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Kapitel 

DÄMONEN DES SUDAN


ALLERHAND RELIGIÖSE VERDICHTUNGEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

4. Sallo

In alten Zeiten gehörte der Niger nicht den Kaimanen oder irgendeinem andern Geschöpfe, sondern er gehörte Sailo. Das war ein riesenhafter Krebs, der lag zwischen Timbuktu und Djenne bei der Insel Safei. Die Insel Safei liegt nahe Ualedji und scheint dieselbe wie die Insel Kurra zu sein, liegt ihr aber jedenfalls nahe.

Es stritten damals ein Soroko namens Kassum aus Djenne und ein Soroko namens Mai aus Timbuktu um die Frage, ob Timbuktu



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älter sei oder Djenne, welcher Stadt also der Niger gehöre. Sie beschlossen, die Sache in einer Wettfahrt zum Austrag zu bringen. Kassum fuhr in seinem Boot Taparabane, Mai fuhr in seinem Boot Samfili. Sie fuhren ab.

Nach einiger Zeit bewirkte Mai mit magischer Kraft, daß Kassums Boot vorn auf einen spitzen Stein auffuhr. Als Kassum das sah, machte er auch hinten in das Boot ein Loch, so daß das Wasser, das bei der Fahrt vorn hereinschoß, hinten wieder herausfloß. Kassum aber bewirkte mit magischer Kraft, daß Mai im Wege getäuscht ward und in einen Seitenarm einlief, der eine Sackgasse war; er bewirkte, daß sogleich danach eine Welle vor dem Seitenarm eine Sandbank aufwarf, so daß er abgeschlossen war. So konnte Mai zunächst nicht heraus. Mai nahm aber alle seine magische Kraft. Er rief: "Hari!" (Wasser) und murmelte magische Worte. Darauf trug das Wasser sein Boot über die Sandbank.

Da wurde Sallo wütend und sagte: "Was machen diese Soroko mit meinem Fluß? Ich werde sie verschlingen." Und er sperrte bei Safei das Maul weit auf. Kassum sah es und rief dem Kameraden warnend zu. Er rief: "Sallo wird uns verschlingen. Wir wollen schnell ans Land gehen, unsere Boote aufs Land ziehen und zu Lande jeder seine Stadt aufsuchen. Dann wollen wir den Rat der weisesten Männer einholen, um zu erfahren, wie wir Sailo aus dem Wege räumen."Mai sagte: "Es ist gut." Jeder ging heim, um die magischen Kräfte und Zaubermittel zu sammeln. Ehe sie aber noch heimgekommen waren und die Nachricht vom Zorn Sallos in ihre Städte getragen hatten, kam eine Gesellschaft von 120 Boten. Die waren von Djenne aufgebrochen, um nach Timbuktu zu fahren. Als diese ahnungslos auf Sallo zuschwammen, glaubte dieser, Kassum und Mai seien darin, und sogleich verschluckte er alle 120 Boote mit der gesamten Mannschaft auf einmal.

Als Kassum daheim angekommen war, rief er alle alten und erfahrenen Soroko zusammen. Er erzählte ihnen, was sich ereignet habe, und daß Sallo den Niger für sich als sein Eigentum beanspruche. Kassum sagte: "In der Sache müßt ihr alle miteinander helfen. Mai ist auch nach Timbuktu gefahren, um dort alle magischen Worte und Zaubermittel gegen Sailo anzuwenden." Der Weiseste aller Soroko war in Djenne der alte Mama Djennepu. Der alte Mama Djennepu sagte: "Wir müssen sehen, wer der älteste von allen am Niger ist, um diese Frage entscheiden zu können." Die andern sagten: "Es ist gut."



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Mama Djennepu rief Tumbo, den Pelikan (Timbo in Malinke), und sagte: "Die Leute von Djenne und Timbuktu streiten sich darum, welche Stadt älter ist und wem der Niger daher gehöre. Sailo will ihn aber allein für sich haben." Tumbo sagte: "Ich bin allerdings der älteste von denen, die hiei versammelt sind, denn ich legte hier schon meine Eier in ganz alten Zeiten, da Djenne jung war." Mama Djennepu sagte: "Du bist alt, aber du bist nicht alt genug." Mama Djennepu rief den Schakal. Der Schakal sagte: "Ich bin nun hier allerdings der Älteste, denn ich habe den ersten Menschen ausgescharrt, der in Djenne begraben wurde." Mama Djennepu sagte: "Du bist alt, aber nicht alt genug." Mama Djennepu rief den Tommofirri (einen kleinen Vogel, der für Bereitung von Zaubermitteln sehr geschätzt wird). Tommofirri sagte: "Ich bin so alt, daß es zu meiner Jugendzeit noch keine Erde gab. Als meine Mutter starb, fand ich keinen Platz hier unten, um sie zu begraben; so habe ich sie denn in meinem eigenen Kopfe begraben. Der älteste nach mir ist Nuonjuo (das Chamäleon, Nonsi der Malinke). Das kroch über die Erde, als sie noch feucht war." Mama Djennepu sagte: "So, nun wissen wir, wer die ältesten am Niger sind; nun können wir gegen Sailo vorgehen. Nun ist das Recht auf unserer Seite. Rufe Mai!"

Mai wurde aus Timbuktu herbeigerufen. Dann begaben sich Mai, Kassum und Djennepu nach Safei. Dort verrichteten sie auf einem Termitenhaufen ein großes Opfer. Danach bereiteten sie alle Zaubermittel vor. Sie warfen die Zaubermittel in den Niger. Sailo befand sich in dem Nigerarm, der Nankambulli mbuhhi hieß. Als sie ihre magischen Formeln gemurmelt hatten, fragten sie den Sailo: "Bist du noch am Leben?" Sahlo sprach aus der Tiefe: "Nein."

So kam der Niger in den uneingeschränkten Besitz der Soroko.

Damals waren die Ga-bibi (Ga =Haut, bibi =schwarz das sind die schwarzhautigen Soninke) in den Städten der Soroko in Djenne und Timbuktu nur Fremde und hatten nicht die Rechte Alteingesessener. Als nun Kassum, Mama Djennepu und Mai den Sahlo getötet und die endgültige Oberherrschaft über den Niger gewonnen hatten, kamen die Gabibi zu den großen Soroko Tungutu und baten sie um Zaubermittel. Die Soroko gaben ihnen Zaubermittel. Damals aßen die Gabibi in Djenne und Timbuktu weder Hirse noch Salz. Sie baten die Soroko um die Tungutu, damit sie mit deren Hilfe diese Nahrungsmittel herbeibringen könnten. Die Soroko gaben die Zaubermittel.



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So ausgerüstet, gelang es den Gabibi aus Dierrawann (Dierrawann soll die älteste Salzmine im Taudenitgebiet sein), Salz herbeizuschafferi. Ohne die Zaubermittel der Soroko hätten sie gar nichts gekonnt. Als sie aber den Salzhandel in Händen hatten, gewannen sie in den Sorokostädten das Übergewicht, und nachher wurden sie die Herren in Djenne und Timbuktu. Noch heute sind die Gabibi (Soninke) die Herren in Djenne und Timbuktu.


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