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Kapitel 

DÄMONEN DES SUDAN


ALLERHAND RELIGIÖSE VERDICHTUNGEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

m) Djegutu und Ma

Wie bei den Mande gibt es bei den Bosso Wassergeister, mit denen die Leute in mystische Beziehung treten. Bei den Mande lernen wir Faro, die kleinen Wassergötter, und Ma, den Monatus, kennen. Die gleichen sind es, die das Interesse der Bosso erregen; aber während Ma den gleichen Namen auch bei den Bosso führt, hat die Farogenossenschaft, die Geisterwelt des Wassers, den Namen Djegu erhalten (siehe oben S. i i i und in Geschichtsüberlieferungen Bd. VI, Die Historie von Biton).

In der Nähe jedes Bossodorfes soll es einen männlichen und einen weiblichen Djegu geben. Man opfert den Djegu jeden Montag- und Freitagabend, indem man ihnen Sisa und zwei Kolanüsse hinwirft. Sisa sind Bällchen aus gestoßener und dann gebauter kleiner Hirse.

Die Djegu lassen den Djegutu, ihren Priester, wenn er ein gewisses Alter erreicht hat, das heißt senil wird, zurücktreten und wählen sich einen jüngeren Priester. Es geschieht das so, daß sie dem jungen Mann im Traume erscheinen. Dann macht der den Opfer- und Vorbereitungskursus durch, der im folgenden beschrieben werden wird. Der Djegutu trägt ein schwarzblaues Band um den Kopf und geht auch immer in schwarzblauer Kleidung. (Das gelbe Kopfband soll entschieden den Sieng eigen sein.) Den Djegu fallen zuweilen Menschen als Sklaven zu. Wenn zum Beispiel jemand schwört: "beim Djegu" und damit einen Meineid begeht, so ist er nach einiger Zeit vom Djegu ergriffen. Ist es ein Mann reiner Kaste, das heißt ungemischten Ursprunges, so hat er es bei den Djegu nicht schlecht und nimmt nach einiger Zeit selbst die Eigenschaften eines Djegu an. Ist er aber unreiner Kaste, so beißt ihm der Djegu die Nase durch, das heißt die Nasenscheidewand.



***
Die Djegu-tu. Die Hauptaufgabe der Djegutu ist das Aufsuchen der Tungutu, und damit verdienen sie sehr viel Geld. Jedes am Ufer des großen Stromes gelegene große Bossodorf hat einen Djegutu, das ist ein Djegumann oder ein Priester der Djegu. Der opfert in jedem Jahre an einem Freitag des Januarmonats dem Djegu oder den Djegu Opfer für das Dorf. Folgendermaßen nun gelangt ein Profaner zur Würde eines Djegupriesters:

Zunächst rasiert er sich den Kopf, läßt aber fünf Haare stehen, nämlich eines in der Mitte, eines über der Stirn, eines auf dem Hinterkopfe und je eines über jedem Ohr. Dann läßt er sich von einem Schmiede eine Kette schmieden, die er umhängt. Ferner legt er ein gelbbraunes Gewand an, und endlich trägt er an Stelle der sonst wohl gebräuchlichen Mütze ein schmales Band, das um Stirn und Hinterkopf geschlungen ist und dessen Enden hinten lang herunterhängen.



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An den äußersten Zipfeln sind als Schmuck Kaurimuscheln angebracht. So geht er einher während zweier Jahre, und dann kann er ein Djegu-tu werden.

Wenn das Fest im Januar kommt, rüstet der Djegu-tu seine Geschenke für die Geister der Wassertiefe. Das Opfer wird da abgehalten, wo der Fluß sehr, sehr tief ist und zu einer Stunde, da alle Welt zu Bett gegangen ist. Es besteht in Mene, das heißt dem Fong-fong-Korn, das am Ufer gebaut ist und das bei den Malinke Bene heißt. Es ist zu Mehl gestoßen und zu kleinen Bällchen geformt. Der Opfernde hat ferner einen dunkelblauen Schal von der Djia genannten Art, einen aus Bronze gegossenen Ring und eine noch unbenutzte, neue Kandia (Kalebasse) zurechtgelegt. Bei dem Tanze, mit dem die Festlichkeit dieses Freitagabends im Januar beginnt, dürfen weder Subaga teilnehmen noch Frauen mittanzen, die außerehelichen Beischlaf geübt haben. Auch dürfen keine Diebe anwesend sein. Wenn der angehende oder eingeführte Djegutu Leute sieht, die einen unsoliden Lebenswandel geführt haben, so schlägt er sie mit einem Streifen einer Mahaut. Darauf sterben sie. Man sieht hier auch wieder eine Beziehung zwischen Ma und Djegu, wie sie die Bammanalegende noch deutlicher angibt. Um zehn Uhr bricht das Tanzfest ab, alles geht ins Dorf, und nur der Djegu-tu bleibt auf dem Platz am tiefen Wasser allein zurück.

