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Kapitel 

DÄMONEN DES SUDAN


ALLERHAND RELIGIÖSE VERDICHTUNGEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

9. Brahima Schinajogo

Brahima Schinajogo war ein über alle Maßen schöner und tapferer Bosso, der über außerordentliche (magische) Kräfte verfügte. Wollte er ein Schobo (Nilpferd) erlegen, so sprang er mit der Ta (Lanze) ins Wasser und schwamm zu dem Rudel hin und tötete ein Schobo im Wasser durch einen Lanzenstich von unten her. Ebenso machte er es mit den Suo, den Krokodilen. Er sprang in das Wasser, überwältigte sie, band sie und schleppte sie an das Land.

Wenn die Bosso Fleisch brauchten, wandten sie sich an Ibrahim (oder Brahima, Ibrahim scheint als Namensform verbreiteter) und sagten etwa: "Schaffe uns doch ein Schobo herbei." Dann entgegnete er: "Das ist sehr einfach. Wartet nur ein wenig, ich werde ein Rudel herbeiführen. Wenn es kommt, laßt nur das erste Tier unbeschädigt vorbeischwimmen, denn das werde ich selbst sein."



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Damit sprang er dann in das Wasser, verwandelte sich in ein Nilpferd und suchte als solches ein Rudel auf. Das Rudel führte er dann den Jägern zu, die soviel Tiere töteten, als sie Fleisch brauchten.

Wollten die Bosso Fische fangen, so wandten sie sich an Ibrahim, und der sagte: "Nichts einfacher als dieses! Ich will eine gute Kornpagnie herbeiführen. Schließt nur das Fischwehr nicht eher, als bis der erste Fisch vorbei ist; denn das werde ich selbst sein." Dann sprang er als Fisch in das Wasser und führte ganze Scharen herbei, die den Bosso eine leichte Beute wurden. So kamen sie gar häufig zu einer großen Beute an Juo (Fischen).

Seine Kräfte bezogen sich aber nicht nur auf das Wasser, sondern auch auf das Land, und er konnte sich auch in eine Ko (Antilope) =Dage im Mali und Bammana oder irgendein anderes Landtier (Schugu in Bosso, Sugu im Bammana und Malinke) verwandeln und seinen Genossen sehr starke Rudel zuführen. Er selbst war dann aber immer das erste Tier, und die Genossen mußten diesen Leitbock unbehelligt lassen.

Ibrahim rasierte sich niemals. Er wusch niemals sich selbst und wusch auch nie seine Kleider. Man sang ihm oftmals und viele Loblieder, und wenn er damit dann recht zufrieden war, so wuchsen ihm die Haupthaare bis ein Meter lang fort. Wenn er schrie, so hörte man ihn unendlich weit; dann schlugen leuchtende Flammen weit fort aus seinem Munde. Bei alledem war er aber nicht länger als eine Eile. — Zuweilen zeigte er seine (magische) Kraft, indem er aus dem Hause durch das Dach nach irgendeiner Seite eine Kugel abschoß. Dann sagte er zu den Genossen: "Geht nur nach dieser Richtung hin, so werdet Ihr das von mir erlegte Wild finden, es wird sehr gut sein." Die Genossen gingen dann und fanden auch stets das erlegte Wild.

Eines Tages kam Issa Billa Korro, das war ein Marabut, der hatte von den wunderbaren Eigenschaften Ibrahims Schinajagos gehört, und er machte sich auf den Weg nach dessen Dorf, um seine (magischen) Kräfte selbst von Angesicht zu Angesicht kennenzulernen. Issa Billa Korro entsandte einen Boten, daß er zu Ibrahim gehe und ihm sage: "Es kommt der Marabut Issa Billa Korro. Mache dich auf und gehe ihm vor dem Dorfe entgegen, um ihm so deine Hochachtung zu zeigen."

Es war Brauch, daß, wenn Ibrahim irgendwo ging, die Begleiter ihm zur Rechten und zur Linken folgten. Sie gingen niemals vor oder hinter ihm. Denn wenn Ibrahim ärgerlich war und in schlechter



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Laune sein Gewand schüttelte, so entstand ein Wind, daß daran alle, die vor oder hinter ihm gingen, allsogleich starben.

