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Kapitel 

DÄMONEN DES SUDAN


ALLERHAND RELIGIÖSE VERDICHTUNGEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

h) Totemismus, Aki-kattasystem und Weltanschauung (Gestirne usw.)

Wir haben nun schon mehrfach im vorhergehenden Spuren totemistischer Bildung getroffen. Da waren Masken von Krebs-, Krokodil-, Büffel- und Affenursprung. Der wesentliche Beleg früheren guten Totemismus ist, daß das betreffende Tier nicht gegessen werden darf, während die andere, mehr fundamental-soziale Forderung des Totemismus, der Exogamie, sich hier nicht zeigt. Ein Beispiel ist die Königsfamilie, die als Speiseverbot (nicheche; in Haussa = sore oder zore; in Nupe =Njeji; in Joruba Ewuo) das Krokodil (=anomi) und die Schlange (=anjon) haben. Von ihr geht eine Sage, daß ihre Mitglieder dereinst nicht solche heiraten durften, die gleichen Nicheche unterworfen waren. Aber es ist das nur eine ganz alte Erinnerung, und in Wahrheit kümmert sich niemand darum. Dies ist auch nicht so sehr schwer zu verstehen. Man braucht nur das Wuchern des Maskenwesens, das tropisch verwucherte Aku-masystem zu betrachten, und man erkennt ohne Schwierigkeit den Grund der Vergessenheit.

Nun wissen wir, daß bei den Joruben, den Vettern der Jukum, das sozial theistische Orischasystem die klarste Form älterer Religion darstellt, die wir überhaupt kennen. Mythologie, Totemismus, Manismus, Götterdienst sind in der vollkommensten Weise angeordnet und in einem so klaren System gemeinsam aufgebaut, wie wir das von keinem andern Volke kennen. Der Orischa, der göttliche Sippenahnherr, verkörpert eine Naturgottheit, deren Dienst mit der Opferung bestimmter Tiere verbunden ist. Daraus ergeben sich die Speiseverbote, deren Innehaltung der exogamischen Regelung als Richtschnur dient. Wir haben nur die einzigen Joruben als Vollbesitzer dieses ausgezeichneten Systems altmythologischsozialer Religionsbildung. Wir können aber bei den Jukum wenigstens soviel beweisen, daß diese solchen Besitz in irgendeiner mehr oder weniger übereinstimmenden Form auch einmal gehabt haben. Das System ist allerdings ganz verfallen, und nur einige wenige alte Männer können noch die wenigen Anhaltspunkte geben, die vielleicht einer späteren Rekonstruktion dienlich sein können.

Der Name für Orischa, für Sippen- oder Familiengott, ist in Jukum



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Aki-katta. Jede Familie (in Jukum Oaraken; in Joruba =Iran; in Haussa = Kakani; in Nupe Geberre) hat demnach ursprünglich ihren Aki-katta. Die Zusammenfassung aller Anhänger des gleichen Aki-katta, die früher auch von ihm abzustammen behaupteten, hieß Abantschibuki. Die Heirat in der gleichen oder eigenen Abantschibuki war ausgeschlossen. Im Aki-kattadienst folgten die Kinder dem Vater. Jede Aki-kattaanhängerschaft hatte ihre cheche oder scheche, ihr Speiseverbot.

Diese Aki-kattas hatten nun auch symbolische Darstellungen, sinnliche Bildnisse, vor denen die Opfer dargebracht wurden. Wir werden einige eingehender kennenlernen. Der Zusammenhang der heiligen Opferstelle und des Aki-kattadienstes ist oft zu erkennen. Bei den meisten hat ihn aber das Volk vergessen. Die meisten haben noch ihre oft merkwürdig genug gebildeten und ausgestalteten Opferplätze, haben aber vergessen, was es eigentlich für ein Gott war, dem sie opfern oder angehören. Sie kennen seinen Namen, die Art, wie man weiht, aber ob es der Gott eines Elementes oder einer Pflanze oder was sonst ist, das wissen sie nicht. Wirklich klar erhaltene Aki-kattas sind: Anjunu der Sonnengott, Ajen der Erdgott, Putji der Gewittergott usw. Den Mond wollte niemand so recht als Aki-katta gelten lassen. Wir wollen der Reihe nach erst einige Aki-katta und ihre Verehrungsform ansehen.

