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Kapitel 

DÄMONEN DES SUDAN


ALLERHAND RELIGIÖSE VERDICHTUNGEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

g) Sonne. Mond. Jahreszeiten. Sterne

Es sind keine großen, kosmogonischen Bilder, die sich in den Köpfen der Bammana und Malinke erhalten haben, sondern nur kleine Einzelerscheinungen der älteren, höheren Vorstellungswelt blieben in diesen Hirnen haften.

Von der Sonne erzählen die Bammana, daß sie ein Gerssemellekelle im Fadenknäuel darstelle. Es sind zwei Weber, die diese Gestirne handhaben und sich den Baumwollfaden aufrollend den entstehenden Knäuel einander zuwerfen. Der eine Weber heißt Badia, er wohnt im Osten. Der andere Weber heißt Tille, er wohnt im Westen. Tille zieht tagsüber ein Knäuel zu sich hinüber. Daher die Sonnenbahn des Tages. Badia zieht unter der Erde weg nachts den Knäuel zu sich hinüber. Da ist die Nacht dunkel. Wir sehen nichts von der Nacht.

Wie so häufig ist auch bei den Bammana das erste Sterben mit der Mondlegende in Verbindung gebracht. Früher, d. h. in uralter Zeit, gab es den Mond noch nicht und damals gab es auch den Tod noch nicht. Vom Himmel hing eine Kette herab. Wenn die Menschen nun müde und lebensüberdrüssig waren, kletterten sie an der Kette zum Himmel empor, über die Wolken hinweg.

Damals lebte ein Numu, ein Bammanaschmied namens Fasogo Ba Si, der war in seinem Handwerk ein überaus geschickter Mann. Aber er ward seines Lebens nicht froh. Alle Menschen hatten viel Kinder, zumal Söhne. — Er aber hatte nur drei Töchter und keinen Sohn. Das erschwerte ihm das Arbeiten. Er mußte seine Kohlen selbst brennen, seine Blasebälge selbst ziehen und stoßen, mußte alle Arbeiten, die in anderen Familien die Söhne verrichteten, selbst ausführen. Er war ebenso zornig, und eines Tages sagte er zu den Leuten: "Ich habe hiervon genug, ich gehe zum Himmel." Die Leute sagten ihm: "Warte noch ein wenig, du wirst schon noch Söhne bekommen, und dann ist es desto schöner." Fasogo Ba Si ließ sich überreden. Er wartete noch einige Zeit. Dann aber, als er eines Tages wieder lange genug schon sich geduldet hatte und gerade ein schönes Stück Eisen im Bogen rotglühend hatte, überkam ihn der Zorn sehr stark. Er nahm das Eisen und klomm zum Himmel empor. Als seine drei Töchter das sahen, folgten Sie ihm allsogleich. Denn sie sagten: "Wir wollen unserm Vater sogleich nachgehen, nach uns wird dann niemand mehr kommen." Und so sterben seitdem die Menschen. Sie haben die Kette zum Himmel verloren, seitdem der Schmied mit seinen Töchtern hinauf klomm.

Das Eisen, das der Numu gerade hämmerte, wurde zum Monde. Wenn der Mond aber als erste Sichel am Abendhimmel aufsteigt,



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so sagt man: "Seht, wie Fasogo Ba Si sein Eisen ins Glühen gebracht hat." Wenn die Scheibe klar und vollausgebildet am Himmel oben auftaucht, heißt es: "Seht, wie der Schmied seine Arbeit vollendet hat." Um den Mond stehen zwei kleine Sterne. Man sieht sie nur, wenn er sehr klar ist. Das sind die Töchter des Schmiedes.

Die alten, wertvolleren Ansichten werden heute verdrängt durch mohammedanische Anschauungsformen. Sehr häufig tritt in den Unterhaltungen die Katze auf, die Mond hascht und "Allah macht jedes Jahr zwölf neue Monde" ist eine Redensait, die häufiger, als dem Forscher angenehm ist, vorgebracht wird.

Der Wechsel der Jahreszeiten, für dessen Erklärung ich nur eine Ansicht der Malinke beibringen kann, gemahnt an den Glauben der Bammana betreffend die Unterschiedlichkeit der einzelnen Regenzeiten. Die Malinke teilen das Jahr in etwa drei Räume, nämlich November bis Mai, Mai bis Juli, Juli bis November. Für die genaue Begrenzung dieser Jahreszeiten will ich ebensowenig eine Garantie übernehmen wie die berichtenden Malinke.