Ibrahim ging Issa nicht entgegen. Er blieb gelassen in seinem Hause. Issa war erstaunt, daß ihm niemand vor dem Dorfe entgegengekommen war, um ihm Ehre zu erweisen und ging erzürnt in Ibrahims Haus. Issa sagte: "Hat mein Bote dir nicht gesagt, daß ich kommen würde, und daß du mich vor dem Dorfe empfangen sollst? Weshalb erweist du mir nicht die Ehre, die mir zukommt?" Darauf öffnete Ibrahim den Mund und spie dem Marabut Issa ins Gesicht. Der Speichel verwandelte sich allsogleich in eine unendliche Zahl von kleinen Fischen, die das ganze Kleid des Marabut und den Fußboden ringsum bedeckten. Ein Speichelauswurf Ibrahirns bewirkte es, daß die ganze Hütte von den kleinen Fischen angefüllt war. Darob aber ward der Marabut (Issa?) über alle Maßen wütend. Er riß in hellem Zorne seine Mütze vom Kopfe und schleuderte sie auf den Boden. Allsogleich verwandelte sie sich in einen großen Tamu (einen Fisch, mit dickem Kopfe, bei Malinke = Manogo, bei Bammana = Porio genannt. Vergleiche die Beschreibung des Mafanges bei den Bosso in den entsprechenden Ethnographieheften). Der Tamu begann sogleich alle die unendlich vielen Fischchen zu verschlingen, und bald war auch nicht mehr ein einziges zu sehen. Ibrahim sagte: "Du bist es, der mich ärgert."

Sie sprachen miteinander. Nachher sagte Ibrahim zu einem Knaben: "Bringe meine Sira-Batta (Büchse für gestoßenen Tabak) herbei." Der Knabe brachte die Tabakbüchse. Ibrahim öffnete die Büchse, um dem Anscheine nach dem Marabut von dem Tabak anzubieten. Als er aber den Deckel abnahm, stürzten zwei mächtige Kompodiate (Löwen) heraus. Von denen setzte sich einer auf die rechte, einer auf die linke Seite des Marabut Issa. Issa Billa Korro zog aber von seinem Finger einen Ring, der stellte eine gewundene Schlange dar. Diesen Fingerring warf er auf die Erde, und sogleich entstand daraus eine mächtige Subo-ping (=Schlange). Die Suboping wand sich auf die beiden Löwen zu und verschlang sie. Darauf aber ward sie sogleich wieder zu einem kleinen Ringe, den Issa gelassen wieder an den Finger schob. —Da dachte Ibrahim eine Weile lang nach.

Nach kurzer Zeit ergriff Ibrahim Issa an der Hand und sagte: "Komm mit mir, wir wollen zusammen aus dem Hause gehen." Issa sagte: "Es ist mir ganz recht." So verließen sie gemeinsam das Haus. Sie gingen, bis sie an ein kleines Gewässer kamen, in dem waren sehr



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viele kleine Neru (Skorpione, Buntani im Bammana; die Malinke unterscheiden Buntani und Donong Konji). Ibrahim und Issa gingen an dem Gewässer hin. Die Neru wuchsen derweile zu einer riesigen Größe heran. Issa ward von einem starken Durstgefühle gepackt. Er sagte zu Ibrahim: "Ich habe Durst." Ibrahim sagte: "Da ist Wasser genug, trinke hier und lösche deinen Durst." Issa sagte: "Nein, hier trinke ich nicht; denn ich traue diesem Wasser und dir nicht." Ibrahim ging darauf selbst in das Wasser, schöpfte und brachte Issa das Getränk. Issa sagte eine Weile später: "Nun werde ich dir meine Macht zeigen." Issa trat ganz dicht an den Rand des Gewässers und schrie über das Wasser hin: "Welcher kleine Skorpion oder welches kleine Ungetier auch in diesem Sumpfe lebt, jedem einzelnen befehle ich an, reichlich Speise an Reis, gekochten Fischen und Hammel wohihergerichtet herbeizubringen. Eilt euch!" Darauf kamen alle die kleinen Skorpione an, und jeder brachte reich gefüllte Kalebassen mit guten Nahrungsmitteln herbei. Nicht ein einziges der kleinen Geschöpfe blieb aus, so daß bald lange Reihen von Kalebassen dastanden. Darauf aßen Ibrahim und Issa, bis sie gesättigt waren.

