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DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSEND UND EIN NÄCHTEN

VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BANDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839

ÜBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 3

IM INSEL-VERLAG


DIE GESCHICHTE VON HÂTIM ET-TÂÏ

Man erzählt, daß Hâtim et-Tâï nach seinem Tode auf dem Gipfel eines Berges begraben wurde; und man stellte bei seinem Grabe zwei Wassertröge aus Stein auf, dazu auch steinerne Bilder von Mädchen mit aufgelösten Haaren. Am Fuße jenes Berges aber floß ein Bach; und wenn die reisigen Leute dort lagerten, so hörten sie ein lautes Klagen die ganze Nacht hindurch, vom Abend bis zum Morgen; doch in der Frühe fanden sie niemanden als die Mädchen, die aus Stein gebildet waren. Einmal lagerte Dhu el-Kurâ', der König von Himjar, in jenem Tale, als er seinen Stamm verlassen hatte, und er verbrachte jene Nacht an dem Orte. Da war er nahe bei jener Grabstätte, und er hörte auch das Klagen. Wie er nun fragte: ,Was ist das für ein Klageruf, der von diesem Berge herunterschallt?' antwortete man ihm: ,Dort ist das Grab des Hâtim et-Tâï, und bei ihm stehen zwei Wassertröge aus Stein und steinerne Bilder von Mädchen mit aufgelösten Haaren; und alle, die in diesem Tale lagern, hören bei Nacht stets dies Klagen und Rufen.' Da rief Dhu el-Kurâ' scherzend dem Hâtim et-Tâï zu: ,O Hâtim, wir sind heute abend bei dir 'zu Gaste, und wir verschmachten vor Hunger!' Dann kam der Schlaf über ihn, aber bald wachte er erschrocken wieder auf und rief:



1000-und-1_Vol-03-086 Flip arpa

,Ihr Araber, zu Hilfe! Seht nach meiner Reitkamelin!' Als sie zu ihm kamen, fanden sie die Kamelin, wie sie sich am Boden wälzte; da schlachteten sie das Tier, brieten sein Fleisch und aßen es. Dann fragten sie den König, was geschehen sei, und er antwortete: ,Ich schloß meine Augen; da sah ich plötzlich im Schlafe, wie Hâtim et-Tâï mit einem Schwerte in der Hand auf mich zutrat und sprach: ,Du bist als Gast zu mir gekommen: aber ich habe nichts hier.' Und er traf meine Kamelin mit dem Schwerte, und wenn ihr nicht herbeigeeilt wäret und sie geschlachtet hättet, so wäre sie verendet.' 'Wie es aber Morgen ward, bestieg Dhu el-Kurâ' die Reitkamelin eines seiner Gefährten und ließ den hinter sich aufsitzen. Gegen Mittag erblickten sie einen Reiter auf einer Kamelin. der ein anderes Reittier am Halfter führte. Da fragten sie ihn: ,Wer bist du?' Er gab zur Antwort: ,Ich bin 'Adî, der Sohn von Hâtim et-Tâï!' Und er fuhr fort: ,Wo ist Dhu el-Kurâ', der Häuptling der Himjaren?' Als man ihm erwiderte: ,Da ist er!' sprach er zu dem Fürsten: ,Nimm diese hier als Reitkamelin zum Ersatz für deine eigene; denn mein Vater hat deine Stute für dich geschlachtet!' Da fragte Dhu el-Kurâ': ,Wer hat dir das gesagt?' Und der Fremdling entgegnete: ,Mein Vater ist mir in der vorigen Nacht im Traume erschienen, während ich schlief; und er sprach zu mir: ,'Adt, höre, Dhu el-Kurâ', der König von Himjar, lud sich bei mir zu Gaste ein, und da schlachtete ich für ihn seine eigene Kamelin. Bring du ihm also eine andere Stute, auf der er reiten kann; denn ich hatte nichts bei mir!' Da nahm Dhu el-Kurâ' sie entgegen, verwundert über die Freigebigkeit des Hâtim et-Tâï im Leben und im Tode.

Zu den Erzählungen über die Männer der Großmut gehört auch


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