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Kapitel 

DÄMONEN DES SUDAN


ALLERHAND RELIGIÖSE VERDICHTUNGEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

d) Das Erwerbsleben

Die Bosso sind Ackerbauer und Fischer und sie haben wenig Vieh. Es gibt aber viele Fulbe im Lande, die die Wartung der Schafe und Rinder übernehmen, auch wenn diese Eigentum der Bosso sind. Als Hirten spielen die Bosso jedenfalls gar keine Rolle, als Fischer keine so bedeutende als man beim ersten Betrachten der Gegend annehmen zu müssen glaubt, nur als Ackerbauer sind sie voll und ganz in ihrem Berufe. Die Täuschung, der die wenigen Berichterstatter über die Bosso anheimfielen, indem sie das Volk als Fischervolk bezeichnen, ist leicht verständlich. Zunächst reisen die meisten der doch immer noch recht wenigen europäischen Besucher des Bossolandes in der Zeit der hohen Wasser auf der breiten Nigerstraße. Da sehen sie denn überall Netze aufgestellt, Leute beim Flechten der Reusen beschäftigt, und vor allem werden Augen und Nase wenig angenehm berührt durch die ungeheuren Mengen der in der Sonne zum Sonnendörren ausgebreiteten aufgeschnittenen Fische, über denen Tausende von Insekten umherschwirren und



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die einen direkt pestilenzialischen Gestank ausströmen. Wer in solcher Zeit eines der Uferdörfer betritt, sieht allenthalben die Töpfe und Vorratsräume mit Fischen gefüllt, erhält überall Fische geschenkt und sieht in der Abendstunde die kleinsten Buben schnell hintereinander die leckersten Wasserbewohner mit den Angelschnüren aus dem Wasser reißen. Das, was aber am meisten täuscht, sind die ungenauen Angaben der begleitenden Eingeborenen, die alles Volk am Ufer für Bosso erklären, während doch die Kunst, mit den langen Schleppnetzen und den riesigen Reusen zu fischen, gar nicht den Bosso, sondern den dazwischen wohnenden Somono geläufig ist.

Bei den Bosso verrichten lediglich die Männer die Landarbeit. Die Frauen beteiligen sich nicht dabei. In echt patriarchalischer Weise wandert der Vater mit Söhnen und Haushörigen des Morgens ins Gelände und bestellt den Acker. Die Frauen beteiligen sich weder beim Säen noch beim Ernten. An Feldbestellungsgerät sind verschiedene Arten Hacken im Gebrauche, die insgesamt Sommo oder Schommo genannt werden, jede aber noch einen eigenen Namen haben: i. die Singi, die kurzen, geraden Stiel und kleines Blatt hat. Das Blatt ist vorn spitz. Das Instrument wird zur Bestellung der Flachäcker für Reis und Forgnong verwendet. 2. Soli, eine Hacke mit kurzem geradem Stiel und breiter großer Klinge, die vorn gerade abschneidet, wird zum Bestellen der Äcker der Bataten und des Maniok verwendet. Sie dient also zur Haufenbestellung. 3. Die Uarra genannte Hacke hat langen gebogenen Stiel und großes, vorn glatt abschneidendes Eisen -mit ihr werden die Felder für "kleinen Mil", "groben Mil" und Mais bearbeitet. —Verfolgen wir nun die Reihe der angebauten Feldfrüchte, an deren Spitze genannt werden muß:

1. der Reis, Dugo-ping. Er wird im Juni oder Juli gesät, und zwar auf Planfeldern. Der Beginn des Anbaues ist mit einer gewissen Feierlichkeit verbunden. Der Familienherr hat sich schon beizeiten einen Fisch von der Kuana genannten Art besorgt. Der Kopf wurde getrocknet und pulverisiert und wird nun mit der ersten Reissaat zusammen ausgestreut. An diesem Tage ißt man keinerlei Speise, die aus Reis hergestellt ist, sondern Njemping, das sind kleine Kuchen aus Hirsemehl. — Die Reissaat ist im allgemeinen einen Monat früher als bei den Malinke, weil diese erst den Forgnong ins Erdreich bringen, für dessen Saat die Bosso erst hinterher sorgen. Dagegen fällt die Reisernte wie bei den Malinke in den November. Oftmals wird mit dem Reis zusammen auf einem Felde großer Mil und Mais gesät.