Sie gingen weiter und kamen an einen großen Kerre (Baobab =Sira der Mande). Unter dem nahmen sie Platz, und zwar jeder auf einer Seite. Issa, der Marabut, sagte: "Ich habe gehört, daß du, Ibrahim, ein ausgezeichneter Schütze seiest. Ist das wahr ?" Ibrahim sagte: "Gewiß, ist das wahr. Ich treffe alles, was nach meinem Willen meine Kugel treffen soll, ob Allah es will oder ob Allah es nicht will." Der Marabut sagte: "Das ist nicht wahr. Deine Kugel kann gegen den Willen Allahs nicht treffen." Issa nahm einen Streifen Papier heraus, schrieb einen Vers aus dem Koran darauf und hängte das einem Knaben um den Hals, der in der Nähe stand. Der Marabut sagte zu Issa: "Nun, zeige deine Kunst und schieße auf diesen Knaben; deine Kugel wird ihn nicht treffen, denn er steht jetzt in Allahs Schutz." Ibrahim nahm sein Gewehr. Er zielte auf den Knaben. Er schoß. Die Kugel flog auf den Knaben zu. Sie wirbelte um seinen Kopf. Sie kreiste um den Leib des Knaben, bald oben, bald unten. Da ward Ibrahim zornig, und er rief seine Kugel zurück. Er steckte sie wieder in die Tasche.

Ibrahim war sehr zornig und rief: "Noch nie hat jemand mir solche Macht bewiesen. Komm aber mit mir, daß ich dir noch etwas zeige." Ibrahim führte Issa zu dem Flusse herab. Ibrahim sagte: "Bleibe hier auf dieser Stelle stehen. Ich werde dir einen Weg zeigen, den dein Allah auch dich nicht gehen lassen kann."



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Damit trat er auf das Wasser. Er schritt auf dem Wasser hin, und die Oberfläche des Wassers war wie harte Erde, auf die Ibrahims Füße traten. Ibrahim ging über den Fluß zum andern Ufer hinüber; dann kehrte er in gleicher Weise, auf dem Flußspiegel schreitend, zu dem Marabut zurück.

Issa hatte inzwischen am Flußufer unter einem Jobbobaume Platz genommen und sah dem Schauspiele zu. Ibrahim kehrte zurück. Als er wieder am Ufer angekommen war, spie er gegen den Jobbobaum, und allsogleich zerfloß der wie Butter unter den Strahlen der Sonne.

Issa, der Marabut, zerfloß aber auch. Als das geschehen war, ging Ibrahim allein in sein Dorf zurück.



***
Ibrahim war damals 87 Jahre alt. Alle Leute sagten von ihm: "Das ist der Ibrahim, der den Marabut getötet hat. Ibrahim war stärker als der Marabut."

Damals gab es einen ganz jungen Bosso, der hieß Bukari; der lebte in Djimbali (Gimbali). Der hörte auch den Namen Ibrahims und von dessen großen Taten. Er hielt sich für stärker als Ibrahim, trotzdem er erst 14 Jahre alt war. Aber der kleine Bukari verfügte über ganz gewaltige (magische) Kräfte. Er hatte nie am Mutterbusen gesogen, und nie hatte ihn irgendein Mensch je essen gesehen. Wenn er schlief, dann schlief er drei Tage lang ohne aufzuwachen. Seine Mutter hieß: ,Junschumu".

Bukari sagte eines Tages: "Ich will zu Ibrahim Schinajogo gehen, von dessen (magischen) Kräften die Leute so großes Aufsehen machen. Ibrahim ist sehr alt; da möchte ich doch eine solche Kraft erleben." Junschumu sagte: "Mein Bukari, ich weiß wohl, daß ich dich nicht davon abhalten kann, diesen Mann aufzusuchen. Aber befolge meine Warnung und beginne keinen Wettstreit eurer Kräfte. Es ist sicher, daß Ibrahim sehr viel vermag, und er ist als der alte Mann, dir, dem Unerfahrenen sehr überlegen. Suche ihn also, wenn es sein muß, auf, aber pflege einen freundschaftlichen Verkehr mit ihm."

