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Kapitel 

DÄMONEN DES SUDAN


ALLERHAND RELIGIÖSE VERDICHTUNGEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

f) Die Aku-ma

Wir haben nun schon mehrfach der Aku-ma, der ursprünglichen Büffelkopfmasken gedacht und wollen uns ihrer Betrachtung nun eingehender widmen. Wie die eben beschriebenen unzweifelhaften Totenmasken treten auch bei den Aku-ma immer zwei Exemplare auf, eine männliche, mit einer Holzmaske geschmückte, und eine weibliche, die nur aus Flechtwerk, hier allerdings nicht aus einer Kette, sondern einem Maschentrikot besteht. Nun muß gleich einleitend erklärt werden, daß die Holzköpfe der Aku-ma, wenn auch zum größten Teil aus dem Büffelkopf hervorgegangen, doch auch wenig mehr, häufig nichts mit der Büffelkopfform zu tun haben. Ich habe Affen-, Krokodil- und Fischmasken gesehen und erworben, die ihrer Entstehung nach absolut nichts mit der Büffelkopfmaske gemeinsam hatten. Nun haben wir gesehen, daß auch die Büffelkopfmasken in primitiver Weise unter harmloser Beibehaltung der Hörner zu allerhand andern Tierformen wie Elefant und Vogel umgebildet wurden und daß eine Volkserklärung auch schlankweg alle Büffelkopfmasken zu Krokodilen umbilden will. Also ist mit aller Bestimmtheit ein Drang zu variieren vorhanden, und die Erkenntnis dieser Bewegung bringt mich dazu, eine Jukumanga wiederzugeben, derzufolge bei den Jukum früher jede Familie immer nur die Masken einer Tierart benutzen durfte, die Königsfamilie z. B. die Krokodilsform. Die Büffelköpfe sollen nur allmählich aufgekommen sein, weil früher die Holzschnitzer die Büffelkopfmaske tragen durften. Wir haben also in der älteren Zeit jede Familie mit ihrem Tier, z. B. die Königsfamilie mit dem Krokodil, die Familie der Schnitzer mit dem Büffel. Das muß demnach letzter Ausläufer einer totemistischen Maskenordnung gewesen sein. Es war also früher eine größere Formfülle, aber da die Schnitzer Büffelmenschen waren, wurden die Büffelkopfformen vorherrschend und übermächtig. Die Aku-ma sind also die Akus der Ama. Ama ist der Begriff für "frühere Menschen", "Herren der Vorzeit", auch "Könige der Vorzeit". Zuweilen wird von einem Ama, der dann der Herrscher, der Fürst, aber auch der Gott des Anfanges sein kann, manchmal von Ama als dem Vorgeschichtlichen gesprochen. Also auch hier ergibt sich die Vorstellung manistisch-totemistischer Geister- oder Göttergliederung ganz von selbst. Und an ihrer Spitze steht das Krokodil, das vielfach die Fürstenfamilien führt. Ehe ich



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nun das, was das Volk von den Aku-ma zu erzählen weiß, wiedergebe, will ich noch auf zweierlei hinweisen.

Es wurde gesagt, daß die Schnitzer zur Büffelfamilie gehören. Also scheint hier eine alte Zunft bestanden zu haben. Außer einer ja selbstverständlichen Schmiedezunft konnte ich aber keinerlei Zunftgliederung bei den Jukum feststellen. Ich kann mich demnach nicht der Vermutung verschließen, daß hier ein Anzeichen der Mischung vorliegt. Ich kann mir nicht recht denken, daß ein Volk soviele Maskensysteme nebeneinander von jeher gehabt haben soll, möchte vielmehr fürs erste annehmen, daß, so wie die gesamten Borimasken mit den Abaqua-riga später unter den Jukum einzogen, daß ebenso die Jukum bei der Einwanderung in die jetzigen Wohnräume ein Volk vorfanden, das diese Büffelkopfmasken besaß, daß diejukum dann in inniger Mischung mit diesen Altanwohnern die Büffelkopfmasken mit übernahmen. Ich glaube sogar, daß es nicht sehr schwer sein kann, die Stämme anzugeben, die derartiges an die Jukum vererbten. Es müssen das dann wohl Tschamba gewesen sein, die von der Gegend von Jola bis nach Donga gleiche, ja in ihrer Art noch ursprünglichere Büffelmasken haben.