Aki Tschunjande. Der Donnergott Tschunjande (in Joruba Schango; in Nupe Sogba oder Sokoba; in Haussa angeblich Aradu) soll früher eine große Familie besessen haben. Die Legende erzählt: Eine Frau ging einmal in den Busch, um Holz zu holen. Sie sah einen Stein. Der Stein schlief unter der Wurzel eines Baumes. Die Frau sagte: "Das ist ein schöner Stein. Was könnte ich mit ihm tun? Ich werde ihn mit nach Hause nehmen." Die Frau nahm den Stein auf. Sie steckte ihn zu sich; sie brachte ihn heim. Ihr Mann sagte: "Du brachtest den schönen Stein hier. Weißt du, was vorher mit ihm war? Dieser Stein ist nicht eine Spielsache. Komm mit, wir wollen einen Anukomann fragen, was es mit dem Stein ist." Die Frau sagte: "Das ist mir recht." Der Mann ging mit seiner Frau und mit dem Stein zu einem Manne, der das Anuko verstand, und sagte: "Sage uns, was es mit dem Stein ist." Der Anuko warf seine Orakel. Dann sagte er: "Das ist ein Scheche- (=Verbot, entspricht dem Ewuo der Joruba) Stein (ein heiliger Stein). Wenn ihr den Stein auf den Kopf eines Topfes legt und wenn ihr dann sagt: ,Der Stein soll den und den töten', dann vermag er es. Geht also damit nach Hause und hebt ihn wohl auf!" Der Mann ging mit seiner Frau und mit dem Steine heim.

Ungefähr zehn Tage, nachdem das geschehen war, kam ein Dieb in das Haus dieses Mannes und stahl. Am andern Morgen nahm



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der Hausherr das wahr. Er ging darauf wieder zu dem Anukomanne und fragte ihn: "Was soll ich tun? Es stahl jemand nachts in meinem Hause." Der Anukomann sagte: "Bereitet Bier, einen kleinen Topf voll. Schneidet einen dreiarmigen Zweig und nehmt einen Topfteller. Den dreiarmigen Zweig steckt in die Erde, so daß die Arme nach oben ragen. Da hinein stellt den Teller; auf den Teller legt den Stein, den deine Frau neulich fand. Danach schlachtet einen Hahn (Akuijaonu), tötet den, tropft das Blut auf den Teller und den Stein. Opfert das Bier darüber. Was ihr wünscht, das sprecht dann aus!" Der Mann ging mit seiner Frau wieder nach Hause. Er tat, was der Anukomann ihm geraten hatte.

Der Mann schlachtete den Hahn; er tropfte das Bier über den Stein aus. Er sagte: "Vorige Nacht hat ein Dieb bei mir gestohlen. Was kann ich gegen ihn tun? Ich bitte dich, hilf mir." Darauf begann der Himmel sich schwarz zu färben. Es begann Regen zu fallen. Ein Gewitter begann. Die Blitze kamen herab. Dann sahen sie ein Haus im Dorfe aufflammen und abbrennen. Durch den Blitz wurde der Mann, der darin gewohnt hatte, herausgeschleudert und die gestohlenen Sachen wurden auch herausgeworfen, so daß sie auf die Brust des Diebes niederfielen. Rechts und links von dem brennenden Hause waren viele Häuser, aber keines brannte ab. Das Gewitter hörte sogleich auf.