Ibrahim war unter anderem auch der Herr eines kleinen Jine, der auf der Erde umherflog und für ihn allerhand erlauschte, was es an Wissenswertem zu hören gäbe. Man brauchte nur den Namen Ibrahim auszusprechen, so war auch der kleine Jine da und hörte das Gespräch mit an, um es allsogleich seinem Herrn mitzuteilen. Der kleine Jine hörte, was Junschunu mit Bukari besprochen hatte und er flog hin und berichtete Ibrahim von Bukaris Vorhaben. Er sagte: "Es wird ein kleiner Bosso mit Namen Bukari kommen; der



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will dich sehen. Bukari verfügt über starke (magische) Kräfte." Ibrahim fragte: "Wie alt ist dieser Bukari ?" Jine sagte: "Er hat ein Alter von vierzehn Jahren." Ibrahim fragte: "Hat er Böses vor?" Jine sagte: "Ich glaube es nicht." Ibrahim sagte: "So lasse ihn kommen."

Bukari sandte eine Botschaft voraus und ließ berichten: "Der Bossoknabe Bukari will den alten, verehrungswürdigen Ibrahim Schinajogo gern kennenlernen und bittet diesen, ihm Aufenthalt und Platz zu gewähren. Bukari bittet, ihm keinen Kuskus oder sonstige Speise und auch kein Essen zu bereiten. Er werde sehr dankbar sein, wenn Bukari in einem großen Feuer, wie er es gewohnt sei, schlafen dürfe und wenn er ihm erlaube, nach seiner Gewohnheit ein wenig flüssiges Fett zu sich zu nehmen." Ibrahim sagte: "Er kann kommen."

Bukari kam in das Dorf Ibrahims. Er sagte ihm guten Tag und sprach: "Ich wagte, du weiser Ibrahim, zu dir zu kommen und dich zu begrüßen, weil ich danach trachte, große (magische) Kräfte kennenzulernen, und weil ich höre, daß man darin bei niemand Gewaltigeres sehen kann, als bei dir. Man hat mir gesagt, daß, wenn du ein Nilpferd ergattern willst, du dich unter das Wasser begibst, um mit dem Tiere zu kämpfen. Ich mache es allerdings anders. Wenn ich Nilpferde ergattern will, lege ich mich in mein Haus und ziehe mit meinen (magischen) Kräften das Tier in den Raum, in dem ich mich befinde." Ibrahim sagte: "Was ich von dir höre, mein kleiner Bukari, interessiert mich recht. Du bist anscheinend ein freundlicher, kleiner Geselle, und so soll es mir angenehm sein, dich einige Zeit bei mir zu sehen. Wenn es dir gefällt, zeige mir, was du mit deinen (magischen) Kräften auszurichten imstande bist."

Bukari sagte: "Gestatte mir, daß ich zum Flusse gehe und einmal mich satt trinke." Bukari verließ das Haus und wanderte zum Flußufer hinab. Er beugte sich über das Wasser und sagte: "Hört ihr, Nilpferde! Ich wohne hier bei meinem verehrungswürdigen Vater Ibrahim. Heute noch sollt ihr reichlich von eurem Fleische senden, damit er gut zu essen hat. Heute, und solange ich bei ihm bin. Wenn ihr das nicht richtig ausführt, dann werde ich euch alle einzeln, einen nach dem andern, vornehmen, und ihr wißt, daß Bukari nicht mit sich scherzen läßt."

Er beugte sich wieder über das Wasser und sagte: "Hört, ihr Fische! Hört es alle und folgt pünktlich meinen Worten: Ich wohne bei dem verehrungswürdigen Vater Ibrahim. Sendet, solange ich bei



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ihm bin, und solange euch an eurem Dasein ein wenig liegt, jeden Tag reichlich von eurem Fleische. Ihr werdet mich genugsam kennen, um zu wissen, daß mit mir nicht zu spaßen ist. Macht euch nicht selbst Schwierigkeiten."

Bukari ging nach Hause. Alsbald war das Haus Ibrahims angefüllt mit Nilpferd- und Fischfleisch. Er selbst kochte am Abend Fett, und als es glühend war, trank er es. Als es Abend ward, machte er sich auf dem Hofe ein großes Feuer an und legte sich da hinein. Darin schlief er die Nacht durch bis zum andern Morgen.

Im Dorfe hörten die Leute von alledem, und sie sprachen unter sich: "Da ist ein kleiner Bosso, namens Bukari, bei Ibrahim angekommen, der kann noch mehr als Ibrahim. Er verfügt über mächtige (magische) Kräfte. Er ist stärker als Ibrahim!" Der kleine Jine flog sogleich zu seinem Herrn und sagte zu Ibrahim: "Die Leute erzählen sich untereinander, Bukari vermöge mehr als du."Als Ibrahim das hörte, ward er über alle Maßen zornig und rief: "Daß mir dieses armselige Kind nur bald aus den Augen kommt."

