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Kapitel 

DÄMONEN DES SUDAN


ALLERHAND RELIGIÖSE VERDICHTUNGEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

n) Propheten und Schamanen

Auf religiösem Gebiete gibt es bei sämtlichen Mandestämmen eine Einrichtung, die im ersten Augenblick sehr leicht mit den



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Entwicklungserscheinungen des Bundwesens verwechselt werden kann, die sich aber näher betrachtet als ein durchaus eigenartiges und selbständiges Gebilde erweist, für welches man als treffenden Ausdruck sowohl Schamanismus als Prophetentum wählen kann. Als Namen für diese Propheten erhielt ich bei Malinke Niama oder Diama, oder Djiama, bei Bammana Somma oder Somma-di oder Somading, bei Kassonke Niang-kurang oder Djang-kurang. Die Djama entsprechen den Djegu-tu der Bosso-Soroko (siehe unten!) den Hogon der Habe. Die Mande geben an, daß nicht nur unter den Heidenstämmen, sondern auch unter den Mohammedanern genau die gleiche Erscheinung sehr lebendig sei, und sollen diese Propheten der Mohammedaner überall im Sudan den Namen Uledju führen. Ja, es wird behauptet, daß dieses Schamanentum, das Prophetentum bei den Mohammedanern, den Hauptteil der Religion ausmache, und daß jeder große Marabut ein sehr großer Prophet sei. Im Gegenteil zum heutigen Wesen dieses Schamanentumes bei den heidnischen Mande soll bei den mohammedanischen Stämmen das Schamanentum in mächtigem Aufschwunge begriffen sein. Mit heller Begeisterung erzählten meine Leute mir in Timbuktu, daß in dieser Stadt ein Ulidju sei, der unglaublich hellseherisch und mit wunderbaren Gaben ausgestattet sei, daß dieser Mann z. B. ohne jede Beschwerde jede Wand heraufgehen könne, wie hoch und glatt sie auch sei.

Im Gegensatz zu dem Schamanentume des sudanischen Islam ist das Djamatum bei den heidnischen Mande in ständigem und starkem Rückgange begriffen. Ja, die Leute erklären das nicht nur mit aller Bestimmtheit, sondern sie geben auch in sehr plausibler Weise den Entwicklungsgrund der Untergangserscheinungen an. Sie sagen, die Bünde Naina und Komma wären mit dem großen Einfluß, den die Djama früher genossen hätten, nicht einverstanden gewesen und arbeiteten ständig gegen die Djama. Fernerhin registriere ich die häufig gegebene Mitteilung, daß das Djamatum als viel, viel älter gelte, als der Islam eine Erklärung, die sicher die Wahrheit trifft.

Recht schwierig war es, eine klare Vorstellung von dem zu gewinnen, was die Eingeborenen unter einem solchen Djama verstanden. Die Angaben, die ich erhielt, widersprachen sich nicht, aber sie sind bunt. Ich fasse zunächst einmal die Hauptsätze zusammen, die mir häufiger wiederholt wurden.

Ein Djama ist halb wahnsinnig er redet zuweilen wie irre; dann richtet er wohl die Augen gen Himmel, sieht ganz starr weit fort. Er öffnet den Mund und sagt vieles, was man nicht versteht und was man deuten muß; denn in Wahrheit ist es nicht Wahnsinn. In Wahrheit ist der Djama (in solchem Augenblick) Gott geworden.



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Die Djama sind die Götter im alten Mande wie die Lagamme bei den Tombo. —Jeder Mensch kann Djama werden, die meisten wissen das aber nicht, viele sind es auch nur für einige Stunden. — Wenn man Djama ist, so weiß man nicht mehr den Unterschied von dem, was vergangen ist und von dem, was kommt dann vergißt man, daß man ein Mensch ist und spricht eben deshalb Dinge, die zukünftig sind, die die Menschen nicht wissen können, die nur Gott sonst weiß. — Aber man ist ja dann Gott. Das ist die Sache. — Die andern Menschen sagen: Der ist wahnsinnig geworden, weil sie nicht wie Gott sind.

