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Kapitel 

SPIELMANNS GESCHICHTEN DER SAHEL

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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MIT EINER KARTE DER SAHARA UND

EINER BILDERTAFEL / TITEL- UND

EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE


22. Die Affen (Binimalegende)

Der Hundskopfaffe hat bei den Habbe im Süden Massinas den Namen Ndege. Eine Kaddofrau war mit einem Jäger in Dogo verheiratet. Sie waren vom Stamme der Binima. Die Frau hatte ein kleines Mädchen. Das stillte sie noch und trug es daher immer auf dem Rücken mit sich herum. Eines Tages wurde der Jäger sehr krank. Er konnte das Haus nicht verlassen. Die Frau sagte zu ihrem Manne: "Laß nur, ich kann die Feldarbeit auch allein bewältigen. Bleib ruhig liegen, dann wird es besser werden."

Die Frau begab sich mit dem kleinen Kinde auf dem Rücken auf das Feld und arbeitete daselbst. Alle Jahre kamen die Ndege von dem benachbarten Felsen herunter und nährten sich von dem Acker der Jäger. Als die Frau mit dem Kinde auf dem Rücken auf das Feld kam, sah sie, daß die Ndege viel Korn gestohlen hatten und so frech waren, daß sie kaum wegliefen, als sie kam. Die Frau arbeitete den Tag über. Als sie abends heimkehrte, sagte sie zu ihrem Manne: "Die Ndege sind wieder in unseren Feldern. Sie werden uns noch alles Korn aufessen." Der Jäger sagte: "Nimm morgen früh alle Hunde mit, dann werden die Ndege sich die Sache überlegen."

Am anderen Morgen gab der Jäger den Hunden gutes Futter. Darauf machte die Frau sich mit den Hunden auf den Weg. Als sie ankam, war ein ganzes Rudel von Affen auf dem Felde. Sie verteilte also die Hunde rund herum und hetzte sie dann auf die Affen. Die Ndege liefen davon. Die Hunde bissen einige tot, einige konnten sie nicht greifen. Es war eine Ndegemutter dabei, die trug ihr Junges auf dem Rücken. Als die Hunde hinter ihr herhetzten, fiel das Junge herunter. Die Mutter entfloh, und der Hund griff das Junge auf und brachte es der Frau des Jägers. Das Junge lebte.

Abends kehrte die Jägersfrau mit ihrem Kinde, dem Ndege jungen und den Hunden heim. Sie zeigte ihrem Manne das Ndege junge. Der Jäger sagte: "Gut, wir wollen das kleine Ndegemädchen aufziehen. Gib ihm nur von allen Speisen, die du bereitest, ein wenig ab. Dann wird der kleine Affe bei uns groß werden."



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Am anderen Tage ging die Frau mit ihrem Kinde auf dem Rücken wieder auf den Acker. Sie legte das Kind am Rande des Ackers in Stoffe gehüllt nieder und begab sich in das Feld hinein zur Arbeit. Als sie ziemlich weit entfernt im Korn arbeitete, kam die Mutter des jungen Ndege, den die Frau am vorhergehenden Tage ihrem Manne gebracht hatte, und schlich sich dahin, wo die Frau ihr eigenes Kind am Boden in Stoffe gehüllt niedergelegt hatte. Die Affenmütter legte die Stoffe beiseite, nahm das kleine Menschenmädchen und lief damit von dannen.

Als die Jägersfrau ihre Arbeit beendet hatte, kam sie an den Platz zurück, wo sie ihr Kind hingelegt hatte. Sie schlug die Stoffe auseinander. Das Kind war nicht darin. Sie schaute sich um. Das Kind war nirgends in der Nähe zu sehen. Sie begann zu weinen. Dann sah sie die Spuren der Affenmütter am Boden. Sie schaute weiter aus. Da sah sie auf einer Felsenspitze die Affenmütter mit ihrem Kinde. Die Jägersfrau weinte laut auf. Die Ndegemutter zeigte aber vom Berge herab das kleine Menschenkind der Jägersfrau.

Die Frau lief nach Hause. Sie weinte und sagte zu ihrem Manne: "Die Ndegemutter, der die Hunde gestern das Junge abgejagt haben, hat mir heute unter dem Baume, unter den ich unser kleines Kind gelegt hatte, das Kind weggenommen. Sie ist auf die Felsspitze gelaufen und hat mir von da aus das Kind gezeigt." Der Jäger sagte: "Diese Sache kann nicht anders geregelt werden, als so: Nimm das Ndegejunge morgen mit dir auf den Acker. —Zeige es, wenn du ankommst, der Ndegemutter auf der Feisspitze und lege es dann an der gleichen Stelle nieder, an der gestern dein eigenes Kind lag. Dann gehe ruhig zur Arbeit." Die Frau sagte: "So will ich es tun."

Am anderen Tage nahm die Jägersfrau das Ndegejunge mit sich. Sie ging auf den Acker. Sie sah auf der Felsenspitze die Ndegemutter mit dem eigenen Menschenkinde in den Armen sitzen. Sie hielt der Ndegemutter das Ndegejunge hoch in die Luft entgegen. Dann legte sie den kleinen Affen auf die Stoffe unter den Baum so hin, wie gestern ihr eigenes Menschenkind gelegen hatte. Sie ging auf den Acker zur Arbeit. Während sie arbeitete, kam die Affenmütter mit dem Menschenkind. Sie nahm das eigene Affenkind fort und legte dafür das Menschenkind hin. Dann lief sie mit ihrem Jungen von dannen.



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Nachher kam die Jägersfrau von der Arbeit zurück. Sie nahm ihr Kind auf und ging mit ihm schnell nach Hause.

Seitdem essen die Dogoleute den Ndege nicht mehr. Die Dogoleute sind Schmiede.


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