Es ging zu Bukari und sagte: "Bursche, gehe mir schnell aus dem Hause!" Bukari sagte: "Wie kommt es, daß du mit einem Male so zornig auf mich bist?"Ibrahim sagte: "Die Leute erzählen sich untereinander, daß du mehr vermögest als ich. Glaube aber nicht, daß ich als Mindergeachteter neben meinem Gaste leben will."Bukari sagte: "Was gilt das Gerede der Menschen! Ich habe dich als meinen Vater angesehen und ich habe dich als Vater verehrt. Ist es nicht so? Habe ich dich je beleidigt? Habe ich je schlechte Sachen gegen dich unternommen nommen?" Ibrahim sagte: "Du gehst! Ich will nichts mehr von dir hören und sehen. Du gehst!" Bukari sagte: "So erlaube mir wenigstens, daß ich in der Nähe deines Hauses in diesem Dorfe bleiben darf." Ibrahim sagte: "Wenn ich dich nicht in meinem Hause dulde, dann werden dir die andern Leute in diesem Dorfe den Aufenthalt auch nicht gestatten."

Da ging Bukari von dannen aus dem Dorfe und in den Busch. Und Bukari schlief in dem Busche.



***
Als es Mitternacht war, erwachte Bukari. Er rief seinen Jine und sagte ihm: "Ich habe meinem verehrungswürdigen Vater Ibrahirn Schinajogo nichts Schlimmes getan, aber er hat mich mit Schanden von seiner Seite verjagt. Diese Sache muß nunmehr geregelt werden. Kehre du also gleich in die Stadt zurück, fange Ibrahim, binde ihn und bringe ihn hierher zu mir in den Busch, in den er mich verjagt hat." Der Jine Bukaris machte sich sogleich auf den Weg. Noch



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zu guter Zeit packte er im Dorfe Ibrahim und band ihn. Dann brachte er ihn in den Busch zu Bukari.

Im Busche schlug der Jine Ibrahim in das Handeisen. Bukari sagte: "Damit nun der verehrungswürdige Ibrahim einsieht, welches Unrecht er mir angetan hat und wie freundlich ich früher gegen ihn war, kannst du ihn von jetzt ab hier im Busche jeden Morgen schlagen. Lege ihn auf den Boden und schlage ihn alle Tage, so daß er es von einem zum andern Tage nicht vergißt." So ward Ibrahim alle Tage von dem Jine Bukaris im Busche gepeitscht.

Ibrahim hatte daheim ein Kind, das war auch wie Bukari, 14 Jahre alt. Es war ein Mädchen, über dessen Schönheit alle, die es sahen, sehr erstaunt waren. Ibrahim hielt es aber sehr zurückgezogen, und so hatte Bukari sie nie gesehen. Eines Tages, als nun Ibrahim wieder vom Jine schwer ausgepeitscht war, rief er Bukari und sagte zu ihm: "Höre, Bukari, ich habe dir schweres Unrecht angetan, denn jetzt lässest du mich die Übermacht deiner (magischen) Kräfte sehr schwer fühlen. Nun will ich dir zeigen, daß ich bereit bin, das Geschehene vergessen zu machen. Ich habe daheim eine Tochter, von der sagen alle Leute, daß es das schönste Mädchen im ganzen Lande sei. Dieses Mädchen will ich dir zur Frau geben, und du sollst es nicht nötig haben, mir irgendein Geschenk dafür zu machen. Ich gebe sie dir sehr gerne so." Bukari sagte: "Mein Vater, ich freue mich, daß wir nun wieder in das gute Einvernehmen kommen." Bukari sagte zu dem Jine: "Löse meinen verehrungswürdigen Vater sogleich aus dem Eisen, in welches er durch ein Versehen geriet, das er beging." Bukari sagte: "Mein Vater, ich denke mit diesem Übereinkommen einverstanden zu sein; denn es ist ein Zeichen des Vertrauens (soll wahrscheinlich heißen, des Vertrauens auf die Macht der magischen Kräfte), wenn du mir deine Tochter gibst. Du bist nun alt, und ich werde von deiner Erfahrung etwas lernen können. Aber du kennst nun die Gewalt, über die ich verfüge, und da muß ich denn darauf bestehen, daß du mir gestattest, Bestimmungen zu treffen, wo und wie ich es für richtig erachte." Ibrahim sagte darauf: "Hiermit bin ich sehr einverstanden, denn du bist ein ordentlicher Bursche."