Ich fragte oft nach handgreiflichen Beobachtungen, die irgend jemand gemacht hatte, weil solche Sätze wie die oben berichteten nicht genügen konnten. Ich wollte etwas von dem Leben der Djama wissen. Da wurde mir etwa folgendes zuteil:

Die Menschen, die Djama werden, kommen hierzu, wenn sie lange, manchmal sehr lange allein waren. Sie sind dann im Busch: aber immer da, wo Wasser ist; wenn einer Djama wird und geht auf einen hohen Berg, auf dem es sonst unmöglich ist, Wasser zu finden, so trifft dieser Djama doch sicherlich oben ein Wasser an; der Mann, der Djama wird, kann aber auch am Flusse, in einem Walde lange Zeit sein; daß er ein Djama ist oder wird oder bleibt, belehrt ihn das Traumleben; die Menschen werden im Traume Djama; die wissen es, wenn sie träumen.

Nie vermochte ich in Erfahrung zu bringen, ob bei den alten Mande in gleicher Weise Opfer oder bestimmte Zeremonialvorbereitungen getroffen werden wie bei den Djegutum oder Bosso-Soroko. Ich habe keinen Djama mehr gesehen und bleibt uns somit diese Lücke. — Sie verschwinden wie gesagt.

Der Djama, der als solcher voll entwickelt ist, bleibt selten lange an einem Orte. Er zieht meist umher.

Außer dem Prophetentume scheint sein Hauptzweck zu sein, Subaga, Vampirgeister aufzuspüren und unschädlich zu machen. Deshalb wurde er häufig von einer Ortschaft zitiert, in der so ein Geschöpf sein Unwesen trieb. Wenn er eintraf, so versammelte sich abends die Bewohnerschaft. Es wird getrommelt und alle Welt tanzt. Sie tanzt vor dem Djama und für den Djama, bis er in voller Begeisterung war. In der Hand trug er eine Schnur. Wenn er in Exstase war, nahm er Wasser in den Mund, das mit magischen Mitteln irgendwelcher Art gemischt war. Er spie das in die Luft. Dann ward der Subaga sogleich erkannt. Der Subaga ließ bei den Malinke in seiner Angst und von dieser höheren Macht gezwungen, nicht wie bei andern Stämmen ein Ei, wohl aber ein Fleischstück dem Anus entfallen. Darauf warf der Djama seine Schnur um die Hand des entdeckten Unholdes.



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Dieses ist wie gesagt, der Hauptzweck seines Daseins. Außerdem ist der Djama aber hellsehend und zwar blickt er grenzenlos weit durch Raum und Zeit. Er ist aber auch Prophet. Doch beherrscht er auch einige ganz besondere Fähigkeiten. So sollen viele ihre Zunge aus dem Munde nehmen und im Kreise der Zuhörer herumreichen können. Manche Djama der alten Zeit vermochten ihre Augen der Höhle zu entnehmen, und sie wieder einzusetzen. Mit solchen Fähigkeiten nähern diese Leute sich den magischen Künstlern.

Aber noch eine Sache ist den Djama eigentümlich, die mir sehr bedeutsam zu sein scheint: sie sind imstande den Feuertanz auszuführen. Sonst wird hier das einzuschieben sein, was seinerzeit betreffend der Kussi-Kuronni in Kankan beobachtet wurde. Wie weit die Kussi Kuronni in den Rahmen dieser Anschauungs- und Sittenkreise gehören, vermag ich nicht zu sagen.

Weiterhin sei aber als sehr beachtenswert mitgeteilt, daß die Djama der Malinke auch über heilige Musikinstrumente verfügen. Einer hat eine kleine Trommel, einer eine Gitarre. Wenn der Mann etwas sucht und suchend umhergeht, so tönt ihm das Instrument leiser oder lauter werdend zu. Er weiß, je leiser es klingt, desto weiter entfernt er sich von dem Orte, an dem das oder der Gesuchte verborgen ist und je lauter es ihm erschallt, desto mehr nähert er sich dem betreffenden Orte. Es erinnert das z. B. an ein Spiel, das z. B. in Deutschland früher viel geübt wurde, nämlich "nach Klavierbegleitung suchen".


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