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Kapitel 

DÄMONEN DES SUDAN


ALLERHAND RELIGIÖSE VERDICHTUNGEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

g) Maskenursprung, Maskengewalt, Verschiedene Masken

Folgende Legende soll den Maskenursprung ganz allgemein genommen schildern: In alter Zeit war ein Mädchen im Busch, um Feuerholz zu sammeln. Es fand ein ganz, ganz kleines Messer im Busch. Bald darauf wurde sie krank und ihr Vater ging zu einem Anukoinhaber, um den zu fragen, was dabei zu tun und was an der Erkrankung schuld sei. Der Inhaber des Anuko sagte: "Wenn das Mädchen nicht sorgfältig nach dem Messerchen sieht, das sie gefunden hat, so wird sie sterben. Rufe die ganze Familie des Mädchens



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zusammen." Der Vater ging und rief die ganze Familie des Mädchens zusammen. Alle Angehörigen kamen zusammen. Der Anukomann sagte dann zu ihnen: "Hier ist ein kleines Messerchen. Das Messer fand das kranke Mädchen im Busch. Das ist ein Ekindocho (scheint der Name des Messers zu sein, ist mir aber unklar geblieben). Das Mädchen darf in Zukunft bis auf weiteres keine Hühner, Ziegen und Hunde (Abo) genießen. Wenn das Mädchen wieder besser ist, soll wieder Bier (Atjea) gemacht werden. Wenn das geschehen ist, kommt wieder zu mir."

Das Mädchen wurde wieder gesund. Es wollte gern wieder einmal Ziegenfleisch essen. Das Mädchen kochte also Bier und ging damit zum Anukomanne. Sie nahm das kleine Messerchen mit. Im Hause des Anukomannes machte sie einen kleinen Erdhaufen und legte das kleine Messerchen darauf. Dann gab sie dem Anukomanne das Bier. Der gab dem kleinen Messer davon zu trinken. Als das geschehen war, gab der Anukomann dem Mädchen das Messer zurück.

Der Anukomann rief aber eine Frau aus der Familie des Mädchens herbei. Er sagte zu ihr: "Hier ist das Mädchen mit dem Messer Ekin-docho (s. oben). Alles, was das Mädchen in Zukunft dem kleinen Messer geben will, das soll sie dir übergeben. Du gibst das dann dem Messerchen." Darauf nahm das Mädchen sein Messerchen und ging damit heim. Daheim machte das Mädchen in der gleichen Weise wie beim Anukomanne einen Erdhügel und steckte das Messerchen hinein. Und das Mädchen gab nun mit der Frau zusammen dem Messerchen jedes Jahr seine Speise.

Mit diesem kleinen Messerchen wurden von den Frauen die ersten Aku geschnitzt. Denn früher hatten nicht die Männer die Aku, sondern die Frauen hatten sie in ihren Händen. Wenn ein Mann den Frauen etwas tat, dann töteten die Frauen den Mann mit Medizin, und zwar mit Hilfe und Kraft dieser Masken. Eines Tages sagte aber ein Mann: "Wenn das so weitergeht, dann werden die Frauen eines Tages alle Männer töten." Darauf kamen alle Männer zusammen. Sie gingen zu einem Anukomanne und fragten ihn in dieser Angelegenheit. Der Anukomann sagte: "Wenn den Frauen die Masken nicht weggenommen werden, so werden sie alle Männer im Laufe der Zeit töten." Daher müssen die Frauen den Männern die Akus übergeben." Darauf nahmen die Männer den Frauen die Masken weg. Seitdem dürfen die Frauen viele Masken nicht sehen. Wenn sie solche Masken unerlaubt sehen, werden sie geschlagen und müssen außerdem Buße zahlen. Wenn die Aku Essen benötigen, haben die Frauen das Essen zu bereiten, die Männer es aber den Masken zu geben. Der Anukomann belehrte die Maskentänzer in jeder Sache sehr eingehend.

Weiterhin möchte ich eine Legende hier vortragen, die sehr klar



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darlegt, welche ungemeine Macht und Bedeutung man den Masken beilegt.