Darauf begab sich Ibrahim und Bukari wieder in das Dorf. Bukari erhielt die schöne Tochter Ibrahims zur Frau und blieb eine Zeitlang bei Ibrahim mit seiner Frau wohnen.

Eines Tages sagte Bukari zu seinem Schwiegervater (als er schon mit Ibrahims Tochter verheiratet war): "Jetzt will ich dir zeigen, was das Größte ist. Ich will dich einmal in mein Land sehen lassen!



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Nimm dieses Zaubermittel und wasche dir damit das Antlitz, die Augen und den Bart."Ibrahim tat so und wusch sich sein Gesicht mit dem Zaubermittel. Dann sagte Bukari: "Nun stelle dich auf meinen Fuß." Ibrahim stellte sich auf den Fuß Bukaris. Da sah Ibrahim mit einem Male in der Runde 6o Dörfer der Jine, einige näher, einige ferner, und um die Dörfer und auf den Wegen wimmelte es von großen und kleinen Jine und von Jinemännern und Jinefrauen. Das alles hatte Ibrahim bis dahin nie gesehen, und er war sehr erstaunt.

Bukari sagte: "Du siehst hier sechzig Dörfer der Jine; jedes sehr volkreich, und über jedem ein großer Häuptling herrschend. Jeder dieser mächtigen Häuptlinge hat mir eine Tochter zur Frau gegeben, so daß ich über all dies Volk bestimmen kann. Und diese sechzig Frauen sind sehr schön." Ibrahim stieg vom Fuße Bukaris herunter. Da war für ihn alles verschwunden, und von alle den vielen Jine sah er nicht einen mehr.

Bukari sagte: "Ich will dir aber auch die sechzig Frauen zeigen." Er nahm seinen Supa-Baga (d. i. der Zauberring, den die Bosso über den Oberarm gestreift tragen; su heißt bei den Bosso Arm!) ab und gab ihn Ibrahim. Dazu sagte er: "Komm heute nacht zu mir. Diesen Supa-baga nimm zwischen die Zähne; dann wirst du meine sechzig Jinefrauen, die Töchter der sechzig Jinefürsten, sehen."

Als es Nacht war, nahm Ibrahim den Supa-baga Bukaris und ging in dessen Schlafraum, wo dieser sein Feuerbett angezündet hatte. Er nahm den Supa-Baga zwischen die Zähne. Im gleichen Augenblick sah er, an Stelle des Feuers, eine mächtige Halle, in deren Mitte Bukari lag. Er war umgeben von 6o wunderbar schönen Frauen, die alle Töchter der Jinefürsten waren. Ibrahim nahm den Ring wieder zwischen den Zähnen fort. Da sah er nur noch das Feuer, in dem Bukari schlief.

Eines Tages sagte Bukari zu seinem Schwiegervater Ibrahim: "Zeige mir doch die Stelle, an der du den Marabut Issa Billa Korro mit dem Jobbobaume eingeschmolzen hast." Ibrahim führte Bukari zum Flusse und an jene Stelle und sagte: "Hier habe ich den Marabut Issa vor langer Zeit eingeschmolzen." Bukari erhob seine Stimme und schrie dreimal: "Issa Billa Korro!" Als er den Namen des Marabut zum dritten Male genannt hatte, hob der vor langer Zeit mit dem Jobbobaume eingeschmolzene Issa sich aus der Erde und ging als lebendiger Mensch umher.

Eines Tages sagte Bukari zu Ibrahim: "Ich habe nun lange mit dir hier gelebt. Nun will ich mit deiner Tochter, meiner Frau, zu Jun



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schumu, meiner Mutter, reisen." Ibrahim sagte: "Wenn du deine Mutter aufsuchen willst, so kann ich nichts dagegen sagen. Ich erlaube dir aber nicht, meine Tochter von hier fortzunehmen. Meine Tochter bleibt hier."Bukari sagte: "Ibrahim, mein verehrungswürdiger Vater, ich bitte dich, mir keine Schwierigkeiten zu bereiten, damit ich nicht gezwungen werde, meine (magischen) Kräfte zu entfalten." Ibrahim sagte: "Nein, ich kann dir diese Erlaubnis nicht geben. Meine Tochter soll bei mir bleiben. Ich will nicht, daß meine Tochter von hier fortgeht." Bukari sagte: "Ich bitte dich noch einmal, nicht zu veranlassen, daß ich dich meine Macht fühlen lasse." Ibrahim sagte: "Meine (magische) Kraft wird genügen, um meinen Willen in dieser Sache durchzusetzen." Bukari sagte: "Mein verehrungswürdiger Vater, du hast deinen eigenen Willen."

