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Kapitel 

SPIELMANNS GESCHICHTEN DER SAHEL

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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MIT EINER KARTE DER SAHARA UND

EINER BILDERTAFEL / TITEL- UND

EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE


30. Die erarbeitete Frau (Karambelegende)

In dem Dorfe Bolemba, im Lande Signi, lebte ein Kaddomädchen mit Namen Samme (oder Sammi). Das war vom Stamme der Karambe. Dieses Mädchen war sehr hübsch. Sie wußte ausgezeichnet zu singen und zu tanzen. Vor allen Dingen aber arbeitete sie wie keine zweite Frau im Lande Pignari. Es kamen viele Männer, um sie zu heiraten. Sie sagte zu jedem: "Komm, wir wollen zusammen auf dem Felde arbeiten. Schaffst du mehr als ich, so will ich dich zum Manne haben." Aber jedesmal, wenn es ans Arbeiten ging, zeigte es sich, daß Samme mehr schaffte als alle Männer. Darauf ließ Samme im Lande sagen: "Ich heirate nur den, der bei der Feldarbeit mehr leistet als ich." Es kamen nun viele Männer aus allen Dörfern Pignaris, aber keiner vermochte Samme in der Arbeit zu übertrumpfen.

Im Pignaridorfe Badjugu lebte ein Bursche mit Namen Aldjuma Bamba. Der war auch vom Stamme der Karambe und in seiner Gemeinde bekannt als ein Mann, den niemand bei der Ackerarbeit zu übertreffen vermöge. Oftmals sagten Kameraden und Freunde zu ihm: "Das ist eine Sache für dich! Miß dich doch mit der Samme



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in der Ackerarbeit!" Aldjuma Bamba sagte: "Was soviele nicht gekonnt haben, kann ich auch nicht. Ich bin außerdem weder hübscher noch besser als andere Leute in Pignari, sondern nur ärmer."

Lange Zeit hindurch und oftmals redeten die Freunde und Kameraden ihm zu, den Versuch zu unternehmen. Eines Tages sagte er: "Gut, ich werde es tun. Zwei von euch können mit mir kommen!" Sie nahmen ihre Hacken (Ina oder kong bei den Habbe, die Daba der Mali und Bammana). Die Hacke Aldjuma Bambas war länger als anderer. Ihr Stiel reichte den Männern bis an die Hüfte. Aldjuma Bamba machte sich mit seinen beiden Kameraden auf den Weg.

Die drei Burschen aus Badjugu kamen in die Umgebung von Bolemba. Sie fragten die Leute: "Wo ist der Acker der Samme?" Die Leute zeigten ihn. Die drei Burschen begaben sich sogleich dahin. Auf dem Acker arbeiteten gerade der Vater des Mädchens, Samme selbst, ihr älterer Bruder und ihre jüngere Schwester. Samme sang bei der Arbeit. Die Burschen kamei heraus. Aldjuma Bamba sagte dem Vater seinen Gruß. Als Samme das hörte, beugte sie sich von der Arbeit auf und sang: "Da kommt ein Mann, mich und meine Arbeit anzusehen. Er wird nichts anderes sehen, als daß ich immer in derselben Weise wie bisher arbeite." Aldjuma Bamba sagte: "Ich bin nicht hübscher, reicher, besser als irgendein anderer Mann in Pignari. Nur bin ich arm. Aber ich weiß ein wenig zu arbeiten. Ich hörte deine Nachricht und daß du nur den heiraten willst, der besser arbeiten kann als du. Nun bin ich hier."

Samme sagte: "Es ist gut. Wir wollen arbeiten. Vater, sieh du zu." Nun arbeiteten Samme und Aldjuma Bamba um die Wette, der eine Kamerad mit Sammes älterem Bruder, der andere Kamerad mit Sammes jüngerer Schwester. Aber sie hatten noch nicht lange gearbeitet, da sang Samme: "Bis heute sah ich nur Männer, heute erst sehe ich meinen Mann neben mir und vor mir arbeiten. Aldjuma Bamba hatte recht. Er ist nicht schöner als andere Männer. Aber er weiß zu arbeiten wie kein zweiter."