Das zweite, worauf ich hier gleich hinweisen möchte, ist eine frappierende Übereinstimmung zwischen diesen Maskentypen und denen der Tombo-habe südlich der Gomburiberge. Sie erstreckt sich auf folgendes: Die große Menge der Masken stellt Büffelköpfe dar. Alle holzgeschnitzten Masken gelten als männlich. Mit diesen männlichen Holzkopfmasken tanzen aber gemeinsam solche Personen, die von oben bis unten in ein Netzgewebe gehüllt und mit schwarzen Strohbüscheln geziert sind. Daß diese Masken weiblich sind, kann man schon äußerlich daran erkennen, daß das Gewebe vorn mit ebenso aus Schnüren geknüpftem und geflochtenem Busen versehen ist, was die Büffeifrauenmasken der Jukum auch haben. Die Krone der Übereinstimmung scheint mir aber dadurch gegeben, daß die leitende Maske der Tomboschen Büffeltänzer einen Aufsatz trägt, der hoch aufragt und ein auf dem Schwanz stehendes vierbeiniges Tier darstellt, das eigentlich nur eine Eidechse oder ein Krokodil bedeuten kann. — Also auch darin absolute Identität. Dieser Spur ist unbedingt weiter nachzugehen und dann zu prüfen, ob sich hier vielleicht Bruchstücke einer einst weit über den Sudan verbreiteten Anschauungswelt (der dann wohl auch die ganze "Jägerlegende"zuzurechnen wäre) erhalten haben. Die Tradition der Jukum, soweit sie Aku-ma betrifft, lautet nun folgendermaßen: Eine Frau wollte eines Tages auf das andere Ufer des Anukun (Benue) gehen, um daselbst Holz zu sammeln. Sie sah etwas vom Himmel herab in den Fluß fallen. Es war etwas wie ein Mann mit Hörnern. Danach fiel noch etwas vom Himmel in den Fluß herab. Das war eine Frau mit einer Kalebasse.



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Die heruntergefallene Frau ließ sich in der Kalebasse, die auf dem Wasser schwamm, nieder. Die Frau, die das vom Ufer aus mit ansah, lief in großer Angst von dannen. Sie lief in ihre Stadt zurück und schrie und weinte ununterbrochen.

Als die entsetzte Frau sich ein wenig beruhigt hatte, fragte ihr Mann sie, was sich denn ereignet habe, daß sie so verstört sei. Darauf schilderte die Frau den Wundervorgang. Der Mann sagte: "Das muß ich auch sehen." Die Frau mußte also noch einmal mit hinausgehen und ihrem Mann die Sache und die Stelle zeigen. Der Mann sah dann ebenfalls den Mann mit den Hörnern auf der Wasserfläche stehen und die Frau, die ganz lange Haare hatte, auf ihrer Kalebasse auch auf dem Wasser sitzen. Der Mann sah das mit seiner Frau vom Ufer aus an und kehrte dann mit ihr nach Hause zurück. Daheim beschlief der Mann seine Frau.

Die Frau ward schwanger und gebar ein Kind. Das Kind war ein Mädchen. Das Mädchen starb. Der Vater ging darauf zu einem Manne, der ein Anuko hatte. Der Vater sagte: "Was soll das, daß meine kleine Tochter so schnell starb?" Der Mann warf das Anuko. Dann sagte er: "Deine Frau und du, ihr habt die Sache auf dem Wasser gesehen, ihr aber habt sie nicht mit nach Hause genommen, deshalb mußte euer Kind sterben." Der Mann fragte: "Wie habe ich es denn aber anzufangen, daß ich die Sachen mit in mein Haus bringe?" Der Mann mit dem Anuko sagte: "Geh wieder zurück an das Wasser und fasse die Frau vorn an den Haaren, zieh sie aus dem Wasser ans Land. Die Frau wird dir willig folgen. Bringe die weibliche Aku-ma in dein Haus. Dann kehre zurück und fasse die männliche Aku-ma bei den Hörnern. Zieh sie vom Wasser weg und bring sie auch heim. Sie wird dir auch willig folgen. Deine Frau darf dich begleiten." Der Mann sagte: "Ich werde die beiden Aku-ma in mein Haus nehmen."