Der Djegu-tu legt nunmehr seine (oben genannten) Gaben am Ufer nieder und wartet ab, was geschieht. Er bleibt aber nicht am Wasserrande, sondern geht ein wenig vom Strande landeinwärts. Er wartet darauf, ob die Djegu kommen, seine Gaben in Empfang zu nehmen. Will die Djegugemeinschaft ihn als ihren Priester anerkennen, so kommt ein Djegu, nimmt die Gaben und schwimmt mit ihnen von dannen. — Drei Jahre hintereinander, jedesmal bei Gelegenheit des Festes, am Freitag des Januar, wiederholt der Djegu-tu dieses Opfer. Dann rasiert er sich den ganzen Kopf und läßt nur ein Haar auf der Scheitelhöhe stehen. Auch schafft er sich ein neues, gelbbraunes Kleid an.

Dann nimmt er Rinde vom Uobaume, der bei den Mandestämmen Djalla heißt, trocknet sie, klopft sie zu Pulver und legt sie in Wasser. Mit dem so gemischten Wasser wäscht er sich. Auch spritzt er davon ein wenig auf sein Kleid. Sodann legt er sich unter irgendeinem Baume in die Sonne und bleibt einen Tag lang da liegen. Er spricht mit niemand. Er ißt auch nichts. Er singt nur Lieder zum Lobe des Djegu. Dann wird ein großes Nachtfest mit Trommeln und Tanzen abgehalten. Wenn alle Leute aus dem Dorfe zusammengekommen sind, steigt der Djegu-tu auf einen Baum, auf die höchste Spitze eines Baumes. Von da aus läßt er sich herunterfahlen. Es



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geschieht ihm nichts. Er bricht kein Glied. Er verwundet sich nicht. Dann geht er an das Ufer. Er springt in seinen geweihten Kleidern ins Wasser. Er schwimmt zurück und schüttelt am Ufer seinen Überwurf aus. Aber nicht ein Tropfen Wasser spritzt ab. Er ist ganz trocken geblieben. Dann beginnt er einen wilden Tanz. Er springt umher. Bald sind die Beine unten und der Kopf oben, bald ist der Kopf am Boden und die Beine schweben in der Luft. Er springt sehr hoch, springt weit über andere fort und vollführt derartige Stücke der übernatürlichen Kunstfertigkeit mit größter Leichtigkeit mehrmals.

Plötzlich aber stürzt er hin, als sei er schwer betrunken. Einer sagt: "Er ist krank!" Ein anderer: "Er wird tot sein!" Kein Mensch versteht den Zustand, in dem er sich befindet, und alles flieht in das Dorf zurück, in die Hütten. Er allein bleibt auf dem Platze. Wenn es Mitternacht ist, nimmt er die gleichen Geschenke, die er in den vorigen Jahren dem Djegu schon dargebracht hat, und trägt sie an die gleiche Stelle am Ufer.

In dieser Nacht kommt dann der gleiche Djegu wieder wie in den Jahren vorher. Er nimmt aber nicht nur die Geschenke mit, sondern er packt auch den Geber, den Mann, der zur Weisheit des Djegu gelangen will. Er nimmt ihn mit sich unter das Wasser und schleppt ihn in sein Dorf, in sein Haus. Er führt ihn da unten zu den Alten und sagt zu den Alten des Djegu: "Das ist der, der uns in den letzten Jahren die und die Geschenke dargebracht hat. Wir haben über ihn gesprochen und beschlossen, ihm unser Wesen zu zeigen." Dann bleibt der Djegu-tu unten im Wasser bei den Wassergeistern. Einer bleibt drei Tage dort, einer ein ganzes Jahr. Und er verbringt die Zeit mit Lernen. Die Djegu eröffnen ihm ihre Kenntnis der schlechten und guten Medikamente. Sie geben ihm regelrechten Unterricht.

Dann kehrt er zur Oberfläche des Wassers und in sein Dorf zurück. Er verfügt nun über allerhand Mittel und Kenntnisse, die andern fehlen, er wird so ein angesehener Mann und verdient viel Geld. Jedes Bossogebiet am Niger hat einen Djegu-tu, das heißt einen Mann, der so viel wie ein Priester des Djegu ist. Als Djegu-tu im Gebiet zwischen Sansanding und Diafarrabe wurden mir folgende genannt:

J oro Mamuru in Joro oder Joru.
Nerekorro Brema; Bukari in Nerekorro.
Balla; Kakullu in Konkonkurru.
Schiemiere in Toara.
Kanang-Korro; Ta-Kulle; Manoa Tarrata in Fansira.
Ki Schuori; Balei in Kua.
Balem Bokari in Kammara.