2. Fornong heißt Fung. Die Bestellung findet am Ende Juni oder Juli, jedenfalls nach dem Reis auf Plant eldern oder auf Haufen-



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äckern statt. Letzteres ist der Fall, wenn allzuviel Unkraut den Boden erobert hat. Ernte: drei Monate nach Aussaat.

3. Der kleine Mil, "Jim-ping" oder Jim-pi, wird im Juli auf Haufenäckern ausgesät und am Ende November, wenn alle andern Speis körner schon eingebracht sind, geerntet.

4. Mais, "Manjo", wird mit dem großen Mil und auch wohl mit Reis zusammen gesät - dies ist um so natürlicher, als er nur zweieinhalb Monate bis zur Reife benötigt. Werden Reis, großer Mil und Mais zusammen gesät, so scheint dies in Reihenrinnen, ein Korn neben dem andern, zu geschehen. Selbst gesehen habe ich das aber nicht.

5. Der große Mil, "Kondorong" oder "Njaping", hier zumeist als Futter für Pferde verwendet, wird mit Mais zusammen im Planfeld oder auch auf Haufenäcker gesät und nach 3-5 Monaten (je nach der Art) als letzte der Körnerfrüchte dieses Feldes geerntet.

6. Erdnüsse: Die kleine Sorte (Hypogaea?) wird Uo genannt, im Juni oder Juli auf Planfeld gesät und nach drei Monaten geerntet. Die mehrkörnige Erdnuß (Arachis), genannt Ma-ntiga, wird Anfang Januar gepflanzt und angeblich erst ein Jahr später geerntet.

7. Maniok heißt Barenanku. Er wird im November gesteckt. Im übrigen läßt man ihn mindestens ein Jahr lang im Boden, damit die Wurzeln kräftig genug werden. Ein Holzigwerden, wie das an der Westküste oft genug vorkommen dürfte, scheint hier nicht gefürchtet zu werden.

8. Bataten heißen Tumaule. Sie werden in Reihenfeldern, die unseren Spargeipflanzungen ähneln, aber schmale Kämme aufweisen, gesetzt. Man hackt von Zeit zu Zeit das Unkraut, d. h. man häufelt neu, aber man läßt sie zwei bis drei Jahre im Boden und holt die Knollen, die gebraucht werden, heraus.

9. Zu den Industriepflanzen übergehend, sei zunächst der Baumwolle (die Pflanze heißt Duo-tin[g], der Same Do) gedacht. Die Pflanzzeit ist August, die Pflückzeit die Periode der größten Hitze, also März/April. Die Anbauform bedingt ein Haufenfeld.

10. Das zweite wichtige Produkt liefert Gara-tin(g), die Indigopflanze, die ein Reihenfeld, d. h. einen Acker mit langen Beeten, wie ich solche schon bei den Bammana sah, bedingt. Wenn die Pflanze gut entwickelt ist, also etwa November (der Zeitpunkt wird durch leichtes Rotwerden der ersten Blätter angegeben), kann man in einem Monat die Blätter bis dreimal ziehen.

Des weiteren wird noch angepflanzt:

Fuo, bei Malinke Dafu, eine drei bis vier Meter Höhe erreichende Pflanze, deren Stengel Stoff zu gedrehten Fäden liefern. Bohnen, Saperra genannt, Pfeffer, Denti genannt (Forronto der Malinke,



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Kelle-kelle der Bammana), zwei Kürbisarten, nämlich: Bugu (irrt Malinke =Dje) und die lange Mutu (in Malinke =Mulungu), welche beide für Suppen und Saucen verwertet werden. Aubergines bauen im Bossolande nur die Bammana; Bananen fehlen.