Der Mann und die Frau gingen sogleich zu dem Anukomanne und fragten ihn: "Was soll das bedeuten?" Der Anukomann sagte: "Das ist der Mann, der euch bestahl. Euer Stein tat das. Dieser Blitzstein (=Aban) ist von Tschunjande gesandt. Spielt nicht mit ihm. Er ist sehr stark." Die Leute fragten den Anukomann: "Was ißt dieser Aba(n) ?" Der Anukomann sagte: "Gebt ihm vor allem Hähne und Schafböcke (Adun; also sind die Opfertiere noch genau so erhalten wie bei den Joruba, Hahn und Schafbock für Schango!), dann Bohnen (asso; in Haussa nanke) und gekochten Jams mit Öl zubereitet. Wenn aber der neue Jams jung ist, mag ihn Tschunjande nicht. Er nimmt ihn erst an, wenn drei Monate vergangen sind, seitdem er aus der Erde genommen wurde." Der Mann und die Frau taten danach. Sie waren die Eltern der Familie, die Tschunjande verehrt. Der junggegrabene Jams ist aber das Speiseverbot der Verehrer dieses Aki-katta.

Sonne und Mond. Die beiden Hauptgestirne haben einen recht großen Sagenkreis. Wir beginnen mit dem, was von der Sonne erzählt wird.

Anjunu, die Sonne, war früher ein Pferd (Anwing). Das Sonnenpferd lief im Anbeginn im Busch umher. Ein Jäger sah das Sonnenpferd. Er sagte: "Was ist das für ein Tier, das wie Feuer im Busch umherläuft? Es wird nicht gut sein, wenn ich dieses Tier schieße."



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Der Jäger steckte den Pfeil wieder in den Köcher und ging nach Hause. Er ging zu einem Anukomann und sagte: "Ich sah heute ein Pferd im Busch. Das war wie Feuer. Ich konnte nicht danach schießen. Was ist das?" Der Mann warf seine Anukoschnüre und sagte: "Das Tier, das du im Busch gesehen hast, ist kein gewöhnliches Pferd; das ist Anjunu, die Sonne."

Anjunu, der Aki-katta der Sonne, sagte: "Wenn ich so im Busch weiter herumlaufe, wird mich doch noch eines Tages ein Mann fangen. Ich will lieber emporsteigen." Darauf stieg Anjunu empor. Aber wenn Anjunu Lust dazu hat, kommt Anjunu heute noch auf die Erde herab und läuft als feuriges Pferd da umher, wo keine Menschen sind. An den Tagen, an denen die Sonne nicht heiß brennt, läuft Anjunu im Busch als Feuerpferd umher.

Nun der Mond.

Der Mond (=Assun; in Haussa =Watta; in Nupe Esso) war vordem ein Schafbock (=Adun). Dieser Schafbock pflegte auf der Erde immer dahin zu gehen, wo das Sorghum gestampft ward, dort stahl er. Eines Tages fingen die Leute den diebischen Schafbock und banden ihn im Hause an. Den andern Morgen wurde es nicht hell. Es blieb dunkel. Die ganze Zeit blieb es dunkel. Sie riefen alle klugen Leute zusammen. Einer sagte: "Ich habe heute in meinem Hause etwas gesehen, das war früher nicht drin." Die Leute sagten: "Man soll das herausbringen." Die Leute gingen hin. Die Leute brachten es heraus. Die klugen Leute sagten: "Das ist ein Schafbock." Einer der klugen Leute fragte: "Wo habt ihr den Schafbock denn her?" Die Leute sagten: "Dieser Schafbock fraß immer unser Sorghum, da wo er gestampft wird. Da sind wir denn gestern hingegangen und haben ihn gefangen und im Hause angebunden." Der kluge Mann sagte: "Es wird besser sein, wir lassen diesen Schafbock frei." Der Schafbock sagte selbst: "Was ihr mit mir getan habt, war nicht gut für mich." Die Leute banden ihn los. Darauf sprang der Schafbock in die Höhe, ganz hoch hinauf. Der Schafbock ward nun zum Monde; vorher hatte es keinen Mond gegeben. Es wurde hell und dann kam die Sonne (Anjunu; in Haussa =Rana). Es ward Tag.

Hier möchte ich eine Randglosse einschieben. Ich kenne das Motiv sowohl von den Togostämmen und von Kassaiden. Überall ist die Sonne der gefangene Dieb; also nehme ich an, daß dies auch hier in Jukum vorliegt und daß dieser Schafbock auch die Sonne verkörperte. Das scheint mir auch aus dem Schlusse hervorzugehen.

