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Kapitel 

DÄMONEN DES SUDAN


ALLERHAND RELIGIÖSE VERDICHTUNGEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

h) Zauberwesen. Allgemeines

Es wäre nunmehr das Amulett- und Zauberwesen der Bosso zu besprechen. Im wesentlichen werden zwei Medikamente als geistige Waffen genannt, nämlich i. Djugudu, das sind Amulette, die Fisa oder Baschi der Bammana, die Bassi der Malinke, die bei letzteren auch Baschimugu oder Bassimuge heißen, wenn sie innerlich Pulver respektive Mehl (=mugu) enthalten. Das Djugudu trägt wohl mehr oder weniger jeder Eingeborene, denn es soll schützen und vor zauberischen Angriffen wahren. Die Mutter gibt es ihrem Kinde, der Mann seiner Frau. Es gibt, wie überall in diesen Ländern von dieser Art, einige hundert Varianten, und alle Reiche der Natur müssen ihren Anteil liefern. Es wird wenige Bäume, Büsche, Erden, Farben, Tiere und so weiter geben, denen nicht die eine oder andere, diese oder jene schützende Kraft beigelegt wird. Dagegen wird man 2. Die Tungu im Gegensatz zu den obenerwähnten Verteidigungsmitteln eher als Angriffswaffen bezeichnen müssen. Sie sollen den



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Kirsi der Bammana und den Firija der Malinke entsprechen. Diesen verschiedenen Mitteln und den sonstwie geistig eingreifenden Kräften entstammen eine Reihe von Formen, die über das übliche Maß mit Geisteskräften ausgestattet gedacht sind.

Im wesentlichen unterscheiden die Bosso folgende Arten von Leuten, die diese Zaubermittel berufsmäßig handhaben:

i. Niumu-nio, das sind schlechte Menschen im allgemeinen, zu denen aber auch und vor allem die Vampirmenschen gezählt werden.

2. Die Bita-tu, das sind Verwandler. Das Wort kommt von Bita, das "verwandeln" heißt. Im nachfolgenden näher zu schildern.

3. Die Tungu-tu, das sind Inhaber starker Tungu im allgemeinen. Sie sind ausgezeichnet durch Tragen eines Armringes, der Supa-baga heißt. Das Wort kommt von Su Arm und haga Ring. Diese Bildung erinnert stark an das Mandewort Subaga, womit die Vampirmenschen bezeichnet werden. Und in der Tat versteht man unter Tungu-tu im speziellen die Vampirmenschen. Von ihrer Tätigkeit nach dieser Richtung werde ich im nachfolgenden mancherlei zu erzählen haben.

4. Die Djegu-tu, die aus dem Bereiche der Wassergeister ihre Kräfte gewinnenden Schamanen der Bosso-Sorokoi. Diese Djegu-tu sind für die Dörfer sehr wertvoll, denn sie schützen die Fischer vor Krokodilen und Nilpferden und so weiter. —Vor allem es sind die Vorkämpfer gegen die Vampirmenschen.

5. Die Kuantummu, das sind die hier im Lande eines sehr diffizilen Überschwemmungsanbaues und sehr schwankender Niederschläge hochbedeutsamen Regenmacher.

Daß damit nur einige Teile und einige Grundlagen der Anschauungswelt dieser überaus gläubigen und glaubensreichen Menschen angedeutet sind und im nachfolgenden umrissen werden, sei betont. Es ist nicht möglich, alles genau zu verstehen, was solch schwerfällige Zungen sagen wollen. Immerhin glaube ich, die wichtigsten Grundlinien gezogen zu haben. Welche große Fülle mehr sozial wirkender Glaubensgenossenschaften und mit dem Zwecke des Erschreckens verbundene Maskenfeste noch nach anderer Richtung vom Zauberwesen erfüllt sind, ist aus dem Kapitel "Geheimbünde" auch bei den Bosso zu erkennen. Ferner ersehen wir aus dem Abschnitt der geschichtlichen Überlieferungen, daß hier im Volksgeiste magische Kräfte spuken, die durchaus fremdartig in Afrika berühren.

In diesem Kapitel naht uns eine Erscheinungswelt, die anmutet wie geboren aus innerasiatischem Schamanismus, und vieles in diesen Erzählungen klingt wie übernommen aus dem Bogda Gesser Khan oder jenen Historien, die uns Radloff in reicher Fülle gerettet hat. Deshalb habe ich auch an einzelnen Stellen das Wort "magische



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Kraft" einschieben zu müssen geglaubt - denn damit erwächst dem sachverständigen Leser sogleich eine Urteilsweise und ein Gesichtspunkt für die Textkritik, die diese Bildungen fern von plumpem, mehr oder weniger nur materialistisch empfindendem, für Übernatürliches unzugänglichen und gleichgültigen Negergeiste des heutigen Afrika entstanden, verstehen muß.

Ehe wir auf Einzelheiten eingehen, sei nochmals auf ein äußerliches Merkmal, eine charakteristische Erkennungsweise der einzelnen Typen hingewiesen. Es sind mir unter den Bosso häufig Leute aufgefallen, die um Stirn und Kopf über der Mütze einen Zeugstreifen gewunden trugen. Diejenigen, die solche Bänder in Weiß trugen, wurden mir als einfache Fischer, bar jeder Kenntnis der höheren Welt, bezeichnet. Die aber, deren Kopf mit bunten Streifen geziert war, sollen Kenner und Verweser von Kräften sein, die aus einer höheren Welt stammen. Solche mit dunkelblauen Streifen sollen einmal Djege-tu, zum andern aber Haushaltungsvorstände und damit Herren der Ahnenopferstelle (der Kuoru) sein. Der alte Inhaber des Seing in Siranikorro (vgl. Tagebuch 17.Juli 1908) trug ein blaues Kopfband. Ein buntes, weißes und blaues Kopfband sollen diejenigen haben, die für andere Opfer besorgen. Die Stellung dieser Art Leute ist mir unklar geblieben.

Gelbbraun, von der Farbe der Beschneidungsüberhänge der Mandeburschen ist das Kopfband derer, die in den Geheimbünden große Macht und leitende Stellung haben. Allerdings hatte der Diarraoberherr in Siranikorro ein solches Band. — Und damit sind wir wieder bei einer Übereinstimmung mit den Malinke- und Bammanasitten angekommen. Auch hier tragen die Leiter von Naina und Komma gelbe Kopfbänder, und zwar der Oberherr einen gelben Streif, der fest um Stirn und Kopf gewunden ist, während sein Stellvertreter ein Band gleicher Farbe trägt, das auf Stirn und je einer Kopfseite mit einem, also zusammen mit drei Stoffbällchen oder Knoten versehen ist, hinten aber lang herabfällt.


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