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Kapitel 

DÄMONEN DES SUDAN


ALLERHAND RELIGIÖSE VERDICHTUNGEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

n) Die Regenmacher

(= Kuantummu, entsprechend den Samoding bei den Bammana und den Sanding bei den Malinke) stellen neben den Priestern der Geheimbünde, den Zauberern und Subachen, den Verwandten und den Priestern der Wassergeister die letzte Gruppe von Dienern religiöser Gedanken dar, von denen ich bei diesen Stämmen hörte.

Diese bilden unter sich auch eine Gesellschaft, und zwar kann man nur dadurch Mitglied werden, daß man vom Bhitzschlage getroffen wird und drei Tage scheintot bleibt. Diese letzte Angabe wird von einigen bestritten und dazu behauptet, daß das nur die Malinke glauben, die Bosso aber nicht. Richtig daran ist, daß ich dieses Vorkommen bei den Malinke vorgefunden habe.

Zu der Gesellschaft der Kuantummu gehören Männer sowohl als Weiber, immer aber sind es ältere Leute, die zuverlässig sind und denen man Vertrauen entgegenbringt. Wenn der Regen lange ausbleibt und das junge Getreide auszutrocknen beginnt, welche gefahrvolle Lage gar nicht so sehr selten sein soll, so sorgen sich alle Dorfbewohner besonders wegen des Reifens der kleinen Hirse (Pennisetum?). Es hebt allgemeines Klagen an, das damit endet, daß die Familienvorstände zuletzt beschließen, einen Kuantummu, einen Regenmacher herbeizurufen. Ist dies ein Mann, so verfährt er folgendermaßen:

Er tritt in das Haus und läßt sich zwei Schalen kleiner Hirse geben. Das Korn stößt er und stellt das Mehl dann beiseite. Nun kommt einer der Familienältesten nach dem andern, legt seine Hand in das Mehl und sagt: "Möchte es doch Regen geben, damit das Getreide nicht vertrockne, ehe das Korn reif ist. Ich möchte viel, viel Regen haben usw." Dann geht ein jeder wieder nach Haus. Der Kuantummu aber kommt zurück, sobald alle Familienvor



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stände gebetet haben, und mengt das Wasser mit Mehl. Sobald der Brei gut durchgeknetet ist, nimmt er einen Teil davon und ballt drei Mehlklöße. Diese legt er beiseite. Der Rest, der bei der Kloßherstellung übriggeblieben ist, muß von den Kindern des Dorfes verzehrt werden. Die werden also alle zusammengerufen und verzehren dann auch die für sie bestimmte Menge Mehlbrei gern sehr eilig.

Ist auch diese Kinderspeisung erfolgt - alles das muß sich im Laufe eines Tages abspielen - so mischt der Kuantummu die drei Breiklöße, die zurückgelegt wurden, mit Hirseschrot (den Schalen der Getreidekörner) und wirft zwei von ihnen in den Fluß, den dritten und letzten aber legt er auf das hohe Ufer. In der gleichen Nacht noch oder am andern Morgen setzt dann der Regen mit Bestimmtheit ein. So verläuft die Sache, wenn der herbeigerufene Kuantummu ein Mann ist. Etwas anders spielt sich die Zeremonie ab, wenn eine Kuantummuweib zu Hilfe gerufen wurde.

Wenn diese ankommt, wird zunächst ein großes Tanzfest veranstaltet. Dabei trommeln die Frauen auf Kalebassen. Es ist eine kleine, umgekehrt in eine große gesetzte Kalebasse. so daß ein tüchtiger Resonanzboden entsteht, der einen gründlichen Lärm verbreitet. Zu dieser Begleitung singt die Kuantummu Zauberlieder, bis sie in eine gewisse Begeisterung versetzt ist. Danach verrichtet sie die Mehlbereitung und nachdem die Ältesten ihr Gebet gesprochen haben, die Kinderfütterung und den Kloßauswurf ebenso wie ein männlicher Kuantummu. Man sagt aber, daß ein durch Weiber hervorgerufener Regen schwächer sei als ein Männerregen.