Weiter eine Legende vom Streit der Gestirne:

Zwischen Sonne und Mond entstand einmal Streit über den Weg, den sie herabliefen. Der Weg der Sonne ist nämlich ein guter, breiter Weg. Auf dem Wege des Mondes sind aber viele steinige



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Spitzen, die den Fuß verletzen. Einmal wollte der Mond auf den' guten Wege der Sonne laufen. Da ward aber die Sonne sehr böse. Sie fing den Mond. Dann steckte die Sonne den Mond in den Mund. Das war aber nicht nur einmal, sondern das kommt von Zeit zu Zeit vor (Sonnenfinsternis). Wenn der Mond dann bettelt: "Laß mich wieder gehen!" so läßt die Sonne den Mond wieder frei. Die Sonne sagt dann aber zum Monde: "Geh du aber auf deinem schlechten Wege!"

Wie schon oben bemerkt, gilt eigentümlicherweise nur die Sonne, nicht der Mond als Sippengottheit. Der Name der Familie der Sonnennachkommen ist Apa-wunjunu. Der König gehört ihr an und er hat seine eigene "Sonnenbank". Was das heißt, soll sogleich erklärt werden. Die Sonne scheint vor allen Dingen von Wanderern und Kauffahrern verehrt zu werden -natürlich immer mit Ausnahme der eigenen Familie, die ihr selbstverständlich höchste Verehrung entgegenbringt. Unwahr ist, was mir zuerst gesagt wurde, daß nur Mitglieder der Sonnenfamilie diesem Kultus huldigen. Das würde nirgends dem Sinn dieser alten Mythologie entsprechen und stimmt auch hier nicht mit den Tatsachen überein. Die Verehrung der Aki-katta entspricht vielmehr ganz genau dem Orischasystem der Joruba. Zunächst hängt also jeder Mann an seinem Ur-Aki-katta-Ahnen, aber wenn es die Not oder ein Wunsch bedingt, kann er sich immer an jenen Aki-katta wenden, der just die maßgebende Kraft beherrscht; also wer mit der Fruchtbarkeit etwas zu tun hat, wendet sich an Ma, ob er nun ein Ma-Nachkomme oder ein Sohn des Gewitters ist. Die Verehrung der Sonne hat aber folgende Hauptzeremonie.

Man sagt, Njunu (die Sonne, ein andermal hören wir Anjunu) tue alljährlich dasselbe Werk: sie gibt zu essen. Deshalb wendet man sich gerne an sie, wenn man von den väterlichen Eßkalebassen fort und einer auf dem Gebiete der regelmäßigen Ernährung jedenfalls sehr unsicheren Zukunft entgegengeht. Wenn daher - besonders in älterer Zeit wurde das eifrig geübt - ein junger Mann in ein anderes Land ging, um etwas zu kaufen oder zu verkaufen, so setzte er vor den Toren seiner Heimatstadt am Kreuzwege (Adschuadanja; in Joruba =Irrita; in Haussa Magami-hanja; in Nupe =Jekokefi) eine kleine Erdbank. Auf sie steckte er Blätter vom Baume Anjo, den die Joruba Jgba, die Haussa Doroa, die Nupe Lonschi nennen und der kein anderer ist als der, von dem die Mande ihre Sumpalabrühe bereiten (Parkia). Dann trug er zwei Hühner (Hahn oder Huhn) und eine Ziege hinaus, schlachtete sie und goß deren Blut über die Opferbank. Mit den geschlachteten Tieren ging der Apan-saki heim, bereitete selbst gute Suppe und guten Brei oder ließ sie bereiten und brachte von beidem auf die Sonnenbank.



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Danach entkleidete er sich vor der Opferstätte vollkommen. Er legte auf die andern Opfergaben die beiden Hühnerköpfe und eine Keule der Ziege. Er kniete nieder und betete etwa folgendermaßen: "Ich bin ein junger Mann, der als Kaufmann (=Sukiom; in Haussa —Katanssi; in Joruba =Isoowo; in Nupe =Kotagwa) in ein anderes Land geht. Du, Sonne, mach mir an allen Orten, an die ich komme, alles recht. Wenn ich gut von der Reise heimkehre, werde ich dir von allem guten, was ich mitbringe, etwas abgeben." Danach kleidet der junge Mann sich wieder an und geht heim.

