und er war etwas vom Menschen. Mai-kaffo war nicht ganz Büffel und war nicht ganz Antilope. Mai-kaffo war aber etwas vom Büffel und er war etwas von der Antilope. Mai-kaffo hatte Hörner und war Führer aller Büffel (Bauna). Mai-kaffo lebte im Busch. In jener Zeit gab es aber keine Medizin (soll sagen: unter den Menschen fehlte damals noch die Kenntnis der Medizin). Mai-kaff o lebte im Busch in einem alten Samia (Tamarindenbaum). Mai-kaffos Wahrsager (=Boki; entspricht den Babalawo der Joruba) war die kleine Antilope Gadda.

Einmal ging ein Jäger in den Busch. Der Jäger traf Mai-kaffo und ließ ihn herankommen.

Mai-kaffo machte Freundschaft mit dem Jäger. Der Jäger bat Mai-kaffo. Der Jäger sagte: "Bei uns gibt es keine Mittel gegen Krankheiten. Bei uns gibt es keine Mittel gegen Maji (Subachan). Bei uns gibt es keine Mittel gegen schlechte Dodo (Gespenster). Bei uns gibt es keine Mittel gegen das Schlechte." Mai-kaffo sagte: "Das ist keine Schwierigkeit, denn mir gehören alle Bauna. Jeder von den Bauna kann aber sehr vieles sagen. Das ist mir also nicht schwer." Der Jäger und Mai-kaffo machten miteinander Freundschaft. Dann ging der Jäger fort. Der Jäger ging nach Hause.

Am andern Tag sagte Gadda zu Mai-kaffo: "Mai-kaffo! Serkin Bauna! Heute wird der Mahalbi (Jäger) wieder zu dir kommen Der Mahalbi wird dir Schönes bringen." Mai-kaffo sagte: "Der



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Mahalbi wird wieder zu mir kommen. Es ist gut, wenn der Mahalbi wieder zu mir kommt. Wird der Mahalbi mir denn nicht etwa Schlechtes tun wollen?" Gadda sagte: "Nein, der Mahalbi kann nichts Schlechtes gegen dich tun. Denn der Mahalbi fürchtet dich zu sehr. So ist er!" Mai-kaffo sagte: "Dann ist es sehr gut, wenn der Mahalbi kommt. Dann freue ich mich auf den Besuch des Mahalbi."

Der Jäger machte sich auf den Weg. Der Jäger hatte Summa (Honig), der war sehr süß. Den Honig nahm der Mahalbi und machte sich auf den Weg zu Mai-kaffo. Der Jäger kam zu Maikaffo. Er gab Mai-kaffo den Honig und sagte: "Nimm dies und versuche es, es ist süß." Mai-kaffo nahm den Summa. Mai-kaffo versuchte ihn und sagte: "Woher bekommst du den Honig? Mir gehört doch all dieser Busch mit allen Bauna und allem andern. Es kann niemand hier Honig ohne mein Wissen aus dem Busch nehmen. Dieser Honig ist aber sehr süß. Wo hast du den Honig herbekommen?" Der Jäger sagte: "Mein Serki gab mir den Summa. Die eine Hälfte dessen, was mir mein Häuptling gab, habe ich selbst gegessen. Die andere Hälfte habe ich aufgehoben und habe ich dir hier gebracht, weil du doch nun mein Freund bist." Der Mai-kaff o sagte: "Du hast mir etwas gebracht, was mir gut geschmeckt hat. Du bist wirklich mein Freund und ich will dir auch ein großes Geschenk machen. Ich schenke dir einen Büffel. Du kannst ihn töten." Mai-kaff o zeigte dem Jäger einen großen Büffel. Der Jäger schoß auf den Büffel. Der Jäger tötete den Büffel. Der Jäger schnitt den Büffel auf. Der Jäger trug alles Fleisch nach Hause.

Der Jäger kam wieder in den Busch. Der Jäger dankte Mai-kaffo. Der Jäger fragte Mai-kaffo: "Was kann ich dir bringen? Sage mir, was dir recht ist!" Mai-kaffo sagte: "Wenn du mir Tiere bringen willst, so bringe mir solche von schwarzer Farbe. Wenn du mir Stoffe bringen willst, so bringe mir solche von schwarzer Farbe. Meine Wohnung ist die Samia (Tamarinde). Binde schwarzen Stoff um die Samia. Das ist das, was mir angenehm ist." Der Mahalbi sagte: "Du hast mir ein großes Geschenk gegeben. Du bist der Herr aller Bauna. Die Bauna wissen alles, was im Busch wächst. Ich gebe dir alles, was du gern hast." Der Jäger ging. Der Jäger kam nach Haus.

