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Kapitel 

DÄMONEN DES SUDAN


ALLERHAND RELIGIÖSE VERDICHTUNGEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

7. Adje (Kaninchen) überlistet Leopard und Löwen

Adje hatte fünf Kinder und Afi, der Leopard, hatte fünf Kinder. Beide waren sehr befreundet miteinander. Beide gebaren ihre Kinder zur gleichen Zeit. Beide hatten danach großen Hunger. Denn es gab nirgends etwas zu essen. Adje sagte zu Afi: "Ich habe großen Hunger, was machen wir ?"Afi sagte zu Adje: "Ich habe auch großen Hunger, was machen wir?"

Adje sagte zu Afi: "Töte doch zwei deiner Kinder und iß sie auf!" Afi nahm zwei seiner Kinder und tötete sie. Er nahm eines und gab es Adje. Afi aß das eine Kind auf. Adje legte das andere Kind zur Seite. Am andern Tag sagte Afi zu Adje: "Heute töte du nun zwei deiner Kinder, damit wir etwas zu essen haben."Adje tötete seine Kinder nicht, sondern versteckte sie. Er nahm aber das Kind, das Afi am vorigen Tag getötet und ihm gegeben hatte, und gab es Afi. Er sagte zu Afi: "Hier hast du ein Kind, iß es!" Afi aß das Kind



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auf. Am andern Tag tötete Afi zwei Kinder, gab eines davon Adje und sagte: "Da hast du eines, iß es."Adje brachte das Kind beiseite. Afi aß sein Kind. Am andern Tag sagte Afi zu Adje: "Heute töte du nun wieder zwei deiner Kinder, damit wir etwas zu essen haben."Adje nahm darauf das Kind, das Afi ihm am vorigen Tag gegeben hatte, gab es Afi und sagte: "Hier hast du ein Kind, iß es!" Afi aß das Kind auf. Am andern Tag sagte Adje zu Afi: "Wir haben solchen Hunger. Warum kannst du das letzte deiner Kinder nicht töten, daß wir es essen!"Afi nahm das letzte seiner Kinder. Er tötete es; er teilte es; er aß seine Hälfte und gab die andere Hälfte Adje. Adje legte die Hälfte des Kindes beiseite. Am andern Tag nahm er sie und brachte sie Afi. "Hier ist die andere Hälfte des letzten Kindes."

Am nächsten Tag kam Afi zu Adje, um ihn zu besuchen. Afi kam in Adjes Haus, als Adje abwesend war. Afi sah alle fünf Kinder Adjes. Afi sah, daß Adje keins seiner Kinder getötet hatte. Afi fragte die Kinder Adjes: "Wo ist eure Mutter?" Die Kinder Adjes sagten: "Unsere Mutter ist in den Busch gegangen, Essen für uns zu holen. Unsere Mutter bringt uns jeden Morgen Essen aus dem Busch. "Afi sagte: "Ich will warten, bis eure Mutter heimkommt."Afi wartete. Adje kam. Afi sagte zu Adje: "So hast du es gemacht, daß ich alle meine fünf Kinder aß! Deine Kinder leben aber alle!"

Afi ging zum König. Das war Asenkun. Afi sagte: "Rufe alle Tiere zusammen. Ich muß mich schwer über Adje beklagen!"Asenkun rief alle Tiere. Es kamen Unji (der Elefant) und Taini (Hyäne; Plural: thami) und Uidji (wilder Büffel) und viele andere Tiere. Asenkun sagte zu Taini: "Geh hin zu Adje und rufe ihn hierher!" Taini ging. Taini kam zu Adje. Taini sagte zu Adje: "Der König läßt dir sagen, du sollst zu ihm kommen."Adje sagte: "Ach, ich bin so krank! Ach, ich kann nicht aufstehen und gehen."Tami kam zurück zu den andern Tieren und sagte: "Adje ist so krank. Adje kann nicht aufstehen und gehen!"

