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Kapitel 

DÄMONEN DES SUDAN


ALLERHAND RELIGIÖSE VERDICHTUNGEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



Atlantis Bd_07-0004 Flip arpa

TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

3. Mussenjenni

Fono hatte einen Sohn, der hieß Mussenkenni oder Mussenjenni. Mussenjenni war ein sehr tüchtiger Fischer und leitete die Fischzüge seiner Ortschaft. Eines Tages hatte er mit seinen Dorfgenossen den Fischzaun fertiggestellt, mit dem sie ein kleines Gewässer abschließen und dann behaglich ausfischen wollten. Er hatte schon den Fischzaun fertig und in große Bündel aufgerollt im Dorfe liegen. Da sagte Porio (das ist der Fisch, der immer hinter dem Ma herschwimmt; siehe Ethnographie Soroko-Majagd): "Ich werde etwas unternehmen."

Porio verwandelte sich in eine Frau. Er war nun eine bildschöne junge Frau. In dieser Gestalt begab er sich in das Dorf Mussenjennis. Als sie durch die Straßen ging, wurden alle Leute auf sie aufmerksam, und jeder sah, daß sie eine Fremde war. Jeder sagte: "So verbringe doch die Nacht bei mir. Schlafe mit mir." Sie aber antwortete einem jeden: "Nein, ich will nicht bei dir schlafen. Ich will nur bei Mussenjenni bleiben." Sie fragte: "Wo ist das Haus Mussenjennis?" Man zeigte es ihr, und sie ging zu Mussenjenni und sagte zu ihm: "Ich will die Nacht bei dir verbringen." Mussenjenni sagte: "Es ist gut."

Mussenjenni sah die schöne junge Frau, freute sich und sagte zu sich: "Hier werde ich vorsichtig sein, denn das ist eine merkwürdige Sache. Als es Abend geworden war, bereitete er nicht ein Gericht von Korn (Sorghum) vor, sondern er machte eine Speise aus Baumwollsamen. Gegen Mitternacht schliefen sie zusammen. Nachher fragte die junge schöne Frau: "Wann wollt ihr den Seitenarm abfischen?" Mussenjenni sagte: "Ach, das werden wir frühestens übermorgen machen." Die Frau fragte: "Wie werdet ihr das machen?" Mussenjenni sagte: "Erst müssen wir die aufgerollten Fischwehre reparieren. Wenn die Schuo (Fischwehr) fertig sind, fahren wir hinaus, sehen, ob auch genug Fische im Seitenarm sind,



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fahren mit den Booten am Eingang des Wassers entlang, rollen die Schuo auf und stecken sie ins Wasser. Dann beginnen wir mit den Netzen zu fischen." Die schöne junge Frau sagte: "Also morgen fangt ihr noch nicht mit dem Fischfang an?" Mussenjenni sagte: "Wir haben ja unsere Schuo noch nicht fertig."

Am andern Morgen ging die junge schöne Frau. Sie ging an das Wasser und ward wieder ein Porio. Die andern Fische fragten: "Wie wird es?" Porio sagte: "Ach, sie haben noch nicht einmal die Schuo fertig. Es hat also noch Zeit. Heute können wir noch unbekümmert im Seitenarme spielen." —Mussenjenni aber rief seine Dorfgenossen und sagte: "Die schöne junge Frau, die gestern zu uns kam und mit der ihr alle so gerne schlafen wolltet, war sicher kein Mensch, sondern ein verwandelter Fisch. Die Frau hat mich wegen dieses Fischzuges genau ausgefragt. Ich habe ihr gesagt, wir wollten morgen mit dem Auslegen der Schuo beginnen. Wir wollen aber heute gleich anfangen." Die andern sagten: "Gut!"

Das ganze Dorf machte sich an die Arbeit. Sie fuhren mit den Schuo hinaus. Sie legten das Fischwehr schnell aus. Dann kamen sie mit den Netzen und nahmen den ganzen Seitenarm aus. Als Mussenjenni in einem Netze den Porio sah, sagte er: "Den legt beiseite, bringt ihn nicht unter die andern." Der Porio wurde beiseitegelegt. Als der Fischfang beendet war, sahen sie, daß die Beute außerordentlich reich war. Mussenjenni sagte: "Bringt mir den Porio. Ich habe der Frau gestern abend statt Hirse oder Reis Baumwollsamen zu essen gegeben. Nun wollen wir den Fisch hier öffnen. Ihr glaubtet, es sei wirklich eine schöne junge Frau. Ich wußte gleich, daß es eine andere Sache war." Man schnitt den Bauch auf. Im Bauche des Porio fand man noch den Baumwollsamen.

Mussenjenni lachte und sagte: "Seht ihr, daß ich recht hatte?" — Und alle Welt sang ein Lied auf Mussenjenni.


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