In der alten Zeit, als Wukari noch im Osten lag, hatte ein König von Wukari einmal einen Sohn, der war sehr stark und ganz außerordentlich kriegerisch. Einmal zog er über den Benue ins Bautschigebiet. Er sagte zu den Bautschileuten: "So kommt doch! So greift uns doch an! Nehmt doch unsere Frauen weg. Verkauft doch unsere Frauen!" Die Bautschileute begannen den Krieg und rückten vor. Der Wassun von Wukari erschrak. Er war nicht so kriegerisch wie sein Sohn. Er zog sich nach Aquano, das im Westen des heutigen Wukari liegt, zurück. Er floh dann auch von Aquano weiter. Er floh nach Norden und über den Benue weg. Die Muntschi verfolgten ihn.

Als der Wassun geflohen war, fiel in Wukari kein Regen mehr; auch kam kein Wind. Es war aber ganz heiß. Die Jukum erschraken. Die Kororofaleute gingen zu einem Anukomann und fragten: "Was soll das? Wie kommt das? Wie ist das zu ändern?" Der Mann warf sein Anuko und sagte: "Das ist, weil der Wassun auf die andere Seite des Flusses geflohen ist. Wenn sich das ändern soll, muß der König zurückkehren. Ehe er nicht zurückkommt, wird kein Wind und kein Regen kommen und die Hitze nicht nachlassen." Darauf folgten die Kororofaleute ihrem entflohenen Könige und brachten ihn in das Land zurück.

Als der Wassun in das Land und die Stadt zurückgekehrt war, fragte ihn Wosin, der Prinz, der den Krieg nach Bautschi hatte tragen wollen: "Warum bist du denn über den Benue weggelaufen?" Der König sagte: "Ich floh, weil du mein Volk mit in den Krieg ziehen wolltest."

Der Anukomann sagte aber zu den Kororofaleuten: "Der Wassun ist nun wieder da. Nun ruft die Aku und vor allem Asama herbei, damit sie tanzen. Danach wird dann Regen fallen und Wind kommen. Die Hitze wird weggehen und unser Korn wird wachsen. Laßt Asama und die Aku tanzen." Die Kororofaleute riefen die Aku und Asama. Asama und Aku kamen heraus. Alle Aku kamen heraus. Sie tanzten durch die Stadt. Als Asama und Aku herauskamen, begann sogleich der Wind zu blasen. Der Himmel bedeckte sich mit Wolken. Die Hitze hörte auf. Der Regen begann zu fallen. Darauf dankte das Volk Asama und dem Aku. Das Volk sagte: "Ihr könnt nun wieder gehen, denn es fällt genug Regen." Die Aku und Asama gingen wieder hinein. —So bekamen die Kororofaleute doch noch eine gute Ernte, trotzdem der König geflohen war.

Es erübrigt nun noch, von einigen mehr oder weniger wichtigen Masken zu berichten, was über sie zu hören war.

Agaschi. Eine sehr angesehene Art von Masken sind die Agaschi,



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weibliche Masken aus Netzgewändern mit dann und wann übergelegten Kleidern. Sie haben auf dem Kopf ein doppeltes, stäbchenartiges Spitzlein, von dem hübsch gewebte Bänder wegfiattern. Von ihrer Einführung erzählt die Legende:

Agaschi ist ursprünglich ein Taschenkrebs (in Jukum Akan; in Joruba Alakun; in Haussa Kagua; in Nupe Karra), der vordem im Wasser lebte. Im Nebenwasser des Benue hatte diese Agaschi sich eine Höhle gemacht. In jener alten Zeit ging einmal ein Mann da vorbei. Er ging in die Höhle und nahm den Agaschikrebs, er packte ihn in Blätter und brachte ihn mit nach Hause. Der Mann machte sich eine Jägerpfeife. Dann baute er ein Biko (ein rundes Haus). In deren Innern grub er eine Höhle aus, der gleichend, in der Agaschi vordem gelebt hatte, und setzte den Agaschikrebs nun da hinein. Dann braute der Mann Bier. Als er fertig war, nahm er seinen Agaschikrebs wieder aus der Höhle, gab ihm etwas von dem Gebräu und setzte ihn dann wieder an seinen Platz.

Darauf ging der Mann zu einem Anukomanne und fragte ihn, was er nun damit machen solle. Der Anukomann befragte sein Anuko und sagte ihm dann, er solle dem Agaschi ein Kleid machen. Er solle ihn schön anziehen, wenn er ausgehe. Wenn er daheim sei, solle er auf der Jagdpfeife (= Scheschen; in Joruba Fere; in Haussa Busa; in Nupe Gwansanna) blasen; wenn er aber ausgehe, solches lassen.