Am andern Tage begibt er sich auf die Wanderschaft. Seinem Glauben nach wird er nun überall gut geschützt werden. Überall wird es ihm gut gehen. Wenn er heimkehrt, wiederholt er das Opfer. Dieses Mal sagt er seinen Dank. Er muß aber nun sein Versprechen erfüllen und von allem Guten, Gewonnenen der Sonne auf der Sonnenbank (=twun) etwas abgeben.

Andere Gestirne. Was die Jukum von andern Gestirnen zu sagen haben, ist schnell wiedergegeben.

Die Plejaden heißen Atsui-abadjindjen. Einst kam eine Henne auf die Erde mit einer andern zusammen. Das erste Huhn legte Eier. Küken krochen aus. Ein Habicht (Aljene; Joruba =Audi; in Haussa =Sirrua; in Nupe =Nugbi) pflegte von oben nach unten herabzustürzen, die Küken der Henne zu packen und mit ihnen wegzufliegen. Das zweite Huhn legte auch Eier. Das zweite Huhn brütete seine Eier auch aus und dann krochen die Küken aus. Der Habicht kam nicht und nahm die Küken der zweiten Henne nicht, sondern nahm immer die Küken der ersten Henne. Darüber wurde die erste Henne sehr böse und sagte: "Meine Küken werden immer genommen. Die Küken der andern Henne werden nie genommen. Ich will damit nichts mehr zu tun haben. Ich gehe nach oben in den Himmel." Das Huhn machte sich auf den Weg. Nachdem es eine Zeitlang gegangen war, traf es am Wege einen Mann mit Pfeil und Bogen (also Jäger) mit seinem Hunde. Sie fragte den Jäger: "Ich gehe hinauf in den Himmel, willst du nicht mit mir gehen?" Der Jäger sagte: "Weshalb soll ich nicht mit dir gehen? Weshalb soll ich hier bleiben? Ich gehe mit dir." Darauf ging die Henne mit ihren Küken voran und der Jäger mit seinem Hunde folgte nach. Nach einiger Zeit trafen sie Adje (siehe unten) am Wege. Der Jäger ließ seinen Hund los und sagte ihm: "Faß den Adje! Faß den Adje!" Darauf jagte er den Adje vom Wege weg. Der Hund lief hinterher und der Jäger folgte. Die Henne mit ihren Küken ging allein weiter. — Die Henne mit den Küken sind die Plejaden, der Orion aber Adje, Jäger und Hund. Der Orion heißt Uassa-ndjeba-babaua-bage.

Vom Abendgestirn erzählen die Jukum folgendes:



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Die Venus heißt Adsui-auwa (der weibliche Stern). Das Mädchen war vordem die Tochter eines Königs. Das Mädchen fragte seinen Vater: "Wie kannst du es machen, daß du mich zum Monde hinaufsendest?" Der König sagte: "Du siehst selbst, der Mond ist da oben und wir sind hier unten. Wie soll ich es nun also wohl anfangen, dich da hinaufzusenden? Bleibe hier und heirate einen Mann von der Erde." Das Mädchen sagte: "Gib mir genügend Sorghum, daß ich Bier brauen kann. Das will ich dem Akeboku (oder Akendju = Orischa, siehe unten) darbringen." Der König gab der Tochter Sorghum. Das Mädchen machte Bier. Der König wandte sich nun selbst an seinen Akendju, gab ihm das Bier und betete: "Meine Tochter will durchaus den Mond heiraten. Der Mond ist weit, weit fort. Ich kann es nicht machen; wenn du es kannst, tu es du, mein Akandju!" Sieben Tage, nachdem das geschehen war, kam der Mond nachts auf die Erde herab. Der Mond ging zu dem Könige. Der König rief seine Tochter und sagte: "Dies ist meine Tochter, die will niemand andern heiraten als dich. Ich habe mich an meinen Akendju gewandt. Und nun kommst du selbst herunter." Dann sagte der König zu seiner Tochter: "Hier ist der Mond, den du durchaus heiraten willst. Ich habe meinen Aki-katta Akendju zu ihm geschickt, ihn zu rufen. Er ist gekommen. Willst du nun mit ihm gehen?" Das Mädchen sagte: "Ja, ich will mit ihm gehen." Der König sagte: "Hier ist dein Ehemann. Geh mit ihm hinauf. Geh mit ihm; wenn du aber in die Mitte des Himmels kommst, dann laß ihn nach der einen Seite gehen und du geh nach der andern. Bleibe dann nicht weiter zusammen mit deinem Manne. Trenne dich von ihm. Nun geh!" Darauf ging der Mond mit seiner jungen Ehefrau von dannen zum Himmel empor. —Akendju-Akeboku ist der Spezialaki des Königs (Bauernbericht). Das ist alles, was ich über die Gestirne erfahren konnte. Daß Orion, Plejaden und Venus Aki-katta sind, scheint mir ausgeschlossen.