Der Mann ging nun an das Ufer. Er faßte erst die Aku-ma-uowa bei den Haaren. Er zog sie aus dem Wasser. Er zog sie hinter sich her. Er brachte sie in sein Gehöft. Dann kehrte er zurück. Er ergriff die Aku-ma-onu bei den Hörnern. Er zog sie von der Wasserfläche fort. Er brachte sie in sein Gehöft. Dann ging er wieder zum Anukomanne und sagte: "Ich habe die beiden Aku-ma in mein Gehöft gebracht. Was soll ich nun mit ihnen machen?" Der Anukomann sagte: "Stellt einen Mattenzaun in der Runde auf. In diesen Raum stellt die beiden Aku-ma. Legt ihnen Asa (Sorghum) hin und stellt einen Topf Wasser herein. Darauf kocht Bier und gebt ein klein wenig den Aku-ma, das andere könnt ihr dann selbst trinken." Der Mann ging nach Hause.

Daheim stellte er einen Sekkozaun auf. Er brachte die beiden Aku-ma hinein. Er legte ihnen Asa hin und stellte eine Kalebasse



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mit Wasser auf. Die Frau kochte Bier. Sie gaben den Aku-ma ein wenig davon ab. Dann tranken sie das Bier. Der Mann beschlief dann seine Frau. Die Frau ward schwanger. Die Frau gebar ein Kind. Das Kind war ein Mädchen. Als das Mädchen geboren war, ging der Mann wieder zu dem Anukomann und fragte ihn: "Was soll ich nun tun, wo ich wieder ein Kind geboren habe?" Der Anukomann sagte: "Kocht wieder Bier. Wenn es gut ist, geht zu den Aku-ma und gebt ihnen davon." Der Mann tat so.

Als der Mann den Aku-ma das Bier gebracht hatte, kamen sie heraus. Der männliche Aku-ma fragte: "Ist das Kind ein Knabe oder ein Mädchen?" Der Mann sagte: "Es ist ein Mädchen."Akuma sagte: "Dann nennt das Mädchen Auwakuma, das heißt Frau des Akuma." Der Mann tat so.

Seitdem ist der Akuma bei den Jukum. Wenn jemand erkrankt oder eine Frau nicht Kinder bekommen kann, weist der Anukomann die Fragenden oftmals an die Akuma, die ihnen bei gutem Opfer gern helfen würde, und die Jukum sind von der Hilfsbereitschaft und von der Hilfsfähigkeit der Akuma durchaus überzeugt. — Im übrigen sollen die Nachkommen des Mädchens, das später verheiratet wurde, die Könige der Jukum geworden sein. Über die hieran sich anschließende Frage werden wir unten im Abschnitt über Totemismus sprechen.

Diese Legende beweist uns ganz klar, wie stark die Jukurnmythologie unter dem Einfluß der Abaqua-riga steht. Denn diese ganze Art des Vortrages entspricht ganz und durchaus dem Mythentyp des Bori. So können sich in einem Kultur- und Anschauungskreis die verschiedensten Einflüsse nachweisen lassen. Die Sache selbst ist eine Erbschaft aus dem Kreise älterer Anwohner, die totemistische Umbildung noch Jorubisch-Jukumischen Stiles und die Entstehungsdeutung Bori-artig.

Die speziellen Maskenausdrücke geschlossener Anschauungskreise sind nun geschildert und sollen jetzt noch einige allgemeine Beobachtungen und Legenden gebucht werden.


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