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Kapitel 

DÄMONEN DES SUDAN


ALLERHAND RELIGIÖSE VERDICHTUNGEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

l) Verwandlungen. Währwölfe. Narra Jelema

Außer den Subaga, die mehr oder weniger magische Wesen sind, glaubt die Mandereligion noch an Jelema, d. s. Menschen, die nicht die Haut, sondern nur das Kleid ablegen, um dann auf Raub auszugehen. Dabei verfahren diese Wesen durchaus materialistisch und essen als irdische, greifbare Geschöpfe ebenso irdische, greifbare Geschöpfe. Die Bammana nennen diese Leute, die über solche Kunst verfügen, Uarra Jelema. Die Malinke Mogo (Mensch) Jelema und die sich als Marka bezeichnenden Somono wissen die Geschichte von einem Mogo Jelema Man oder Mogo Jelema Bammana zu berichten. Zunächst der Glaube der Bammana: Nach der Ansicht der Bammana gibt es vier verschiedene Arten von Jelemas. Eine jede hat ein Baschipulver und ihren Zauberspruch.

1. Diejenige, die es versteht, sich in einen Surukku zu verwandeln. Der richtige Surukku Jelema geht, wenn er raublustig ist, in den Busch. Im Busch entkleidet er sich. Er nimmt ein bestimmtes Baumrindenpulver in die Hand, murmelt darüber einen Spruch und ist sogleich in einen Schakal verwandelt. Dieser Surukku ist aber durchaus leicht erkennbar als Menschenverwandlung. Er unterscheidet sich vom üblichen Busch- und Steppensurukku dadurch, daß er keinen Schwanz hat. Nämlich alle diese Jelema können jedermann sehen, und sie sind nicht etwa unsichtbar. Wenn ein Mann, der über die Kunst dieser Verwandlung verfügt, mit einem anderen in Streit kommt, läuft er schnell in den Busch, nimmt seine Verwandlungsgestalt als Surukku an, kehrt in das Dorf zurück und stiehlt dem, der mit ihm stritt, ein Kind, das er dann entweder tötet oder - nach Rückverwandlung in den Menschen - verkauft. Menschenfleisch ißt solch ein Surukku nicht. —Die Malinke kennen diese Verwandlungsform auch: sie nehmen an, daß besonders die Gara-nke (Lederarbeiter) sie anwenden und fügen hinzu, daß es nicht schwer sei, sich in einen Surukku zu verwandeln, sehr schwer aber, auch einen Schwanz zu bekommen.



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2. Diejenigen, die es verstehen, sich in einen Suna, Schuna oder Diuna zu verwandeln. Dies Tier scheint der Serval zu sein. Der Verwandler geht in den Busch, entkleidet sich, legt sich auf den Rücken, nimmt ein Blätterpulver in die Hand und spricht darüber die Zauberformel. Dann entsteht aus dem Hinterkopf das Gesicht des Tieres, die Augen seitlich, wo der Mensch die Ohren hatte. Weil er solche Augenstellung hat, kann er nur nach rechts und links, nicht nach vorn oder hinten sehen. Wenn er Hunger hat, legt er sich an die Straße, fällt den Menschen, der keine Waffen hat, an und frißt ihn. Wenn man hört, daß solch ein Geschöpf an der Straße liegt, wagt sich niemand den Weg hinab. (In Volkserzählungen, ist die Geschichte von solchem Tiere wiedergegeben.) Aber das Tier frißt niemals des Menschen Kopf, Füße und Hände. Man hat, wenn er in der Gegend aufgetaucht ist, solche Furcht vor ihm, daß man nicht das Wort Suna auszusprechen wagt und dafür Uarra sagt. Die Malinke nennen dies Geschöpf Dieta makana und sagen, früher hätten sie nur Türen aus Rohrplatten vorgelehnt, aber aus Furcht vor den Ditemakana hätten sie sich daran gewöhnt, Holztüren mit Schlössern (Kumbahlaballa) anzubringen.

3. Diejenigen, die es verstehen, sich in einen Uarra, in den Löwen selbst zu verwandeln. Diese Kunst ist sehr schwer, es verstehen nur sehr wenige. Wer das vollbracht hat, geht schnurstraks zu einer richtigen Löwentruppe und zieht jagend mit dem Rudel umher. Er frißt aber keine Menschen. Gefährlich für andere Menschen wird dieser Uarra-Jelema nur dann, wenn man ihn in folgender Situation erwischt: Wenn der Uarra-Jelema als Löwe kein Jagdglück hatte, sondern Hunger hat, dann sucht er sich die Bahn der großen Wanderameisen, die zu Millionen über schmale Straßen ziehen, auf. Er stellt sich, ohne sie zu stören, breitspurig darüber mit dem Kopf nach der Wanderrichtung und hängt sein männliches Glied in die Bahn hinein. Sogleich marschiert die ganze, nachfolgende Ameisenmenge an dem Glied empor über den Rücken des Löwen, über dessen Kopf und in sein geöffnetes Maul. Davon nährt sich dann das Vieh, das vordem Hunger hatte. Wenn man aber den Narra Jelema in dieser Situation sieht und darüber lacht und spottet, dann wird er sehr böse und vernichtet aus Schamgefühl den Spötter.