Putyi Regengott. Dagegen ist Putji, der den Regen spendet, entschieden ein Aki-katta im Sinne der Jukum, ein Orischa im Sinne der Joruba, ein Kuti im Sinne der Nupe, ein Saphi im Sinne der Haussa. Putji hat einen heiligen Platz im Busch, der heißt Abihuan und liegt in der Richtung zum Sonnenaufgang. Und wenn etwa ununterbrochen kein Regen fällt, dann muß Putji auf dem Abihuan ein Opfer dargebracht werden. Dieses Opfer hat der Akokoki (Priester Putjis) zu verrichten. Der Akokoki kocht daheim Sorghum, nimmt Bier und Hahn. Dazu nimmt er einen Bullen mit und zieht zum Abiluan.

Viele Leute begleiten den Priester bis zum Gehölz, lassen sich dann aber draußen nieder; denn sie dürfen nicht nähertreten. Nur



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der Priester selbst und mit ihm der König können hineingehen. Im heiligen Haine ist ein Bieko, darin in der Mitte eine Höhlung. Der König betet nun hier und der Priester vermittelt die Rücksprache mit dem Aki, dem Gotte - über die Höhlung vornübergebeugt. Fragen und Antworten gehen dann zum Gotte hin und zurück. Des Königs Gebet um Regen hat ungefähr folgenden Wortlaut:

"Das ist das Haus meiner Großväter; alles, was meine Großväter wünschen, kann ihnen der Aki Putji geben. Wir warten nun sechs Monate lang auf Regen. Aber es fällt kein Regen. Alle Menschen sind in großer Angst. Es gibt nichts mehr zu essen. Alles ist heiß, alles ist krank. Ich bitte dich, Aki, gib uns Regen! Gib uns Wind!"—— Dieses Gebet wiederholt der König zweimal. Danach werden Hähne getötet, und zwar für Wind ein weißer Hahn, für Regen ein schwarzer Hahn. Das Blut wird in die Höhle gespritzt. Das Opfer des Hahnenblutes findet auf jeden Fall erst nach Vollendung der Gebete statt.

Danach gehen Priester und König hinaus aus dem Walde zu der Stelle, wo das Volk versammelt ist. Das Volk hat inzwischen draußen von dem mitgebrachten Sorghum gegessen. Wenn es nun Nacht ist und Priester und König aus dem Busch zurückkehren, wird der Bulle geschlachtet. Dieser Bulle muß von der Fulberasse (Buckelochse) sein (in Jukum anau-birrani; in Haussa Sanu fullani; in Nupe Nan-kugue; in Joruba malubororo), es darf keiner der kleinen, bei den Munscho heimischen buckellosen Rasse sein (in Jukum Anaumintschi; in Haussa buturu; in Nupe maturu; in Joruba = kete-ku. Kommt in allen diesen Ländern nur in Borgu, dann wieder bei den Muntschi, also nirgend im Haussa-, Joruba- und Nupeland vor). Dabei ist es gleichgültig, welche Farbe der Bulle hat. Hernach wird das Fleisch ausgebreitet, in die Stadt getragen und unter die Frauen verteilt. In allen Familien soll dann abgekocht werden. Überall wird vom Putjirinde gespeist. Und jeder, der davon genießt, wird den Aki bitten, wird ihn während des Essens um Regen angehen, so daß die ganze Stadt gemeinsam im Gebet vereinigt ist. —Dann kommt sicher Regen.