Asenkun sagte: "Dann will ich selbst hingehen. Asenkun machte sich bereit. Akun (der Varanus; in Haussa demu; in Joruba = aglanti; in Nupe =ebo) hörte es. Akun lief schnell zu Adje und sagte: "Bereite dich vor! Asenkun will selbst zu dir kommen." Adje sagte zu seiner Frau: "Asenkun kommt selbst! Binde mich!" Adjes Frau band ihren Mann ein. Sie steckte ihm Baumwolle in beide Backen. Dann nahm die Frau Adjes ihren Mann in die Arme wie ein kleines Kind. — Asenkun kam. Asenkun sagte: "Wo ist dein Mann?" Frau Adje sagte: "Mein Mann ist nicht hier. Ich will



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ihn aber rufen. Halte derweilen das Kind." Asenkun nahm das Kind in seine Arme. Frau Adje lief weg, um ihren Mann zu rufen.

Als die Frau weg war, spie Adje von der weißen Baumwolle aus und auf Asenkuns Beine. Asenkun sprang auf. Er rief: "Das Kind beschmutzt mich. Er warf das Kind weg. Er sprang ins Wasser, um sich von dem weißen Schmutz (der Baumwolle) zu reinigen. Adje sprang inzwischen ins Haus. Adje sagte zu seiner Frau: "Asenkun ist im Wasser. Frage ihn, wo er dein Kind hat. Ich will inzwischen die Kinder wegbringen." Frau Adje ging hinaus, (Vgl. das gleiche Motiv in einer in Bena Lussambo gesammelten Legende.)

Frau Adje kam an das Wasser. Sie sagte zu Asenkun: "Wo hast du mein Kind? Oh, du hast sicher mein Kind im Wasser getötet!" Asenkun kam aus dem Wasser. Adje kam aus dem Hause. Adje sagte: "Meine Frau hat dir mein Kind zum Halten gegeben. Wo hast du mein Kind?" Asenkun sagte: "Nun, komm erst einmal mit zum Gericht."

Adje sagte: "Ich bin krank. Ich kann nicht mit zum Gericht gehen." Asenkunsagte: "Wenn du nicht gehen kannst, will ich dich tragen. Steige auf meinen Rücken!"Adje sagte: "Dann muß meine Frau aber einen Sattel (Joruba =sidi) bringen, damit ich fest sitzen kann." Asenkun sagte: "Wenn du dann fester sitzt, leg einen Sattel auf!" Adje legte einen Sattel auf. Adje sagte: "Dann muß meine Frau aber erst ein Gebiß bringen, damit ich mich daran festhalten kann." Asenkun sagte: "Wenn du dich besser halten kannst, lege ein Gebiß an (Gebiß nadjan)."Adje legte Asenkun ein Gebiß mit Zügel an. Dann ging Adje hinein ins Haus. Er legte seine besten Kleider an. Er setzte seinen großen Hut (akata) auf, weil es so heiß war. (Er war also gekleidet wie ein ganz großer Herr.) Dann band er noch die Sporen (=djiga) an. So kam Adje heraus und stieg auf Asenkun, der angezäumt war.

Adje ritt auf Asenkun zu der Stelle, wo alle Leute auf ihn warteten. Als er ganz dicht an dem Platze war, gab er Asenkun die Sporen, so daß er erst über den Gerichtsplatz hinwegritt, dann wendete er Asenkun und kam zurück auf den Gerichtsplatz. Alle Tiere waren rundherum versammelt. Adje stieg ab. Er band Asenkun mit einem Pferdestrick an einer Baumwurzel fest.

Asenkun stieg in Wut mächtig auf. Asenkun zerriß den Strick, an dem er festgebunden war. Dann stürmte Asenkun auf die andern Tiere zu, weil Adje hinter sie getreten war. Alle Tiere stürzten sogleich hinweg. Sie erschraken so, daß sie nach allen Seiten auseinandersprangen.



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Der Löwe war wütend, daß alle fortliefen. Er stürzte auf den Büffel zu, um ihn fest zu packen und zurückzuhalten. Asenkun rief den Tieren nach: "Lauft alle hinter Adje her und faßt ihn, denn Adje hat sehr Schlechtes getan." Die Tiere aber liefen weiter weg und riefen zurück: "Das Tier, das auf dir reitet, ist stärker als wir alle, das können wir nicht festhalten."Seitdem ist Asenkun so wütend, daß er alle Tiere im Busch packt und tötet.


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