Sie hörten nachher mit arbeiten auf. Nach allen Seiten ward die Nachricht gesandt, Samme Karambe hat den Aldjuma Bamba kennen gelernt. Sie hat mit ihm gearbeitet, er weiß besser zu arbeiten als sie. Sie wird mit Aldjuma Bamba Karambe nach Badjugu gehen und seine Frau werden." So heirateten sie. Samme ging mit ihrem Manne in sein Dorf.

Viele Leute in Badjugu waren auf Aldjuma Bamba eifersüchtig



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und mißgönnten ihm seine ausgezeichnete Frau. Viele Leute suchten die Ehe zu trennen. Sie sagten hinter seinem Rücken zu Samme: "Dein Mann kann ja ein wenig arbeiten, das ist wahr. Aber sieh nur, wieviel wohlhabende Männer es hier im Dorfe gibt, mit denen du auch glücklich und noch viel glücklicher sein könntest." Die Leute aber vermochten nichts auszurichten. Sie vermochten die Ehegatten nicht auseinanderzubringen, denn Samme sagte: "Ich bin mit ihm sehr glücklich. Er ist ein braver, tüchtiger Mann."

Einige Leute waren ganz besonders eifersüchtig auf Aldjuma Bamba. Sie wollten versuchen, Samme für sich zu gewinnen. Sie sagten untereinander: "Wir wollen ihn töten. Wir wollen Aldjuma Bamba töten. Dann wird Samme einen von uns heiraten." Eines Tages gingen sie hinter Aldjuma Bamba her, überfielen ihn im Busch, töteten ihn und warfen den Leichnam in ein felsiges Bachbett. Dann kehrten sie am Abend nach Badjugu zurück.

Samme wartete den ganzen Tag auf ihren Mann. Am Abend sagte ein Mann zu ihr: "Du hast verweinte Augen, was ist dir?" Samme sagte: "Ich warte auf meinen Mann. Er versprach heute morgen noch wiederzukommen, und er ist doch noch nicht heimgekehrt." Ein Mann sagte: "Ach, er wird ein wenig weitergegangen sein, um noch ein wenig Honig zu suchen." Andere sagten: "Ja, so wird es sein." Samme sagte: "Nein, so ist es nicht." Abends spät sagte ein Mann zu ihr: "Weißt du, wenn dein Mann gestorben ist, wirst du dann einen von uns heiraten?" Samme sagte: "Nein, dann heirate ich nicht wieder." Der Mann sagte: "Ich glaube nicht, daß Aldjuma Bamba heute wiederkommt, denn wir haben ihn heute früh im Busche getötet."

Am anderen Morgen ordnete Samme ihre Haare und Kleider und ging zu dem Manne, der gestern abend zuletzt mit ihr gesprochen hatte und sagte zu ihm: "Sage mir, wo ihr meinen Mann getötet habt." Der Mann sagte: "Ach, das war ja Scherz. Ich war gestern abend betrunken. Wir haben deinen Mann nicht getötet. Er wird sicher heute wiederkommen." Darauf schrie Samme laut auf, so laut, daß viele Leute im Dorfe es hörten und viele gutgesinnte Männer herbeikamen und fragten: "Was gibt es?" Samme sagte: "Mein Mann ist seit gestern nicht wiedergekommen! Dieser Mann hat mir gesten abend in der Betrunkenheit selbst gesagt, daß er mit anderen meinen Mann getötet habe. Denn sie wollten mich haben. Nun will ich wenigstens wissen, wo die Leiche meines Mannes ist." Die anderen nahmen den Mann sogleich gefangen. Der Mann sagte:



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"Ich war es nicht allein. Wir waren sieben Männer." Darauf wurden alle sieben Leute gefesselt. Die Leute sagten: "Wir wollen alle sieben töten; aber erst sollen sie uns zeigen, wo die Leiche ist." Darauf mußten die sieben die Stelle im steinigen Bachbett zeigen, an der sie Aldjuma Bamba heruntergestürzt hatten. Als Samme dorthin kam und den Toten unten liegen sah, stürzte sie sich sogleich herab, schlug mit dem Kopf auf die Felsen auf und war tot.


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