Ma, der Gott der Fruchtbarkeit. Ma ist ein Aki-katta, ein Gott, der in Kidjin, in der Erde lebt. Man wendet sich an ihn, wenn man krank ist oder wenn eine sterile Frau Kinder begehrt. Eine solche Frau zum Beispiel begibt sich mit einem männlichen Hunde und einem Hahn sowie Brei und Bier zu dem Akima. Daneben trägt sie noch Bier und Brei mit einer Brühe, der aber kein Pfeffer beigefügt sein darf. Wenn nämlich in diese Brühe auch nur ein ganz klein wenig Pfeffer, und wenn auch durch Versehen, kommen sollte, so wird die Opfernde blind. — Mit diesen Opfergaben tritt also die Bittstellerin den Weg zu einem heiligen Hain im Westen der Stadt an.



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Männern und Frauen ist es gestattet, dieses Aben genannte heilige Wäldchen, das am Ajebache liegt, aufzusuchen. Im Aben ist ein Bieko, ein rundes Haus und in dessen Mitte eine etwa dreiviertel Meter hohe und dreißig Zentimeter starke, oben offene Erdröhre errichtet. Dort muß die Frau opfern. Sie beginnt mit dem Gebet: "Ich weiß nicht, was in meinem Bauche ist, daß ich kein Kind gebäre. Ich komme und bitte dich, mir ein Kind zu geben. Ich bringe dir einen Hund und einen Hahn." Danach reißt sie drehend dem Hahn den Kopf ab und wirft ihn in die Röhre (=Edji oder Edschi), läßt auch das Blut hineinlaufen. Danach schlägt sie mit einem starken Knüppel dem Hunde auf den Nacken, so daß er stirbt. Andere Frauen und auch Männer haben die Frau auf ihrem Bittgänge begleitet. Die Frauen helfen der Opfernden nun, den Hund zu bereiten. Es wird ihm zunächst der Leib aufgeschnitten, die Leber herausgenommen und diese in die Edschi geworfen. Damit ist die eigentliche Opferzeremonie zu Ende. Es wird nun abgekocht und dann der Rückweg in die Stadt angetreten. Der Akokoki (der Priester) der Gottheit steht während der Zeremonie der opfernden Frau gegenüber.

Wenn die Frau auf diese Zeremonie hin schwanger wird, opfert sie nach der vollendeten Geburt ein zweites Mal. Das wiederholt sie dann alljährlich. Ein Kind, das auf solche Zeremonie im Haine des Aki-ma geboren wurde, wird angeblich, wenn es ein Knabe ist, Batuwo, wenn es ein Mädchen ist, Auwa-ma genannt. Solche, die sich krankheitshalber an Aki-ma wenden, haben die gleichen Opfer zu bringen.

Es wurde mir einmal gesagt, daß dieses Aki-ma auch den totemistischen Masken, den Aku-ma, den ma-Namen gegeben habe. Ich kann das nur für Volksethymologie halten. Denn die andere Erklärung, daß die Aku-ma, die Aku-ama, die Akus der Vergangenheit, die Ursprünglichen usw. seien, scheint mir viel wahrscheinlicher.

Von den Aki-ma soll die Familie Ajakube abstammen, diese Familie gilt auch als Nachkommenschaft der Erde.