4. Diejenigen, die es verstehen, sich in einen Uarraninkalla, den Leoparden, zu verwandeln. Dazu gehören vier verschiedene Baschipulver, nämlich zwei für die Verwandlung der Gestalt, eines für die Verwandlung der Nägel in Krallen, eines für Hervorbringung der schönen gefleckten Fehle. Solch Uarraninkalla geht um 6 Uhr auf Hammel- und Ziegenraub und ist darin sehr geschickt. Mit der üblichen Gewehrkugel kann man ihn nicht töten. Wenn man sich aber ein wenig Schmalz aus den Ohren kratzt und auf die Kugel



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streicht, dann gelingt das. Im Regen pflegt dieser Jelema merkwürdigerweise nur auf Hühnerjagd zu gehen. Dem Menschen wird er nur gefährlich, wenn er verwundet ist.

Wenn die Somono am Niger zum Fischen ausziehen, dann singen sie ein Lied, das betrifft den Mogo Jelema Bammana oder nach alter, echter Somonosprache den Mogo Jelema Man, denn eigentlich heißt bei den Marka-Somono Man und nicht Bamma das Krokodil. Es behandelt die Legende eines Menschen, der ein Häuptling war und sich in ein Krokodil verwandeln konnte. Er ist eine Art Schutzzwang der Fischer. Ich gebe im folgenden den genauen Inhalt.

In alter Zeit lebte neben dem Dorfe Saschila am Niger ein Krokodil, das wurde Saschila-bamma (oder Man) genannt; es fraß die vorüberziehenden Reisenden und hatte es ganz besonders auf junge Mädchen abgesehen. Dieses Krokodil war aber niemand anders als der Häuptling von Saschila selbst, der ein Jelema war und sich in ein Bamma zu verwandeln verstand. Manchmal aber verwandelte er sich auch in einen Surukku und zog raubend die Straße hin.

Eines Tages nun verlobte sich ein starker und tüchtiger Mann Namens Mpie mit einem jungen Mädchen und zog für acht Tage in den Busch. Während seiner Abwesenheit kam das Jelema Bamma und raubte die Braut. Als Mpie zurückkam, sagten die Leute es ihm. Darauf antwortete er: "Wenn ich heute nicht das Krokodil, das das Mädchen stahl, töte, wird das Dorf bald zerstört sein." Er ging an den Fluß. Am Fluß waren Somonofischer, die sagten ihm: "Laß ab, das Krokodil wird dich töten." Mpie sagte: "Es ist mir gleich." Darauf ging er ins Wasser und warf eine Leine um sich. Er ging im tiefen Wasser durch sieben Niederlassungen der Krokodile. Er sah in jedes hinein, aber er konnte nicht das sehen, was er suchte. Endlich kam er an ein großes Bamma, das lag abseits. Er ging sogleich auf dies Tier zu, setzte ihm seinen Fuß auf den Rücken und band ihm die Füße auf dem Rücken zusammen. Das Bamma rief: "Njako! Njako! Berühre nicht mein Auge, berühre nicht mein Auge!" Mpie ergriff das Tier, das gefesselt war, und schleppte es nach oben in das Dorf. Er legte es auf den Dorfplatz von Saschila nieder. — Inzwischen kamen viele Leute zusammen. Einer der ersten, die vorbeikamen, war der Dugutigi. Er sah das Tier von der Seite (scheu) an und sagte zu Mpie: "Berühre ihm nicht das Auge! Berühre ihm nicht das Auge." Mpie wußte ganz genau, daß das der Häuptling selbst war. Er tat aber nicht so, als ob er es wisse und sagte zum Dugutigi: "Was geht dich dies Krokodil an? Ich werde das Bammana heute noch töten!" Der Dugutigi sagte: "Töte das Tier nicht - denn es hat deinem Mädchen nichts getan." Alle Leute kamen zusammen. Die Familie der



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Häuptlinge kam zusammen und sagte: "Tue dem Bamma hier nichts, denn er hat deinem Mädchen nichts getan." Sie stritten hin und her. Mpie sagte: "Ich werde jetzt den Bammana töten und ihm den Leib aufschneiden. Wenn ich darin nichts von meinem Mädchen finde, will ich (Reugeld) zahlen. Wenn ich es aber finde, so ist die Sache damit erledigt." Mpie schlug das Bamma tot. Er schnitt ihm den Bauch auf. Da fand man das tote Mädchen darin. Im Augenblicke, wo das Bamma starb, starb auch der Häuptling.

Man sieht, dieses Jelema der Marka-Somono ist nicht von gleicher Art wie das der Bammana-Malinke, da der Häuptling und sein "Doppelgesicht", das Bamma, nebeneinander leben, während sonst der Mensch zum Jelema wird, d. h. es nicht im Dorfe existieren kann, wenn er als Jelema herumläuft. — (Der Inhalt der Mythe erinnert an die nördliche Markalegende, nach der das Gold gebende Schlangenungeheuer vom Helden getötet wird, als er seine Braut beansprucht. Siehe Atlantisausgabe Bd. VI.)


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