Der Mann tat so. Er kleidete Agaschi sehr schön. Er führte Agaschi aus. Diese erste Agaschi hieß Saku. Sie ist die Mutter aller andern Agaschis geworden, die heute in Wukari, Donga und so weiter sind. Damals kam die Mutter mit dem Mann zuerst heraus. Heute kommen sie vielfach und sind sehr beliebt. Wenn z. B. der König ein großes Totenfest über die verstorbenen Könige anordnet, so pflegt er zu dem Männergelage auch die Agaschi zu beordern, und die Agaschi tanzen dann. Sie sind immer in Netzgewänder gehüllt und mit Frauenkleidern geschmückt. Auf dem Kopf haben sie eine längliche Spitze, von der Bänderbüschel herabfiattern.

Das Agua-schesche oder Ni-schesche (Speiseverbot) der Agaschi ist natürlich der Taschenkrebs, dann aber auch eine schwarzweiße Antilope (Jukum Atan; in Haussa Maso; in Joruba Galla; in Nupe Edu) und endlich Numi, der Alligator. Die Agaschianhänger können untereinander heiraten. Das Agaschifest findet statt, wenn alles Sorghum eingebracht ist. —Ato-Kun, der Harlekin der Jukumschen Maskenwelt, wird von einigen als der Gatte der Agaschi genannt.

Fata Bergu. Dies ist eine Holzmaske, die mit unter den Akuma tanzt. Die Maske war seinerzeit im Fluß. Der alte, alte Vater



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(=Urahn) der Familie, die heute die Fata Bergu noch verehrt, ging gerade am Fluß vorbei, als Fata Bergu aus dem Fluß ans Ufer kam. Der alte, alte Vater der Familie nahm die Maske und trug sie nach Hause. Dann ging er zu einem Anukomann und bat ihn anzusehen, was er da gefunden habe. Der Anukomann kam. Der Anukomann fragte das Orakel und sagte zu dem alten Vater der Familie: "Bau für diese Aku eine Bieko (runde Hütte). Stelle sie darin auf. Dann bereite Bier und schlachte ein Huhn und eine Ziege (=Abi). Das Blut mußt du dem Aku geben (das heißt auf die Maske spritzen). Am ersten Tage schlachte die Tiere und gib dem Aku davon (Blutabgabe), am andern Tag kannst du dann selbst davon genießen. Weiterhin bringe Kleider und kleide den Aku schön. Der Anuko gab diese Anordnungen. Der alte Vater der Familie tat es so. Seitdem kommt Fata Bergu in der Trockenzeit heraus.

Die Maske selbst stellt einen Pavian (in Jukum Bergu; in Haussa =Gogo) dar. Fata heißt Fell, und zwar findet dieses Wort deshalb Anwendung im Namen, weil der Maskentänzer bei dem Antreten ein Fell über dem Rücken trägt. Das Speiseverbot der Familie ist natürlich: Pavian. Aber eine Exogamieforderung scheint unbekannt.

Aku-Asciiekin. Die Maske Aschekin habe ich nicht gesehen. Ich gewann den Eindruck, daß sie im Laufe der Zeit "eingeschlafen"ist, um mit den Jukum zu sprechen. In heutigen Tagen verrichtet wohl nur noch der Aku-koa den Totendienst. Früher aber tat dies auch Aku-Aschekin.

Aku-Aschekin war die Maske, die tanzte, wenn ein Mensch gestorben war. Diese Aku, die als männliche galt, ging in das Haus des Verstorbenen bei Tage und bei Nacht. Zuerst kam sie in der Nacht. Sie forderte die Leute des Gehöftes auf, die Töpfe auf den Ofen zu setzen und Bier zu kochen. Darauf tanzte die Maske wieder von dannen. Am andern Morgen kam sie aber ganz früh schon wieder angetrottet, um im Sterbehause dem Biergelage tanzend zu präsidieren. Von dem Bier bekamen dann zuerst die Weiber, die mit den Kalebassen rasselten, und die andern Klageleute. Danach ging die Maske zu der Stelle, an der die Grube schon ausgehoben war und der Tote schon hingebettet. Tanzend sprang Aku-Aschekin dann um das Grab. Dabei sprach er, aber stets in hoher Fisteisprache. Er sprach mit ihm über den längst verstorbenen Vater, über alle seine Väter, dann über die zurückgelassene Familie und drückte die letzten Wünsche des Verstorbenen aus. Zuletzt forderte er im Namen des Toten immer Bier, Bier, Bier! Bier mußte dem Toten mit ins Grab gestellt werden und Bier sollten die Überlebenden trinken.