Diese Anschauung entspricht genau dem Bilde, das sich die Bosso vom Ursprunge der Gewitter und des Regens machen. Sie sagen nämlich, im Himmel wären eine Frau und ein Mann, und die beiden gäben dem Regen den Ursprung, indem sie abwechselnd weinen. Den Anfang macht immer der Mann, der sehr starken, wenn auch kurzen Regen hervorruft. Der Mann ist in seinem weinenden Zorn wild und speit dabei aus. Dies Ausspucken ist aber das Blitzen. Nachher weint dann die Frau. Aber sie weint still, aber desto länger vor sich hin. Das gibt dann zarten, aber lange, lange anhaltenden Regen.

Wenn nun ein Bosso auf Reisen ist und Salz oder Stoffe bei sich hat oder andere Sachen, die nicht naß werden dürfen, oder wenn er im Boote weit fortfahren muß, so daß ein starker Regen seine Unternehmung schlecht fördern würde, so bereitet er sich ein starkes Medikament, das den Regen verhindert. Zu diesem Zwecke gilt es, Rinde vom Baume Uo zu suchen und diese mit kleinen Pfefferschoten (kue) zusammen zu stoßen. Man füllt das so gewonnene Mehl in ein Zeugbeutelchen. Will man nun einmal den



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Regen nicht unterwegs haben, so tut man ein wenig von dem Mehl in Wasser und wirft das dreimal gegen den Himmel. Das hilft. Um schwere Gewitter abzuwenden oder zu vermeiden, darf man Montags nicht auf den Feldern arbeiten.

Im Beginn des Gewitters soll man nie Hunde schlagen, damit einen der Blitz nicht trifft. Auch kann man das Einschlagen in das Haus damit vermeiden, daß man während des Tornados weder auf dem Rücken, noch mit der Hand unter dem Kopfe, sondern auf der Seite schläft. Ist man während des Gewitters mit einem Hunde im Hause und der Hund läuft plötzlich heraus, so soll man auch schleunigst das Haus verlassen, denn man kann überzeugt sein, daß es binnen kurzem einschlagen wird.

Über die Entstehung der in diesen Ländern stark ausgebildeten Gewitterbildungen erhielt ich zwei mythologisch hochwichtige Mitteilungen, die im nachfolgenden wiedergegeben werden.

i. Das Gewitter soll seinen Ursprung auf den großen Stammherrn Auadia (oder Awa-dia, angeblich Allzerstörer) zurückführen. Auadia hatte einmal Gott um Nahrung gebeten. Gott sagte: "Ich werde dir etwas geben, damit du dich ernähren kannst. Pflanze den Samen." Gott gab Auadia Samen. Auadia pflanzte ihn. Der Same ging auf und ward schnell mächtig und groß und war wie ein mächtiger Baum, der bis zum Himmel ragte. Gott sagte zu Auadia: "Blicke nicht auf zum Himmel."

Die Pflanze, die wie ein mächtiger Baum bis hinauf zum Himmel reichte, trug vier Früchte, die enthielten das Stärkste, das Beste und Schlechteste, was es auf Erden gibt, nämlich:

a) Bamma-djigi, das ist ein Medikament, der schlimmste Menschentöter. Man benutzt das Bamma-djigi, indem man ihm eine schwarze Ziege schlachtet und es dann reibt. Nennt man dabei den Namen eines Menschen, so stirbt dieser.

b) Dussu, das ist das große Medikament der Jäger.

c) Dussu-Kaudienni, das ist das Zaubermittel, welches einem dazu verhilft, viele Mädchen (ob Knaben auch?) zu erzeugen.

d) Bamma-Djigi-Da, das ist das stärkste aller Zaubermittel der Erde. Es sorgt ausgezeichnet für Erfolg und Unglücksbewahrung auf der Jagd auf Ma und Nilpferde. Vor allem gewährt es Sicherheit gegen die Gewitter auf der Majagd.

Auf diesem Zauberbaume wuchsen auch die Gewitter. Es ist ein Mann dort oben, der heißt Minkaju. Der hat eine Peitsche. Mit der schlägt er gegen die Baumfrüchte. Wenn er eine Frucht getroffen hat, so springt sie auf und läßt den Regen zur Erde herabfallen. Jedes abspringende Stück der Fruchtschale erzeugt ein Donnerrollen.