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Aber diese Liste ist natürlich unvollständig. Als Ergänzung sei hier hinzugefügt: einer der gewaltigsten Djegu-tu ist Kwaing-tu, ein Bewohner der Ortschaft Kamaka im Massinalande. Wenn ein größeres Fest ist, so veranstalten ihm die Leute ein Trommel- und Tanzfest. Sie reizen ihn durch aufmunternde und lobpreisende Reden und Gesänge so lange, bis er in Ekstase gerät und seinerseits den Lobgesang der Djegu (gleich den Faro der Mande) anstimmt. Er läuft mit seiner Peitsche aus Mahaut, Ma-samu oder angeblich auch Ma-pa (also wie die Harpune) genannt, umher und schlägt auf die Leute. Dann geht es dem Niumu-nio sehr schlecht, und die Vampirmenschen, die Tungu-tu, sterben. Sind die Tungu-tu gerade schwanger, so legen sie vor ihrem Tode noch ihre Eier, die Kwaing-tu an sich nimmt. Dann beginnt er selbst zu tanzen und seine gewaltigen Fähigkeiten zu zeigen. Er springt mit den Kleidern ins Feuer. Aber die Flammen vermögen ihm nichts anzuhaben. Ohne auch nur im geringsten angesengt zu sein, kommt er wieder hervor. Er springt ins Wasser, und wenn er aus dem nassen Element zurückkommt, ist er nicht im geringsten feucht. Kein Tropfen hängt an ihm oder se nen Kleidern. Er läßt sich vom Baum fallen, ohne ein Glied zu zerbrechen usw.

Diese Djegu-tu nun stehen aber auch mit andern Geistern des Wassers in Beziehung, so auch mit denen, die als Ma (manatus = eine Robbe) verkörpert sind, so daß es hier am Platze sein dürfte, der eigenartigen Gedanken der Bosso-Sorokoi über dieses Tier zu gedenken.

Der Mafang. Als schwierigste und eigenartigste Jagd gilt unter den Bosso die Jagd auf den Ma, den Manatusvogelii, der nach allen Angaben im mittleren Nigertale nicht so sehr selten zu sein scheint. Aus den Beschreibungen der Jagdsitten geht hervor, daß auch die Bosso mit diesem Tiere allerhand Glauben verbinden. Die Majäger sind hoch geehrt und genießen allerhand Ansehen, das andern Sterblichen nicht zuteil wird. Es ist sehr interessant, daß die Bosso folgende Angabe machen: "Südlich vom Konkonkurru gäbe es viele Gräber angesehener Diarraherren (Besitzer der Diarrabundmacht), nördlich von Konkonkurru gäbe es aber nur Gräber angesehener Majäger und Djegutu. Es wird nachzuprüfen sein, ob dieser Angabe nicht eine große, historische Bedeutung beizumessen ist.

Wer auf die Majagd ausgehen will, rüstet sich mit der kurzen, starken Pa genannten Harpune aus. Der Ma pflegt nachts, wenn in der Regenzeit der Strom gestiegen ist, an Land zu kommen und auf den Feldern Reis zu fressen. Von solchem Landausfluge soll er dann in das Wasser zurückkehren mit einem Bündel Reis, das er



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unter dem Arme trägt. Den will er am Wasser waschen, um ihn dann zu verspeisen. Diesen Augenblick paßt der Jäger am Ufer ab. Er lagert am Wechsel, und wenn das Tier mit seinem Reisbündel zurückkommt, stößt er ihm die Fa in den Rücken. Es kommt darauf an, daß man ihn in den Rücken stößt. Ein Stoß in die Brust hat keinen Wert. Denn aus der Brust weiß der Ma sich die Harpune herauszuziehen. Fühlt er aber das Eisen im Rücken, so beginnt er sich auf dem Rücken zu wälzen, um den Fremdkörper zu entfernen. Das hat aber bei der Kürze der Waffe nur zur Folge, daß er sich die Eisenspitze noch tiefer in den Leib bohrt und selbst seinen sicheren Tod um so schneller herbeiführt.