Der Jäger bereitete einen schwarzen Stoff. Den Stoff band er um eine Samia. Der Jäger brachte Mai-kaff o viele schwarze Tiere. Maikaffo gab dem Jäger die Kenntnis aller Medikamente. Der Jäger lernte viele Medizinen kennen. Der Jäger ward ein sehr angesehener



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Mann. Der Jäger war mit einer Frau verheiratet. Mai-kaffo hatte einen Sohn, der hieß Mekirabo. Mekirabo war sehr reich. Mekirabo konnte alles geben, was man wünscht. Mekirabo gab gern, wem er wohl wollte. Wenn nun der Jäger Mai-kaffo (durch Opfer an der Tamarinde) rief, dann kam Mai-kaffo. Mekirabo kam aber mit. Mekirabo besuchte die Frau des Jägers. So kam viel Reichtum zu der Frau des Jägers, und so brachte der Jäger den großen Mai-kaffo, seine Frau aber Mekirabo mit ins Dorf.

Daher ist zwar die Magadja die Herrin aller Alledjenu, aber wenn sie dem Mai-kaffo oder dem Mekirabo opfern will, dann muß sie immer einen Jäger bitten, gegenwärtig zu sein. In der Gegenwart und unter Beihilfe des Jägers opfert sie dann dem Mai-kaffo schwarze Tiere. Wie gewaltig die Macht Mai-kaffos sogar bei der Wahl und der Ernennung der Magadja ist, das werden wir sogleich sehen.

Mai-kaffo ist in gewissem Sinne der Jupiter unter den Borigöttern, und zwar Pluvius und Tonans. Mai-kaffo hat nämlich den a'Radu oder Arado (d. i. der Donner) und den Tsauwa (d. i. der Blitz) in seiner Gewalt. Mai-kaffo gibt auch den Regen. Deshalb ist jeder, den Mai-kaffo besucht, ein reicher Mann; Regen befruchtet reichlich seine Felder.

Nun ist die Magadja die Herrin und Führerin der Bori, die Pythia der Haussa. Es entspricht aber genau den sonstigen Analogien und Beziehungen, daß diese Pythia durch Jupiter in ihr Amt in folgender Weise eingeführt wird. Diese Pythia hat nämlich stets einen eisernen Stab, der Mai-kaffo heißt. Nun heißt Ma-i-kaffo =Herr ma des Hornes =kaffo (Ma[i] Ma in Ma[i] doki oder in Madugur; Herr des Pferdes oder Herr der Städte usw.). An diesen Mai-kaffo sind zuweilen Hörner ausgeschmiedet oder aber auch echte angebracht.

Gesehen habe ich selbst nur Mai-kaffos mit ausgeschmiedeten Hörnern, mit Kettenringen oder in Schlangenform ausgeschmiedete. An den richtigen Mai-kaffos werden niemals Klingeln oder Schellen wie an andern Eisenstäben dieser Art angebracht. Die Mai-kaffos in Windungen erinnern an die Blitzschlangen. Wir sehen also, wie bei Äthiopen, Kameruns Blitzschlange, Büffelhorn und Holz (hier Tamarinde) als Wohnort und Ausdrucksform der höchsten Gottheit erhalten, und es ist demnach ganz logisch, daß die Magadja auch die Herrin der Kankarra genannten Donnerkeile, alias Steinwerkzeuge, ist, die im Haussalande allerdings selten genug gefunden werden. —Nun ist es sehr interessant, wie die erste Magadja in den



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Besitz des sie erst zur Magadja machenden Eisenstabes, des Maikaffo gelangt.

Zur Magadja wird ein Borimädchen nur durch direkte Ernennung, durch Wahl, die die Gottheit selbst trifft. Es ist genau so wie bei den Schamanen von den Homburri-Bergen bis nach Bassari. Sie wird vom Gott erwählt, wenn sie noch ganz klein ist, und jedenfalls lange ehe sie mit einem Manne etwas zu schaffen haben kann. Die Ernennung erkennt man aber daran, daß dem unschuldigen kleinen Mädchen mit einem Male der Leib anschwillt, gleich wie einer Schwangeren. Wenn die Borileute sehen, daß dieses einem kleinen Mädchen ihrer Gemeinde widerfährt, so sagen sie zum Vater: "Sieh deine Tochter! Wir werden eine neue Magadja gewinnen." Der Vater aber sagt: "Ja, ich habe es wahrgenommen. Ich will das Opfer herrichten." Dann läßt der Vater des kleinen Mädchens vom Schmied ein Stück Eisen in Walzenform herstellen. Über diesem Eisenstück werden dann hundertundsieben schwarze Tiere geopfert, in solcher Reihe: erst werden dreiundfünfzig Paare schwarzer Tiere, also immer zusammen ein männliches und ein weibliches, geopfert. Als hundertundsiebentes folgt eine schwarze Henne und als hundertundachtes und letztes Tier ein roter Hahn. Wenn dieses Opfer vollendet ist, geht die Schwellung des Kindes zurück, und zwar gleichzeitig mit der nun folgenden Arbeit des Schmiedes: Der Schmied formt aus der Eisenwalze den Mai-kaffo-Stab, der in Zukunft das Signum der Magadja ist.

Der rote Hahn als letztes Tier gemahnt uns aber wieder an das immer wiederkehrende Symbol des Feuers, des Blitzes!


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