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DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSEND UND EIN NÄCHTEN

VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BÄNDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839 ÜBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 1

IM INSEL-VERLAG


DIE GESCHICHTE DES DRITTEN SCHEICHS

O Sultan und Oberhaupt der Dämonen, diese Mauleselin war meine Frau. Nun geschah es, daß ich auf Reisen ging und ein ganzes Jahr fern von ihr war; als ich dann meine Reise beendet hatte, kam ich zu ihr bei Nacht und sah einen schwarzen Sklaven bei ihr auf dem Bette liegen; und sie plauderten und tändelten und lachten und küßten sich und spielten das Liebesspiel. Als sie mich aber sah, sprang sie auf und lief mit einem Krug Wasser auf mich zu, sprach Zaubersprüche darüber und besprengte mich, indem sie sagte: ,Tritt heraus aus dieser Gestalt in die Gestalt eines Hundes'; und ich wurde sofort ein Hund. Dann trieb sie mich aus dem Zimmer hinaus, und ich floh durch die Tür und hörte nicht auf zu laufen, bis ich zum Laden eines Schlachters kam; dort trat ich heran und begann zu fressen, was an Knochen herumlag. Als mich der Besitzer des Ladens sah, nahm er mich auf und führte mich in sein Haus; aber sowie seine Tochter mich erblickte, verschleierte sie ihr Gesicht vor mir und rief: ,Bringst du einen Mann zu mir und trittst mit ihm bei mir ein?' Ihr Vater fragte: ,Wo ist der Mann?' und sie antwortete: ,Dieser Hund ist ein Mann, den seine Frau verzaubert hat, und ich vermag ihn zu befreien.' Als ihr Vater diese Worte hörte, sprach er: ,Ich bitte dich bei Allah, o meine Tochter, befreie ihn!' Da nahm sie einen Krug Wassers, murmelte darüber und sprengte etwas Wasser auf mich, indem sie sagte: ,Tritt heraus aus dieser Gestalt in deine frühere Gestalt!' Alsbald kehrte ich in meine frühere Gestalt zurück. Da küßte ich ihr die Hand und rief: ,Ich wollte, du verzaubertest meine Frau, wie sie mich verzaubert hat.' Und sie gab mir etwas von dem Wasser und sagte: ,Sobald du sie schlafend findest, besprenge sie mit diesem Wasser und sprich über sie einen Spruch



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nach deinem Wunsche, so wird sie werden, was immer du willst.' Da nahm ich das Wasser und ging zu meiner Frau und fand sie schlafend; sofort besprengte ich sie mit den Worten: ,Tritt heraus aus dieser Gestalt in die Gestalt einer Mauleselin.' Und sie wurde flugs zu einer Mauleselin; sie ist diese hier, die du mit deinen Augen siehest, o Sultan und Oberhaupt der Geisterkönige!' Da fragte der Dämon sie: ,Ist das wahre' Und sie nickte mit dem Kopf und erwiderte durch ein Zeichen, das bedeutete: ,Ja, bei Gott, das ist meine Geschichte und was mir widerfahren ist.' Als nun der Alte seine Erzählung beendet hatte, schüttelte sich der Dämon vor Vergnügen und schenkte ihm den dritten Teil von des Kaufmanns Blut. - -«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Dinazâd aber sprach: »O Schwester, wie schön ist doch deine Erzählung, und wie entzückend und wie lieblich und wie berückend!«Sie erwiderte: »Was ist all dies gegen das, was ich euch in der kommenden Nacht erzählen könnte, wenn der König mein Leben zu schonen geruhte!« Da dachte der König: ,Bei Allah, ich will sie nicht töten lassen, bis ich den Schluß ihrer Geschichte höre, denn wahrlich, sie ist wunderbar.' Darauf verbrachten sie den Rest jener Nacht in gegenseitiger Umarmung, bis der Tag vollends anbrach. Dann aber ging der König in die Regierungshalle; und die Truppen und der Wesir traten ein, und der Hof füllte sich; der König sprach Recht, setzte ein und setzte ab, erließ Verbote und Befehle, bis der Tag zur Neige ging. Und schließlich brach die Versammlung auf, und König Schehrijâr kehrte in seinen Palast zurück. Doch als die 3. Nacht anbrach und der König an der Tochter des Wesirs seinen Willen genossen hatte, sagte Dinazâd, ihre Schwester: »Erzähle uns, Schwester, deine Geschichte zu Ende»; und sie erwiderte: »Mit



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größter Freude! Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, als der dritte Scheich dem Dämon seine Geschichte erzählte, wunderbarer noch als die beiden früheren, da sei der Dämon in höchste Verwunderung geraten; und indem er sich vor Vergnügen schüttelte, rief er: ,Siehe, ich schenke dir den Rest der Schuld des Kaufmanns, und ich gebe ihn euch frei.' Da trat der Kaufmann auf die Scheiche zu und dankte ihnen, und sie wünschten ihm Glück zu seiner Rettung und zogen davon, ein jeder in seine Stadt. Und doch ist dies alles nicht wunderbarer als die Geschichte des Fischers.« Da fragte der König: »Was ist das für eine Geschichtet«So erzählte sie denn


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