Damit hatte Aku-Aschekin sein Amt erfüllt. Die Klage hörte auf. Das Grab ward zugeworfen. Die Maske ging nach Hause. Nach



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sieben Tagen ward dann wieder Bier gemacht. Die ganze Familie kam nochmals zusammen, um erst ein wenig gemeinsam zu zechen. Danach aber machten die Männer sich auf und zogen in den Busch. Bier und Bohnen wurden mitgenommen und draußen abgekocht und gefeiert. Aku-Aschekin trat dort nicht wieder auf, aber andere Masken und in deren Mitte eine ganz neue. Diese jüngste Maske stellte den jüngst Verstorbenen vor. Es muß ein Aku-ma gewesen sein. Man gab ihm dann aber den Namen Aschu. Diesen Namen kennen wir schon aus dem Bericht über die Aku-koazeremonie. Es ist das mit einem Ringe versehene Rasselhorn der Aku-koatänzer. Diese neue Maske ward also beschenkt, und zwar mit Stoff und Messinggeld. Dann begab sich alles heim. Weibergegenwart war bei diesem Buschfest natürlich streng untersagt; aber, wie schon bemerkt, tanzte auch der Aku-Aschekin im Busch nicht wieder.

Ato-Kun. Ato-Kun ist so recht der Gegensatz zur vorigen Maske. Sie ist für die jungen Leute zum Spielen. Es ist eine Netzmaske, wie sie zu fröhlichem Spiel von Senegambien bis hinab nach Angola und zum Sambesi dient. Sie ist bei den Jukum entweder ganz schwarz oder weiß und schwarz und statt schwarz (Humusfarbe) bei Verwendung von Baumwolifäden blau (indigo). Zuweilen dann noch Schilfkränze und -krausen. Wenn die gute Jahreszeit vor der Tür steht, wenn die Ernte naht, ist die Zeit für diese Narreteien. Dann kleiden sich die Burschen in diese Netzgewänder, kommen heraus, tanzen durch die Straßen, schreien und schlagen auf die Menge. Es sind Spaßmacher, die sich bemühen, möglichst komische Stellungen auszudenken. Jedermann kann das machen, wer die gar nicht geringen Mittel für die Anschaffung aufbringt. Es ist kein Vorrecht und nichts Geheimnisvolles dabei. Auch gehören keine Trommeln oder sonstige Musikbegleiter dazu. Diese Einrichtung entspricht also genau dem Kunigi der Nupe, dem Lado der Joruba. Aber nicht nur Lado heißen in Joruba alle diese Netzmaskierten, die mit Stöcken genau wie in Wukari die Menge anfallen und hinter denen dann die freche Straßenjugend johlend herläuft -, sondern im Jorubalande hat jede Maske noch ihren persönlichen Eigennamen. Das ist bei Jukum und Nupe nicht so.

Andere Masken. Damit ist im großen und ganzen der ganze Maskenapparat der Jukum, oder wenigstens was im Lande als eigentlicher Jukumbesitz gilt, niedergelegt. Eine eigentliche Geheimbundmaske wie Naina und Komma bei den Mande gibt es hier nicht, auch nicht in der verblaßten Form der Dako Boia der Nupe. Außerordentlich beliebt und viel verwendet ist aber die von der Abaqua-riga übernommene Asama. Dagegen gab es bei den Jukumfürsten anderer Städte noch einige eigenartige Gebilde. So war früher die Anjokufion, eine hohe Aufsatzmaske, in den Händen des



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Vaters des jetzigen Dongakönigs. In der Stadt Bakundi hatte Gakuen, der Vater des Königs Dakonja, eine ähnliche Maske, die mächtig hoch über dem Haupte des Tänzers aufragte. Beide Masken wurden wie Aku verwendet.

Also ein ungemein reiches Gebiet, wobei immer noch nicht die eigentlichen Abaqua-rigainstitutionen zu ihrem Rechte kommen.


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