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Kapitel 

DÄMONEN DES SUDAN


ALLERHAND RELIGIÖSE VERDICHTUNGEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

e) Djinne

Am häufigsten hört man von den Djinne bei Bammana und Malinke reden. Es sind sicher die Geister, von denen dem Forscher am häufigsten erzählt wird. Sie sind riesenhaft groß, viel größer, als daß sie in einer Hütte, so wie sie von Natur sind, ein-



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treten können. Sie haben auf der Stirn (also höher als die Menschen) zwei Augen. Diese Augen stehen nicht quer wie bei uns, sondern hoch. Ihr Mund ist klein. Ihr Bart hat die Länge eines Unterarmes. Die Füße sind doppelt so lang wie beim Menschen. Ihre Finger sind sehr lang. Vor allen Dingen ist ihre Hautfarbe nicht braun wie die der Neger, sondern sie ist weiß, noch weißer wie die der Europäer. — Die Djinne leben in Dörfern, und zwar liegen diese auf Bergen, bei Baobabbäumen oder in Djalla- und Dangallawäldern.

Die Djinne sind sehr gefürchtet. Bei allen Geistigumnachteten nimmt man Beziehungen zu Djinne an. Von Frauen, welche kinderlos bleiben, nimmt man an, daß sie mit Djinne Umgang gehabt haben, und daß die Kinderlosigkeit die Folge solcher Prostitution sei. Auch glaubt man, daß sie nach einigen Jahren den Verstand verlieren würden. Von Männern, die der Vernunft verlustig gehen, sagt der Volksmund: "Diese haben sicher erst mit den Djinne Freundschaft geschlossen, haben sich dann mit ihnen überworfen, und darauf haben die Djinne sie derart gezüchtigt." — Die Menschen, und zwar die Jäger, sind den Djinne aber zu wärmstem Danke verpflichtet - denn sie haben von diesen das wertvollste Jagdamulett erhalten, und das ist so gekommen:

Ein Jäger namens Kailamado Kedjang hatte eines Tages eine große Antilope angeschossen. Er vermochte lange Zeit ihre Spur zu verfolgen, sie führte unter einen Dangabaum und dann hatte er sie verloren. Kallamado Kedjang ließ sich unter dem Baume nieder um auszuruhen und lehnte mit dem Rücken gegen den Fuß des Baumstammes. Auf der andern Seite dieses Dangabaumes saß in gleicher Weise gegen den Stamm gelehnt, aber dem Jäger unsichtbar, ein Djinne. Der Djinne sagte zum Jäger: "Nderri, wenn du deine angeschossene Antilope unter andern Antilopen siehst - wirst du sie wiedererkennen?" Der Jäger antwortete: "Sicherlich werde ich die Antilope wiedererkennen. Sicherlich!" Der Djinne sagte: "Nderri (Freund!) Ich habe Lust, mit dir Kameradschaft zu schließen. Paßt es dir?" Der Jäger sagte: "Weshalb soll es mir nicht passen? Aber weißt du, wo meine angeschossene Antilope ist?" Der Djinne sagte: "Gewiß weiß ich das. Wasche deine Augen mit diesem Pulver!"

Der Djinne gab dem Jäger ein Pulver. Der Jäger rieb sich die Augen damit. Der Djinne sagte: "Siehst du da im Osten den großen Ort?" Der Jäger sah nach Osten. Der Jäger sagte: "Ach, das ist ein großer Ort, oh, das ist ein großer Ort!" Der Djinne sagte: "Da wohnen wir Djinne. Ich will dich mit dorthin und in mein Haus nehmen, daß du dir das ansehen kannst. Nimm aber erst eine Dallifrau (Spinnwebe, Dallispinne) und lege sie dir auf dein



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linkes Auge, denn das haben alle Djinne so. Wer mit zwei Augen kommt, wird nicht in die Stadt hineingelassen. Wenn du anders kommst, wirst du von den Djinne in den Torhäusern getötet. — Lege nun deinen Bogen und Pfeil hier am Baume nieder, denn bewaffnet darfst du bei uns nicht hinein. Dann folge mir in einer kleinen Entfernung. In dem Orte achte genau darauf, wo ich hingehe. Denn du könntest leicht das Haus verlieren. —Im allgemeinen ist ja unser Ort den Menschen unsichtbar. Denn wenn wir je mit den Menschen zusammenkamen, haben sie häßlich gehandelt und uns gekränkt. Darum baten die Djinne Mangalla, unsere Orte der bösen Menschen wegen unsichtbar für diese zu machen und Mangalla hat das denn auch getan. — Komm jetzt."

Der Djinne ging voran. Kallamado Kedjang folgte in einiger Entfernung. Sie kamen an den Ort. Alle Leute und Wächter im ersten Torbogen sahen den Jäger scharf an, dann ließen sie ihn hindurchgehen. Sie kamen durch einen zweiten Torbogen. Da war es ebenso. Sie kamen an einen dritten Torbogen, da war es ebenso. Dann gingen sie durch die Stadt. Der Jäger ging immer hinter den Djinne her.

