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Kapitel 

DÄMONEN DES SUDAN


ALLERHAND RELIGIÖSE VERDICHTUNGEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

b) Blissi

Die Blissi sind Wesen, welche im allgemeinen im Gebirge, dann und wann anscheinend aber auch im Wasser leben. Die Blissi sind Jäger und zwar Jäger ganz besonderer Gestalt. Sie sind groß, und ihr Hauptmerkmal beruht darin, daß sie die Augen nicht unter der Stirn, sondern auf der Höhe des Kopfes haben. Außerdem ist ihr Körper gänzlich unbehaart, das Kopfhaar steht aber wie ein Kranz dick und lang um die zwei Scheitelaugen. Ihre Ohren müssen als groß bezeichnet werden. Die Blissi scheinen körperliche Wesen zu sein, aber der Mensch kann sie nur erblicken, wenn er über ordentliche Zaubermittel verfügt.

Es sollen drei Blissisterne, und zwar zwei große und ein kleinerer im Norden stehen, von denen zuweilen nur einer zu sehen ist, aber meine Berichterstatter und alle, die ich danach fragte, konnten oder wollten mir nichts Näheres über diese Sache sagen oder mir die Sterne zeigen. Auch List hat mir beim Ausfragen nichts genützt. — Die Fabel erzählt, Sonsanni habe mit Urukku zusammen den Blissi "Eier" gestohlen, aber welcher Art und was für Eier das



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sind, konnte ich auch nicht hören. —Über die zauberischen Eigenschaften der Haare des Blissi werde ich nachher einiges zu berichten haben. Überhaupt verdankt die Menschheit den Blissi verschiedene Zaubermittel und das ist so gekommen:

Eines Tages ging die Frau eines Ngolloni (d. h. Jägers) aus, Si.. früchte (Butterbaumfrüchte) zu suchen. Ein Blissi sah sie, er schlich sich unbemerkt näher und raubte sie. Er floh mit ihr in sein Heim und versteckte die Frau. Vierzehn Tage lang suchte der Ngolloni seine Frau, aber er vermochte sie nicht aufzufinden. Er suchte und suchte. Aber es war umsonst.

Eines Tages (es war am 15. Tage) ging er in den Busch jagen. Er traf Sonsanni, das Kaninchen. Sonsanni sagte: "Höre, Ngolloni, deine Frau ist hier herunter gegangen. Ich habe sie gesehen. Sie war nicht allein, ein Blissi hatte sie gepackt und schleppte sie fort. Geh da hinunter und frage dann andere Tiere." Der Ngolloni ging von dannen, er kam der angegebenen Richtung folgend bald zu andern Tieren, die sagten ihm: "Geh nur da hinunter, da wirst du schon weitere Nachricht bekommen." In der Richtung ist der Blissi mit deiner Frau gegangen." So kam der Ngolloni dahin, wo der Blissi war.

Der Blissi hatte im Busch ein Baschi gegraben. Es war dies bestimmt, ihn gegen den Ngolloni zu schützen. Er war just dabei, dem Baschi etwas zu essen zu geben, als der Ngolloni herankam. Der Ngolloni nahm seine Waffe und zielte auf den Blissi. Der Blissi sagte: "Töte mich nicht, ich will dir ein starkes Baschi geben." Ngolloni sagte: "Ich will kein Baschi haben, gib mir meine Frau, oder ich schieße dich tot." Der Blissi sagte: "Ich will dir deine Frau zeigen, aber töte mich nicht." Der Blissi zeigte auch wirklich dem Ngolloni, wo er dessen Frau versteckt habe. Der Ngolloni sagte zu seiner Frau: "Geh du nach Hause!" Er begleitete seine Frau ein Stück weit.

Dann aber lief Ngolloni zurück, schnitt dem Blissi den Weg ab und trat mit erhobener Waffe auf ihn zu. Er sagte zu ihm: "Sage mir, haben auch die andern Blissi bei meiner Frau geschlafen?" Der Blissi sagte: "Ich weiß es nicht, denn ich war während der vierzehn Tage immer auf der Jagd." Der Ngolloni sagte: "Gut, so gib mir ein Baschi, das gut für die Erzeugung von Knaben ist." Der Blissi nahm aus seinem Leibe den Baschi Bambadjigi und sagte: "Nimm es, es ist gut gegen den Biß der Tiere und für die Erzeugung von Knaben." Der Ngolloni nahm es und ließ den Blissi ein Stück vorausgehen. Dann lief er wieder den Blissi in den Weg und sagte: "Gib mir ein Baschi, damit ich viel Glück auf der Jagd habe." Der Blissi sagte: "Töte mich nicht, ich will dir das Baschi Bamnekurru geben. Binde es mit zwei Schnüren um deine Jagdwaffe,



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und du wirst immer Wild sehen." Darauf nahm der Blissi das Baschi aus seinem Leibe und gab es dem Ngolloni. Der Ngolloni steckte es zu sich und ließ den Blissi ein Stück weit vorausgehen. Dann lief er wieder dem Blissi den Weg ab, stellte sich ihm mit erhobener Waffe entgegen und sagte: "Gib mir ein Baschi, damit ich beim Schießen nie vorbeitreffe." Der Blissi sagte: "Töte mich nicht, ich will dir das Baschi Kumbe geben wenn du das hast, wirst du nie vorbeischießen." Darauf nahm der Blissi auch dieses Baschi aus seinem Bauche, gab es dem Ngolloni und ging weiter. Der Ngolloni steckte das Baschi zu sich. Dann lief er wieder dem Blissi den Weg ab, stellte sich ihm mit erhobener Waffe in den Weg und schoß ihn tot. (Diese Version entspricht einer weiter unten wiedergegebenen Bossolegende, wo der Blissi durch eine einäugige Antilope ersetzt wird.) Als der Blissi tot war, schnitt er ihm Bart und Haare ab, steckte sie auch zu sich und ging heim.

Die Haare des Blissi erweisen sich als außerordentlich fruchtbar, und heute noch schreibt man den Haaren der Blissi diese Eigenschaft zu. Wenn man z. B. in die Saathirse einige Blissihaare mischt, so kann man überzeugt sein, daß man eine herrliche Ernte erreichen wird. Anderseits soll man solchen, die blödsinnig werden und blödsinnig sind, einige Blissieier auflegen und man wird finden, daß die Unvernunft weicht. Blissihaare bringen dem Jäger unfehlbar reiche Jagdbeute ein. Aber das so gewonnene, durch Hilfe der Blissihaare erzielte Gut verrinnt so, wie alles Geld dahinschwindet, wenn man eine Frau der Diallikaste heiratet.

Auch die Malinke nennen diese Wesen Bhissi.


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