2. Eine andere Erklärung erhielt ich in Mopti. Es ist nicht unmöglich, daß aus ihr ein stärkerer Fulbeeinfluß spricht. Es ist



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auch dieser Lesart nach ein Baum, dem die Früchte abgeschlagen werden, so daß sie aufspringen und zur Erde Regen entsenden' Aber es sind acht Menschen oder Wesen, alle von gleichem Vater und von gleicher Mutter abstammend, die bei Lamudu im Himmel das Regen- und Gewitterwerk verrichten, nämlich:

Gala- (oder Ala-) Babila,
Gala- (oder Ala-) A-Babila,
Arba-Babila,
Arba-A-Babila, Mika-Babila,
Mika-A-Babila, Sala- (oder Sarfa-) Babila,
Sala- (oder Sarfa-) A-Babila.

In der trockenen Jahreszeit sind diese acht je zu zweien nach den verschiedenen Himmelsrichtungen verteilt, nämlich: Im Osten (=Jinti) die beiden Gala, im Westen (=Jinkama) die beiden Sala, im Norden (=Sahel) die beiden Arba, im Süden (=Dugumping) die beiden Mika. In der Trockenzeit suchen sie in den vier Himmelsrichtungen Wasser aufzutreiben. Als Anführer gilt Gala Babila.

In der Regenzeit arbeiten sie aber alle gemeinsam und rufen sich zu: "Du, schlag da drüben, daß da ein Regen herabkommt!" Übrigens gelten diese nicht als die, welche auch die Blitzsteine, die Donnerkeile, alias alte Steinwerkzeuge, im Bosso = Djerre (im Fulfulde Suram) herunterwerfen. Sondern das tun die bösartigen Jine, schlechte Geister. Die acht schlagen gegen das Holz und dann donnert es. Sie zertrümmern eine Frucht und der Gewitterregen gießt herab.

Sonnenlautbalin. In bezug auf den Umgang der Sonne hörte ich in Farimaka, daß zwei Menschen das Lichtgestirn an einer Schnur herumziehen. Die Sonne gehört nicht Gott, sondern diesen beiden Menschen. Einer von ihnen sitzt am Ostrand, einer am Westrand der Erde. Ihr Antlitz ist einander zugekehrt. Am Morgen hat der Westmensch die Sonne so weit gezogen, daß sie am Rücken und am Hinterkopf des Ostmenschen emporsteigt. Am Abend zieht der Ostmensch sie über den Kopf, den Rücken und die Rückenverlängerung des Westmenschen entlang hinab in die andere Welt.

Gott. Eine eigentliche Bezeichnung der Bossosprache für das heute durchaus allein herrschende Wort Allah habe ich nicht, bis auf das Wort Nja (siehe oben), gefunden. Wohl aber gaben die Bosso-Soroko mir an, daß sie zwei alte Worte hätten, die in einen Begriff des Ursprungs alles Guten und Schlechten böten. Das sind die beiden Worte: Solindabi und Tammakallu, die gleichen Sinn haben



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und bei verschiedenen Stämmen noch als Ausruf verwendet werden. Solindabi soll überall sein, in den Gedanken der Menschen, in Tier, Erde, Himmel.

Ein sehr hübsches Amulett, das die Bosso Kulle, die Fulbe aber Kabride nennen, scheint ziemlich häufig, aber nicht ganz leicht erreichbar zu sein. Es besteht aus einer Röhre, die mit braunen Fäden übersponnen und mit Kauri besetzt ist. Das Amulett ist mit einem Durchzugsfaden versehen und entspricht dem Wesen des Matuku (Schatten des Kongostaates S. 166. Auch seiner Zeit bei Batetela beobachtet). Dem einen Ende zu sind auf entgegengesetzten Enden Löcher angebracht, aus denen auf der einen Seite das weiße Ende einer Schnur, auf der andern das blaue Ende der gleichen Schnur herausragt. Zieht man am weißen Ende, so kommt die Schnur hier weiß heraus und gleichzeitig verschwindet das blaue Ende auf der andern Seite. Umgekehrt ist es natürlich, wenn man am blauen Ende des Fadens zieht. — Dieses ist ein Opferamulett. Man speit gekaute Kola darauf, zieht an der Schnur und murmelt seine Gebete.

Es ähnelt das einem bei den Habbe und Marka sehr verbreiteten und bei den Habbe Bolli genannten Instrumente, dem nur der Durchzugsfaden fehlt, das ihm aber mit seiner braunen Schnurumwicklung und dem Kauribesatz bei gleicher Größe und Form ähnlich ist. Das Bolli hat an Stelle des Durchzugfadens ein kleines Schwänzchen aus Schakal- oder andern Wildtierschwanzhaaren. Es ist sehr verbreitet.


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