Im Orte wollten die andern Djinne den Jäger töten. Alle die Führer des Jägers stellte sich vor ihn und sagte: "Laßt den, das ist mein Kamerad. Mit dem habe ich Kameradschaft gemacht. Ihr dürft ihm nichts tun." Darauf gingen die feindlich gesinnten Djinne zur Seite.

Der Djinne zeigte dem Jäger einen andern Ort und sagte: "Wir wollen dorthin gehen, da sind unsere Herden. Komm!" Sie gingen dahin. Am Boden lagen da viele, viele große und kleinere Antilopen und kauten wieder. Der Djinne sagte: "Sieh, das sind unsere Herden. Von nun ab weißt du, daß das unsere Herden sind, die ihr Jäger jagt. Sag' aber, erkennst du unter denen die Antilope wieder, die du heute angeschossen hast?" Der Jäger sah umher, er nahm ein Stöckchen und schlug gegen eine Antilope. Er sagte: "Das ist die Antilope, die ich heute angeschossen habe." Der Djinne fragte die Antilope: "Ist das der Jäger, der dich heute morgen angeschossen hat?" Die Antilope sah den Jäger an und sagte: "Er könnte es sein. Er gleicht dem Jäger vollkommen. Nur sah der Jäger, der mich anschoß, heute Morgen mit beiden Augen. Er hatte kein Spinngewebe über dem einen Auge."

Der Djinne sagte: "Bei euch Menschen gibt es Könige (Fama). Bei uns gibt es auch Könige, ich bin ein Fama-nde (Königssohn). Ich habe mit dir Freundschaft geschlossen. Nun will ich dir auch ein Geschenk machen." Der Djinne gab dem Jäger die beiden Baschi Kondong und Sanne. Er sagte: "Sanne ist ein Baschi, das nützt dir dazu, daß du die Djinne stets siehst. Kondong wird dir auf der Jagd behilflich sein. Tu das Baschipulver (das Kondong)



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in einen Antilopenfuß oder streue es mit dem Staub der Termitenerde zusammen auf die Erde des Kreuzweges. Das tötet das Jagdgetier. Denn ihr Jäger schießt vieles Wild tot, aber es entrinnt euch doch in unsere Ställe. Wenn du dies Kondong hast, kann es dir nicht mehr entgehen. Auch "behindert" dies Baschi am Kreuzwege die andern Jäger. Tu nie Blut auf das Baschi, dann ist es sogleich mit der Kraft vorbei. Wenn du es sonst gut anwendest, wirst du immer reiche Jagdbeute haben. Wenn du Beute hast, so wirf ja immer ein Stückchen Fleisch nach den vier Himmelsrichtungen."

Kailamado Kedjang nahm das Baschi und kehrte hierauf mit dem Djinne unter den Dangabaum zurück, unter dem er seinen Bogen und seine Pfeile hatte. Er ergriff seine Waffen. Der Djinne sagte: "Ich kehre jetzt um. Guten Weg und tu mir nichts Schlimmes." Kallamado Kedjang sagte: "Soweit ist es gut. Wo ist denn aber die Antilope, die ich heute Morgen angeschossen habe?" Der Djinne sah den Jäger scharf an und sagte: "Jäger, ich glaube, du willst mir etwas Böses antun. Du hast einen eigenen Blick. Die Baschi, die ich dir gab, sind mehr wert als ganze Rudel von Antilopen. Die angeschossene Antilope kann ich dir nicht geben." Der Jäger sagte: "Ich will nichts von alledem haben."

Der Djinne wandte sich um. Da hob Kallamado Kedjang Bogen und Pfeile und schoß den Djinne tot. Hierauf schnitt er ihm die Kopfhaare und den Bart ab. Er nahm die beiden Baschi, Kopf- und Barthaare mit, ging in das Dorf, tat alles zusammen in einen Topf. Den Topf vergrub er am Kreuzwege. Er streute emsig Reisballen, Kola und Erdnüsse darauf. Er hatte darauf stets reiche Jagdbeute. Wollte er zur Jagd gehen, so nahm er einen Zweig, beugte sich über die Stelle und sagte dreimal: "Kondong-Sane." Er wurde der größte und erfolgreichste Jäger.

Viele, viele Jäger baten ihn darum, ihnen von seinem Baschi abzugeben. Er aber tat es nicht, und solange er lebte, blieb das Geheimnis (will sagen Rezept) des Baschi sein ausschließliches Eigentum. Er war der einzige Besitzer. Als er starb, kamen aber andere dahinter, und seitdem wissen es viele anzuwenden. Jeder Jäger kann töten. Aber wenige nur ergattern die Beute. Die wenigen besitzen Kondong-Sane, und deshalb trachteten alle Jäger danach, seiner habhaft zu werden.

Bei den Malinke spielen die Djinne eine etwas andere Rolle. Hier hält man sie vor allem für Händler, die das Papier eingeführt haben und Geld schachern, d. h. natürlich auch hier sind es Geister, und zwar recht gefürchtete. Sie haben nach Ansicht der Malinke den ersten Kaufstand errichtet.


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