Opferstellen für Aki-kalla. Damit ist das, was ich über die eigentlichen Götter erfahren konnte, erschöpft. Man erkennt aus dem Zustande des hier Zusammengetragenen, daß weniger eine heilige Scheu der Bevölkerung, mir etwas zu verraten, als vielmehr der Mangel an Interesse und dementsprechende Verkümmerung für diesen Zustand verantwortlich zu machen sind. Und das wird noch dadurch erhärtet, daß es eine Unmasse durch altes Herkommen üblich gewordene Opferplätze gibt, von denen man nur weiß, daß es der Opferplatz eines Aki-katta sei, daß man da das und das und das darzubringen habe, daß aber alle Welt vergessen hat, wer der zugehörige Aki-katta war. Ich will nun die verschiedenen Arten



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der Opferstellen des Aki-kattadienstes, von denen ich hörte, aufzählen.

i. Akua ist ein Platz im Busch, an dem die Blätter zur Seite gefegt, dann eine Höhlung gegraben wird, in die man opfert.

2. Adsin sind vier kleine Töpfchen in einer Reihe. In sie sind Holzstöckchen gesteckt, Bier wird darauf gegossen.

3. Aja ist ein Topf am Eingang des Hauses, es wird bei jeder Mahlzeit hineingeopfert.

4. Abi ist ein Erdloch, in dem ein Topf steht.

5. Atessa ist ein Opfer, das eine ehebrecherische Frau vollzieht, die, während sie ein noch kleines Kind hat, sich vorzeitig von einem andern Mann als ihrem Gatten beschlafen läßt und ein Bastardkind gebiert, indes das erste Kind stirbt.

6. Akudsuen, das heißt Zwillinge, gelten immer als Aki-katta.

7. Akumfa ist ein auf der Erde stehender Tonteller.

8. Akuahua sind zwei mit den vier Enden einander gegenüber schräg eingegrabene Gabelhölzer, die zwischen den Zinken einen Topf tragen.

9. Akedji ist eine Höhlung in der Erde mit einem Lehmröhrenaufbau von zirka dreiviertel Meter Höhe.

10. Aschina ist eine Grube, darüber ein Häuschen, darüber ein Haus.

11. Ake huon-sosa wird errichtet, wenn das Guineakorn noch jung ist. Dann wird neben einem Hahn ein kleines Loch gegraben und darein eine Feder gesteckt.

12. Aschanga besteht nur aus Lehmklümpchen.

13. Akiwapan ist ein Stein, der flach auf der Erde liegt.

14. Akikuma sind drei ganz kleine Töpfe.

15. Adjuku ist ein Topf in der Mitte, ein Kreis Erdbällchen darum herum.

Jeder andere wird diese Reihe mit ebenso großem Mißtrauen betrachten wie ich zunächst auch. Wie Nr. 5 und 6 usw. in einem Orischakreis Bedeutung besitzen sollen, das ist mir unklar gewesen, bis mir ein glücklicher Zufall nach langem Nachdenken den Weg zeigte.

Aki heißt, wie oben gesagt, Seelen der Verstorbenen gleich den Egun der Joruba. Katta als Akatta heißt aber "Hut" oder die "Höhle, in der Indigo gebraut wird", oder ein "Teil einer Stadt, in der viele Menschen wohnen". Akatta heißt also Hülle oder Wohnstätte, Aki-katta aber ist die Wohnstätte der Verstorbenen. Das stimmt nun mit folgender Angabe überein: "In der Sonne leben Verstorbene, im Mond nicht." Also ist auch die ganz beziehungslos hierzu gegebene Erklärung: "Die Sonne ist ein Aki-katta, der Mond nicht", absolut exakt. Es ist auch ganz klar, daß man bei



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solcher Bedeutung des Wortes für Sippengott die sinnliche Lokalisierung in einem Gestirn, einem Fluß, einem Berg oder so sehr leicht gegen die Lokalisierung der Gestirngottheit, Flußgottheit oder Berggottheit oder so, die in solchem Topf- oder Astaltar ausgebildet war, weggab. Denn daß alle Familien früher Götter im Sinne der Joruba-Orischa gehabt haben, versichern die alten Jukum verschiedentlich, und wüßte ich auch nichts, was dem widerspräche.

Summa summarum ist von dem Götterahnensystem nur noch das Ahnensystem übriggeblieben. Das ist ein Symptom der Verflachung, von dem ich schon öfter sprach.


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