Vom November bis Mai ist die Erscheinung auffällig, daß die Tage kurz und die Nächte lang sind. In dieser Zeit wird die Sonne von einem Manne getragen, der nichts hört. Man kann rufen und schreien, wie man will, der Mann läuft mit seiner Sonne so eilig wie möglich seine Bahn ab, läßt sich gar nicht aufhalten und vollendet demnach sein Tagewerk in sehr kurzer Zeit.

Vom Mai bis Juli liegt die Sonne in den Händen eines Mannes, der keine Hände, sondern nur Armstümpfe hat. Er läuft nicht schnell. Da ihm das Tragen schwer wird, ruht er häufig aus und kommt langsam vorwärts. Die Tage werden länger. Vom Juli bis zum November tastet sich ein blinder Sonnenträger mit seiner glühenden Last durch den Erdenraum. Er kommt nur langsam vorwärts, zuweilen legt er auch die Hand auf die Sonne selbst und dann wird es dunkel.

Nun die Kenntnis der Bammana von den Sternen. Sieben Sterne im Norden bilden das Niamudolo, d. i. unser großer Bär. Die Übersetzung ist Niamu -Kamel, dolo -Stern. Vier im Rechteck stehende Sterne gelten als die vier Füße, ein hinten sichtbarer Stern als Schwanz, ein großer Stern in der Mitte als Höcker und ein letzter als Kopf. — So erklären die Leute. Dieses Kamel repräsentiert die Kamele der Mauren, die angreifen wollen. Erscheint das Sternbild mit dem Kopfe nach Osten (?),so sandten die Bammana eine Nachricht nach Segu, man möge auf der Hut sein, denn Niamudolo verkündet einen Einfall der Surrakata. Wie dieses "mit dem Kopfe nach Osten" gemeint ist, konnte ich nicht in Erfahrung bringen.

Im Süden faßt der Bammana sieben Sterne zum Bilde Massadolo



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zusammen. (Massa-König.) (Dolo-Stern.) Anscheinend ist das Kreuz des Südens einbegriffen. Wenn sie aufgehen, sagt man, ein neuer König sei im Aufkommen begriffen. Je nachdem nun die Sterne hell leuchten oder schwächlich sind, sieht man darin eine bedeutende, gefahrvolle Erscheinung für die Zukunft oder einen vorübergehenden, kümmerlichen Königsglanz. Die Malinke sehen hierin dasselbe, bezeichnen das Bild aber als Fangama lob.

Die Plejaden Njugunjugu geben den Anfang der Regenzeit mit ihrem Erscheinen, mit ihrem Verschwinden den Beginn der Hirseernte an. Zuweilen wird versichert, die Njugunjugu seien ein Huhn mit Kücken; aber ob das wirklich Bammanaansicht ist, ist schwer zu sagen.

Einen auffallenden Namen hat der Orion: Ga Kulusaba, d. h. die drei Herdsteine. Wenn die Bamanafrau kochen will, setzt sie ihren Topf auf drei Steine und das sind die drei (saba) Gakulu.

Ganz besonders bedeutsam ist die wechselnde Erscheinungsform eines im Osten aufdämmernden Sternes, des Tudumbolo oder Sigilob genannten. Welcher Stern hier gemeint ist, ist mir unklar. Er soll im November um etwa vier Uhr des Morgens im Osten aufgehen. Wenn er groß und prächtig aufgeht und lange bleibt, nennt man ihn Sigilobo. Sigilolo bietet ausgezeichnete Aussichten für ein Beschneidungsfest. Ist Sigilolo da, veranstaltet man sicher das Fest, und wer nur irgend kann, stellt ein eigen Kind oder das Kind einer Verwandten zur Beschneidung mit ein. Wer keines hat, der legt ein Opfer an Getreide am Kreuzwege für Sigilolo nieder. Wenn der Stern kümmerlich und nur während einer Woche hervortritt, so nennt man ihn Tudumiolo. Tudumbolo ist ein schlechtes Zeichen für die Zukunft. Wenn Tudumlolo erscheint wird kein Beschneidungsfest abgehalten.


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