Nachher ging Bukari zum Flusse herunter. Vom Ufer aus rief er Saru (den Krebs). Er sagte: "Höre, Saru, mein Schwiegervater Ibrahim will mir nicht erlauben, seine Tochter, die er mir freiwillig und aus eigenem Antriebe zur Frau gegeben hat, mit in mein Land zu nehmen. Ich habe ihm vordem gesagt, daß mein Wille und nicht der seine herrschen wird. Er hat diesem Wunsche zugestimmt. Nun will ich ihn nicht töten; denn er ist ein verehrungswürdiger Vater und ein alter Mann von ausgezeichneten (magischen) Kräften. Darum gebe ich dir folgenden Befehl: ich werde Ibrahim veranlassen, morgen an diese Stelle, ans Flußufer, zu kommen und mit dir, Saru, dann mit Schobo und den Juo (Fischen) zu sprechen. Wenn er hier ankommt und irgendeinen ruft, so sollst du ihn sogleich verschlingen. Achte mir aber darauf, daß du ihn nicht verletzest beim Hinunterschlucken. Er darf auf keinen Fall sterben. Du darfst ihn nicht töten, und wenn er in deinem Innern weilt, mußt du gut für ihn sorgen, mußt ihn reichlich und mit guten Speisen, die er liebt, ernähren. Hast du mich verstanden, Saru?" Saru entgegnete: "Ich habe es wohl verstanden. Ich werde Ibrahim verschlingen, werde dafür sorgen, daß er nicht verletzt wird, ihn in meinem Innern bewahren und werde ihm gute, wohlschmeckende und reichliche Nahrung zuteil werden lassen." Bukari sagte: "So ist es richtig, und du weißt, daß ich schlimm genug mit dir verfahren werde, wenn du meine Befehle nicht ganz genau so ausführen wirst, wie ich es dir gesagt habe." Danach begab sich Bukari zurück in das Dorf seines Schwiegervaters.

Bukari sagte zu seinem Schwiegervater Ibrahim: "Nun will ich Abschied nehmen von dir und will in das Land meiner Mutter, nach Gimballa, zurückreisen. Du willst mir deine Tochter nicht mitgeben,



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und du hast deinen eigenen Willen. Ich habe aber allen Saru, Schobo und Juo gesagt, daß sie dir immer nach deinem Willen alle Nahrung geben sollen, daß du morgen früh an das Ufer unter dem Jobbobaume kommen und mit ihnen das besprechen würdest. Nun gehe ich. Lebe wohl und bewahre mir meine Frau, bis ich wiederkomme." Bukari ging. Aber er ging nicht nach Gimballa, sondern zum Flußufer herab und versteckte sich nahe dem Jobbobaume. Bukari wollte alles mit ansehen.

Am andern Tage kam Ibrahim Schinajogo herab an den Fluß. Er beugte sich über das Wasser und rief laut: "Saru! Schobo! Juo!" Kaum hatte er das ausgesprochen, so tauchte Saru aus dem Wasser empor. Saru war riesengroß. Saru ergriff Ibrahim und führte ihn vorsichtig in seinen Mund hinein. Saru verschluckte Ibrahim sehr vorsichtig und tauchte dann wieder im Wasser unter. Als Bukari das gesehen hatte, kehrte er in das Dorf zurück, nahm seine Frau und reiste mit ihr in das Land seiner Mutter, nach Gimballa.

Eines Tages sagte die Frau: "Laß doch meinen Vater, Ibrahim Schinajogo, frei!" Bukari aber antwortete: "Nein, deinen Vater Ibrahim will ich nicht frei lassen. Er ist im Leibe Sarus ausgezeichnet aufgehoben. Er wird da vorzüglich ernährt.*


Copyright: arpa, 2015.

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