Der Jäger aber, dem dieser Stoß glückte, kehrt in das Dorf zurück und sucht die Alten auf. Er sagt zu den Alten: "In dieser Nacht habe ich meine Fa ausgeworfen." Weiter darf der Jäger nichts sagen. Vor allen Dingen darf er nicht etwa sagen, "auf den Ma". Er darf das Wort Ma nicht aussprechen. Denn das würde schlimme Folgen herbeiführen. Auch darf nichts davon vor den Frauen und jungen Leuten erwähnt werden, denn das würde für diese gefährlich sein. Die Alten senden aber sogleich Leute aus, welche der Spur des verwundeten Tieres bis zum Wasser folgen und nun im Ufergebüsch Umschau halten. Das langaufgerollte Schnurende der Pa hat sich irgendwo in einem Geäst verfangen und damit ist der Weg angezeigt, dem die Suchenden folgen, bis sie den verschiedenen Ma finden.

Der tote Ma darf nicht in das Dorf, sondern er muß in eine entfernt gelegene alte Dorfruine gebracht werden. Es würde sehr schlimm für die Ortschaft sein, wenn das Tier in ihr aufgebrochen würde. Außerdem muß der Ma erst gründlich mit Zauberkraft behandelt werden. Zu diesem Zwecke begibt sich ein mit starken magischen Kräften ausgestatteter Mann zu der Ruine, in der die Leiche liegt. Er schneidet eine Rute von einem besonderen Busch und nimmt seine Zaubermittel zur Hand. So ausgerüstet hockt er am Kopfende des Ma hin, streut entkräftigende Substanzen magischer Natur auf ihn und murmelt wirksame Zaubersprüche. Zuletzt schlägt er siebenmal mit der Rute auf den Kopf des Ma. Und nun ist nichts mehr zu befürchten.

Erst nach Absolvierung dieser Zeremonie darf der allgemeinen Dorfbewohnerschaft Mitteilung von dem Fangglück gemacht werden. Darauf kommen alle Weiber und Kinder in die Dorfruine, in der das Tier nun unter allgemeinem Jubel aufgebrochen wird. Alle Leute machen sich in ihren Booten auf, um an dem Feste teilzunehmen. Zunächst sucht man mit einer Nadel die Ohröffnung und schabt das Ohrenschmalz heraus. Das streicht man den eigenen Kindern in die Ohren. Man nimmt an, daß sie so von der Eigen-



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schaft des Ma, alle Sprache zu verstehen, etwas bekommen. Dann zerlegt man das Tier. Aus allen Hausständen sind inzwischen Mitglieder mit Töpfen angekommen, und die Alten verteilen das Fleisch gleichmäßig unter alle Familien. Nur ein Stück des Ma darf nicht daheim in der eigenen Ortschaft verzehrt werden. Ich konnte nicht herausbekommen, welches dies ist. Dieses wird jedenfalls gleich auf der Schlachtstätte, in der alten Ruine, zubereitet, gekocht und verspeist. Da bei diesem Mahle auch getrunken wird, so entsteht eine allgemeine Fröhlichkeit.

Nach beendetem Mahle geht der Jäger heim. Aber er darf nicht allein, sei es voraus, sei es hinterher, fahren. Vielmehr müssen alle auf der Heimfahrt in einer Linie fahren, und um das zu erreichen, sind sie alle untereinander und nebeneinander mit Stricken verbunden. In der Mitte der Ordnung ist das Boot des Jägers. Er sitzt selbst darin und hinter ihm steht ein Dialli, der ein Loblied auf ihn, seine Familie und seine Stammeslegende singt. Auch singt der Dialli das Malied, das lautet folgendermaßen:

Erste Zeile: Bosso: Schute tabate.
Bammana: Mulukutu muntung.
Deutsch: Er ist rund und hat keine Beine.
Zweite Zeile: Bosso: Schubuliae anwiae tanuotong.
Bammana: Schuguni, fa maugele.
Deutsch: Tier kleines, töten nicht sehr schwer
(= es ist ein kleines Tier, das nicht sehr schwer
zu töten ist).
Dritte Zeile: Bosso: Fo aniaema kwaeng gansa.
Bammana: Fa niama kari kansa.
Deutsch: töten es ist schlecht behandeln nachher
(= es ist indessen schwierig, wenn es getötet
ist, es nachher [richtig mit Medikamenten] zu
behandeln).

Daheim angekommen, wird ein großes Fest veranstaltet. Es wird getrommelt und getanzt, und die Männer schwingen kunstgerecht die Lanzen. Unter der Führung des Jägers wird dem Dorfschulzen als Jagdanteil feierlich der Schwanz des Ma überbracht. So haben alle ihren Anteil erhalten. Niemand zahlt dem Jäger etwas dafür. Das ist allgemeines Gesetz. Er hat für sich und die Seinen die Ehre und genießt ein großes Ansehen.