Sirati, die Tabakspflanze, baut der Bosso nicht an. Er kauft den Tabak bei den Bammana. Der Tabak, Sira, wird auch nur gekaut und geschnupft, nie geraucht. Bei dieser Gelegenheit mag die Verbreitung der verschiedenen Arten des Tabakgenusses Erwähnung finden. Dem Rauchen sind nur Surraka (Mauren) und Tuareg diese beiden allerdings leidenschaftlich - ergeben. Beide schnupfen und priemen nicht. Malinke und Soninke kauen den Tabak nicht, rauchen nie und schnupfen sehr selten. Wenn der Soninke jemand Tabak kauen sieht, weist er ihn weit von sich. Bei den Malinke haben in vergangenen Zeiten die Alten ein wenig gepriemt und geschnupft. Das gleiche nachzuahmen war eben den Leuten unter 30 Jahren streng verboten, — sie konnten beim Übertreten dieses Verbotes gewärtigen, eventuell geschlagen zu werden.

Nun der zweitwichtigste Wirtschaftsbetrieb der Bosso: Die Fischerei. In alten Zeiten wurde die Periode des Fischfanges mit hochfeierlichen Opfern eingeleitet, die bezwecken sollten, die Ergebnisse der Jahreszeit möglichst günstig zu stellen. Denn wie alle Gewässer launisch sind, so gewährt auch der Niger nicht jährlich den gleichen Fischsegen. Im August jeden Jahres bereitete man emsig Hirsebier, das goß man in den Strom. Das gab den darin befindlichen Jine Gelegenheit zu Zechgelagen --denn die verwöhnten Geister genossen nichts als dieses edle Getränk, — und somit stimmte man sie gnädig, so daß man auf reiche Ergebnisse rechnen konnte.

Die Sampana opferten eine schwarze Ziege. Sie schnitten ihr die Kehle durch und ließen das Blut in den Fluß tropfen. Im Nebenfluß Para warf man zwei Kola in das Wasser und band einen Hammel am Ufer an. Der Arm Gonga gehört angeblich den Somono. Die bereiteten den dortigen Jine ganz besondere Opfer. Ein Albino mußte eine Kopflast mit Honig ans Ufer tragen. Da zerschlug man erst die Kalebasse, in der der Honig war, und dann den Kopf des Mannes. Wie gesagt, war das angeblich ein Opfer der Somono. Aber auch die Bosso sollen noch manche andern Gebräuche an verschiedenen Stellen pflegen, von denen man sich reichen Erfolg verspricht. In alten Zeiten sollen sie einmal das Opfer unterlassen haben. Als sie in der dann herannahenden Fangperiode ausfuhren, strich ein schwerer Wind über den Strom hin, warf die Kähne um und tötete so sämtliche Fischer. Wenn aber richtig geopfert ist, tuen auch die Kaimane den Fischern nichts.



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Die Fischereivorrichtungen der Bosso sind folgende:

1. Fischwehre, bei Bosso =Schuon, bei Malinke =Ballang, bei Bammana = Ualan.

2. Scherennetze, wie die Bewohner des Senegal und die Südstämme sie benutzen, bei Bosso =Tien, bei Malinke = Dialla und Djo, bei Bammana =Djo.

3. Dann die große, primitive Trichterreuse der Bammana (in der Sammlung enthalten und gezeichnet), bei Bosso =Kong, bei Malinke =Songa, bei Bammana = Susu.

4. Die kleine Reuse Uan, bei Malinke =Nkaja, bei Bammana auch Nkaja.

5. Angelhaken (an Leine ohne Rute): Ja; bei Malinke =Doli, bei Bammana = Dole.

6. Fischlanzen: mit einer Spitze, Dungo, zweizinkig =Tintang, und wenn diese beiden Spitzen ohne Widerhaken sind =Magi, dreizinkig = Schumboi. Bei den Malinke heißt die Fischlanze =Sonong, bei den Bammana =Schogolong.

7. Der Harpunenspeer mit flacher Doppeispitze (deren zweite aus der ersten herauswächst) heißt = Ta. Die vordere Spitze wird meist vergiftet. Ist bei Bammana und Malinke unbekannt. Das "Fischbeil" mit einer Zacke führen nur die Bammana, das mit zwei Spitzen die Senuffo.

Die Somono verfügen über größere Apparate. Sie haben zunächst die viele Meter messenden Netze, die bei den Stämmen am Nigerufer Schou heißen. Dann haben sie mächtige Reusen, von denen die für kleine Fische bestimmte, die Djenne, an zwei Meter lang, die für große Fische dagegen, die Kundung, an zwei Meter Durchmesser hat.


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