Vor allen Dingen werden aber den Frauen seines Hausstandes, seiner Mutter, seiner Frau und seinen Schwestern große Ehren zuteil. Die ganze Bevölkerung zieht zu deren Wohnstätten und tanzt und singt zu ihren Ehren. Und das hat seinen guten Grund. Sie



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danken für diese Ehre, die einer Ehrenerklärung gleichkommt, indem sie an die Sänger und Trommler kleine Geschenke an Kaurimuscheln verteilen. Daß dies ein Ehrenfest für sie ist, ist folgendermaßen zu erklären: Für die Frauen der fischenden Somono und Bosso ist die Gefahr der Verführung sehr groß und durch das oft durch die Umstände herbeigeführte Gefühl der sicheren Abwesenheit des Hausherrn kommen sie leicht dazu, sich in Liebesabenteuer einzulassen. Der Volksglaube und die Sitte wollen es nämlich, daß, wenn der Fischer mittags sein Gerät rüstet und sagt: "Ich werde heute abend fischen gehen!" er dieses nicht nur tun muß, sondern daß er auch bis zum andern Morgen fortbleiben und der Fischerei der Nacht über obliegen muß. Da ist nun für den Nachbar leichtes Spiel. Und die moralisch meist nicht eisenfeste Frau weiß nun leider allzu genau, daß sie vor ihrem Gatten sicher ist. So stehen diese Fischerweiber in dem Geruch allzu häufiger Unheiligkeit.

Diese Sache hat aber mit der Majagd sehr viel zu tun. Der Ma weiß nämlich alles, und er ist dafür bekannt, dem Mai äger auch alles mitzuteilen. Wenn der Majäger in seinem Boote auswärts ist, so zeigt ihm Ma genau jedes das Familienleben angehende und daheim sich abspielende Ereignis an. Er taucht vor seinem Boote im Wasser auf und macht sich in Gesten verständlich. Wenn die Frau des Jägers daheim schwanger ist, dreht er sich auf den Rücken und weist auf den eigenen Leib. Wenn die Frau des Jägers daheim ein Kind zur Welt brachte, so kommt Ma mit seinem eigenen Kinde zur Wasseroberfläche und hält dem Jäger das Kleine entgegen. Wenn die Frau des Jägers aber daheim sich in Untreue ergeht, kommt Ma heraus und weist auf die eigenen Geschlechtsorgane. Der Ma weiß eben alles. Die Hauptsache ist, daß ein Mann, dessen weibliche Angehörige unerlaubten Umgang pflegen, und der auf die Majagd geht, auf jeden Fall stirbt. Somit ist eine glücklich abgeschlossene Majagd so viel wie eine Bestätigung des sittlichen Lebenswandels der Frauen in der Verwandtschaft des Jägers, und deshalb werden diesen besondere Ehren dargebracht.

Wichtig ist es, daß zwar alle Bossostämme dies umständliche Zeremonial bei der Majagd und Mavertilgung beobachten, daß es aber nicht einen Diamu (Totensippe) gibt, der den Ma als Tannä (Totem) hat. Wohl aber gibt es unter den Somono einen Stamm, der den Ma nicht ißt. Das ist der Diamu der Numa Sana. Dieser Name bedeutet so viel wie niedergelegte oder auf die Erde gelegte Schnur. Der Stammvater dieses Diamu war ein Sklave der Somono. Die Sage erzählt von ihm folgendes: Eines Tages hatte er grobe Hirse gestoßen und hatte das gestoßene Korn auf ein Ku gelegt. Das Ku ist das bei allen oberen Nigerstämmen übliche Schüttelsieb. Damit ging er zum Flußufer hinab, um das Mehl zu reinigen. Am



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Wasser legte er aber das Ku auf das Rückenende, stieg in den Strom, schwamm unter dem Wasser hin und ward so zum Ma, d. h. zum ersten dieser Gattung. Darum essen die Nachkommen des Numa Sana den Ma nicht mehr. —Vergleiche dazu die besser erhaltene Sage der Bammana, die den Ursprung des Ma wie des Djegu den Fulbe zuschreiben.

Der Ma soll auch eine Art von Helfershelfer haben. Das ist der bei Bosso Tambu, bei Bammana Porio, bei Malinke Kandang, bei Kassonke Manojo genannte Fisch. Der Ma hat die Angewohnheit, nach seinen Mahlzeiten Reis wieder auszuspeien oder zu erbrechen. Somit ist ständig eine Menge Fische um ihn her versammelt, darunter der Tambu, der von dem ausgespienen Reis lebt und deshalb sehr fett ist.


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